14.12.2021
TEXT: Carmen SchurterFOTO: ©Pixabay
Social Media bieten gute Möglichkeiten der Vernetzung – auch für die Jobsuche.

Social Media bieten gute Möglichkeiten der Vernetzung – auch für die Jobsuche.

Netzwerken im Netz

«Wenn du etwas kannst, zeige es»

Keine Idee ist etwas wert, wenn nicht Mitstreiterinnen gewonnen, Kunden begeistert, Interessenten generiert werden. Social Media bieten besonders gute Möglichkeiten der Vernetzung – auch für die Jobsuche. Wie aber hebt man sich von der Konkurrenz ab und bleibt sich selber zugleich treu? Robby van Kessel kennt die Antworten.

«Nur wer sichtbar ist, findet auch statt», so wird Tijen Onaran oft zitiert, eine in den sozialen Medien sehr präsente deutsche Unternehmerin, die sich international für Digitalisierung und die Sichtbarkeit von Frauen in der Wirtschaft engagiert. Verweist diese Aussage auf die Dynamik der Selbstvermarktung, einen wichtigen Aspekt des Netzwerkens, oder gar auf den qualitativen Unterschied zwischen analogen und digitalen Medien?
ROBBY VAN KESSEL: Ja – und ja und nein: Wenn ich mich in einem analogen Umfeld bewege, an einem geschäftlichen Anlass beispielsweise, werde ich auch wahrgenommen, wenn ich mich nicht explizit hervortue. Bin ich jemandem aufgrund eines sympathischen Aspekts aufgefallen, kann mir diese erreichte Aufmerksamkeit später auch ohne spezifische Aktivität meinerseits zugutekommen. Im virtuellen Raum bin ich jedoch ohne spezifische Aktivität kaum sichtbar. Hier ist es unabdingbar, dass ich mich äussere und profiliere, um nicht in der schieren Datenmenge als Null unterzugehen. Aber auch im sogenannten «Offlinemodus» ist es natürlich von Vorteil, wenn ich eine Strategie der Selbstpräsentation verfolge.

Onlinekommunikation wurde in der Pandemie enorm in den Fokus gerückt. Da gab es sicherlich auch Entwicklungen in den sozialen Medien. Was ist dir da aufgefallen?
Ja, tatsächlich ist eine Zunahme der Aktivitäten auf Onlineplattformen zu verzeichnen, wobei ich persönlich mich vor allem auf LinkedIn konzentriere, da mir diese Plattform als die vielversprechendste erscheint. Viele Stellensuchende, die sich bisher kaum auf LinkedIn vernetzten, erkannten durch die aktuelle Situation, dass im digitalen Raum die grösstmögliche Reichweite und Aktivität generiert werden kann.  

Beim ersten Schritt jedoch kommen schon die ersten Hindernisse: Wie erstelle ich mein Profil, und zwar nicht in technischer Hinsicht, sondern vor allem: Will und kann ich mich gut profilieren? Wie geht das? Was hat die Sichtbarkeit für Konsequenzen, und darf ich mich ins Rampenlicht stellen, darf ich mich zum Beispiel mit Posts so profilieren? Aber das ist eine typisch schweizerische Zurückhaltung, ich vertrete eher die Haltung: Tue Gutes und sprich darüber. Wenn du etwas kannst, zeige und verbreite es.

Wie erkennt man, ob man sich richtig profiliert, ob man richtig kommuniziert, sprich: sich mit den richtigen Leuten vernetzt?
Die ersten Fragen, die sich stellen, sind: Wer bin ich, was will ich, und was ist mein Ziel? Es macht zum Beispiel wenig Sinn, auf eine Social-Media-Plattform zu gehen, bloss weil alle das machen. Klar, es schadet auch nicht. Aber es bringt auch nichts, wenn das Profil nicht bewirtschaftet wird. Ich beispielsweise verbringe täglich bis zu anderthalb Stunden auf LinkedIn, was bei mir als Selbständigerwerbender auch geschäftlich sinnvoll ist, da ich so ständig Kontakte zu potenziellen Auftraggebern aufbaue. Eine wirklich gute digitale Präsenz erfordert viel Arbeit, weshalb ich auch davon abrate, Profile doppelt oder dreifach zu führen. Klar, da gibt es Plattformen wie Facebook oder Instagram für private Vernetzungsaktivitäten oder den B2C-Markt. Aber als Stellensuchender oder Unternehmerin sollte man sich für eine Plattform entscheiden, und da würde ich, wie bereits erwähnt, LinkedIn mit über drei Millionen Usern in der Schweiz empfehlen. Aber der Erfolg kommt nicht sofort, das ist ein ständiger Prozess und erfordert echtes Engagement. Das Netzwerk ist ein plastisches Gebilde: Durch Kommunikation in professionellen wie privaten Dingen kommen neue Kontakte hinzu, verlieren sich andere.

