01.06.2015
FOTO UND TEXT: Caspar Türler
Marianne Cramer

Marianne Cramer, Kunsthandwerkerin in Richterswil.

Fünf Fragen

Die Kunsthandwerkerin

Marianne Cramer, 49, führt in Richterswil das «Craft Werk» – Atelier, Laden und Dorftreff zugleich. Für die 750-Jahr-Feier des Dorfes am Zürichsee gestalten Anwohnerinnen und Anwohner unter ihrer Anleitung fünf mosaikbestückte Parkbänke.

Haben Sie ein Morgenritual?
Ich stehe früh auf, mache Frühstück für meine beiden Töchter, lese Zeitung und nehme einen oder zwei Kaffee – total langweilig, nicht wahr?
Obwohl, ein kleines Ritual habe ich schon: Bevor ich in meinen Laden gehe oder für ein Kunstobjekt unterwegs bin, mache ich eine halbe Stunde Online-Spiele, um den Kopf frei zu machen.

Was beinhaltet Ihr Job?
Ich habe vor elf Jahren einen Laden eröffnet, als Plattform für Inspiration und Kreation. Heute ist er aber geschlossen, denn ich leite hier auf dem Dorfplatz Erwachsene und Jugendliche im Mosaikkleben an.
Mit dem Diamantschneider ritzen wir Linien in farbige Glasplatten und brechen sie mit der Glaserzange in drei- oder viereckige Plättchen. Dann betupfen wir die zum Motiv passenden Plättchen mit Silikonkleber und bringen sie mit etwas Fingerdruck in die gewünschte Position. Das ist kinderleicht und macht allen Spass.
Die Knochenarbeit kommt allerdings vor dem Bekleben: Für ein grosses Mosaikobjekt, etwa einen Drachen oder eine Bank, mache ich zuerst ein Modell aus Isolationsplatten, die ich in Form schnitze. Dann kommt der Unterbau aus Holz oder Stahl; darüber ein Trägermaterial wie Fiberglas, Epoxidharz oder Beton.
Wenn diese Schicht ausgehärtet ist, übertrage ich die Formen mit Filzstift. So sehen meine Helferinnen und Helfer, wo welche Mosaiksteine hinkommen. Auf dieser Bank legen wir Figuren und verschiedene Brettspiele, die man später direkt auf der Bank spielen kann. Am Schluss muss ich nur noch die Fugen mit frostbeständigem Putz füllen.

Mosaikkleberin
Die Chance, ein dauerhaftes Kunstwerk selber mitzugestalten, gibt's nicht alle Tage.Foto: Caspar Türler

Was sind die Voraussetzungen, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Ich bin glücklich, wenn sich meine Kundinnen und Kunden freuen – etwa, wenn sie über das Angebot in meinem Laden staunen oder wenn sie unsere Bänke gerne benutzen. Wie für jeden Menschen ist mir die Wertschätzung meiner Arbeit viel wert und natürlich der Spass an der Sache selbst.
Wer hätte nicht gerne «10 000 Steine auf der Bank» im Wissen, «alles verputzen» zu dürfen?

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
(Längere Pause.) Das kann ich momentan nicht richtig beantworten ... Mein Mann ist vor wenigen Wochen verstorben. Er war Architekt. Diese Bänke hat er noch gestaltet. Die Bänke fertig zu stellen, ist eine Art Bewältigungungstherapie.
Momentan stellt sich mir deshalb nicht die Frage nach dem privaten Ausgleich, sondern die Frage nach dem Ausgleich der Familienfinanzen. Dank dem festen Einkommen meines Mannes war ich in der Lage, mein Hobby zum Beruf zu machen. Nun gehe ich in Teilzeit wieder meinem früheren Beruf als Floristin nach. Um halb drei Uhr früh verlasse ich das Haus in Richtung Engros-Blumenmarkt.
Meine Hobbys pflege ich aber weiter. Vielleicht, um nicht ins grosse Loch zu fallen. Ich spiele Gitarre, fahre Velo, bin in einer Yogagruppe und spiele Unihockey.

Was ist Ihr Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Man muss sich wohl fühlen. Wir sitzen hier unter einem Zelt, haben etwas zu trinken, und ich lasse vom iPod Jazz und Chansons laufen. Von den alten «Siedern» wie Michel Sardou und Reinhard May bis heute. Gute Laune bei der Arbeit hat man, wenn man das tun darf, was man liebt.
Wenn man neben der Routine immer wieder etwas ganz Spezielles machen kann, einprägsame Wegmarken erreicht... dann hilft das, die Zeit kurz anzuhalten. Sonst geht sie ungebremst vorüber.                  

Mosaiksofa
Die fertige Bank zum Thema «Spielen und Verweilen».Foto: Caspar Türler