Wie kommuniziert man online am besten?
Generell vertrete ich die Maxime: «Verhalte dich online wie offline». Das heisst, pflege deine Kontakte, wie du deine analogen sozialen Kontakte pflegst. Gratuliere zum Geburtstag oder zum Stellenantritt und nutze diese Gelegenheiten, um dich wieder in Erinnerung zu bringen. Statt mit jemandem einen Kaffee zu trinken, kannst du Posts kommentieren und auf diese Weise erfahren, womit sich dein Gegenüber beschäftigt. Was übrigens viel effektiver, weil persönlicher ist, als Beiträge nur zu liken. Interessant ist, die Überraschung in den Gesichtern von Kursteilnehmenden zu sehen, wenn sie ihre Offline-Netzwerke aufzeichnen. Sehr schnell stellen die meisten fest, dass da schon mal gut 400 bis 600 Leute zusammenkommen. All diese Personen machen ein Netzwerk aus, das weit über familiäre, freundschaftliche oder kollegiale Zusammenhänge hinausreicht. Da sich berufliche und private Sphären bei jedem Menschen, der in sozialer Interaktion steht, überschneiden, könnte auch jede Person in meinem Netzwerk ein potenzieller Kontakt meines zukünftigen Arbeit- oder Auftraggebers sein. So empfiehlt es sich also, einerseits grosszügig mit Kontaktanfragen umzugehen und diese anzunehmen, wenn gewisse Kriterien wie Berufsfeld, Interessen oder geografischer Raum stimmen. Andererseits empfiehlt sich auch eine gewisse Selektivität, einfach der Übersichtlichkeit wegen und damit eine Kontaktpflege auch möglich bleibt. 

Robby van Kessel, 38, ist Dozent und Coach.

«LinkedIn ermöglicht es, unkompliziert und schnell Kontakte zu knüpfen, und dies auf allen hierarchischen Ebenen.»

Robby van Kessel, Social-Media-Coach

Die Anzahl Kontakte ist digital grösser als analog – wie kann da von einer Kontaktpflege die Rede sein?
Ja genau, und das ist ja das Schöne an einer Plattform wie LinkedIn. Denn die Plattform ist nicht mein soziales Netzwerk, wie man im Kurzschluss meint, sondern die Plattform ist das Tool, das mein Netzwerk visualisiert und mir somit den Zugriff darauf erlaubt. Es kanalisiert als Kommunikationsmedium meine Message, die in Sekundenschnelle gezielt verbreitet wird. Ich kann ja via Filter meine Posts kanalisieren. Aber «The media is the message» heisst auch: Ich erreiche wie in einem Schneeballsystem zwar schnell eine grosse Gruppe, in der aber nur bei wenigen die Information auch haften bleibt. Deshalb muss ich mich auch immer wieder mit Kommentaren und Posts in Erinnerung rufen. Ausser bei Shitstorm-Nachrichten. In dieser Hinsicht vergisst das Netz nie. Meinungen polarisieren immer. Mit einer politischen Stellungnahme im Netz kann man nur verlieren, da die Reaktionen darauf im digitalen Raum unkontrollierbar sind.

Was macht LinkedIn wirklich wertvoll bei der Stellensuche?
Es gibt ein paar Tricks, die LinkedIn zu einem hervorragenden Tool für die Jobsuche im verdeckten Stellenmarkt machen. Ich folge Firmen, die für mich interessant sind, und erfahre so womöglich von einer vakanten Stelle, bevor sie offiziell ausgeschrieben wird. Zudem bin ich immer informiert, wie sich die Firma entwickelt und welche Profile in nächster Zukunft gesucht sein könnten. Als Follower mache ich mit Onlineaktivitäten auf mich aufmerksam und bewege mich im Visier des HR und der Entscheider eines potenziellen Arbeitgebers. 

Funktioniert LinkedIn wie ein basisdemokratisches VIP-Beziehungsnetz?
Nutze ich das Jobportal von LinkedIn, werden mir sofort interne Mitarbeitende, mit denen ich bereits vernetzt bin, angezeigt. Ich checke ab, ob gemeinsame Kontakte mit dem CEO, der Linie oder dem HR bestehen. Je nachdem, wie gut ich eine Person kenne, kontaktiere ich sie, um mehr Informationen über Stelle und Firmenkultur zu erhalten. Auch kann ich um eine Empfehlung bitten. LinkedIn bietet mir aber auch eine direkte Kontaktaufnahme mit einem Entscheidungsträger, indem ich in einem ersten Schritt eine Vernetzungsanfrage versende. In einem zweiten Schritt komme ich dann auf die Stellenanforderungen und meine Qualifikationen zu sprechen und versuche, den Match abzufragen. Meistens bekomme ich eine Rückmeldung, denn kein Arbeitgeber lässt sich qualifizierte Kandidaten entgehen. Im positiven Fall versende ich meine Bewerbung nun mit einem Verweis auf die Vorabklärung und «zwinge» das HR sozusagen, mein Dossier zu berücksichtigen. So agiere ich als mein eigener Recruiting Agent, gewissermassen im Selfmarketing. Selbstverständlich funktioniert das LinkedIn-Netzwerk auch bei extern publizierten Stelleninseraten. Fazit: LinkedIn ermöglicht mir, unkompliziert und schnell Kontakte zu knüpfen, und dies auf allen hierarchischen Ebenen. Nie war die Reichweite so gross.

Wie glaubwürdig ist ein digitales Profil?
Bevor wir zu netzwerken beginnen, muss das Profil vollständig und optimiert sein. Dazu gehört auch, sich Kenntnisse bestätigen zu lassen, und noch besser wirkt es, wenn Empfehlungen von Arbeitskollegen und Vorgesetzten vorhanden sind, welche spezifische Qualifikationen bestätigen, wie Fachkenntnisse oder Führungsqualitäten. Empfehlungen müssen nicht immer nur Perfektes formulieren, im Gegenteil. Da sie eine Fremdwahrnehmung darstellen, bestätigen sie ein Profil als realistisch. Oder wie ein Bonmot es so schön formuliert: «Wir alle sind Menschen mit Ecken und Kanten – nur eine Null hat keine.» So kommt meine Persönlichkeit zum Tragen. Denn: Ich bin, wie ich bin, und ich will nicht irgendwo arbeiten, wo meine Persönlichkeit nicht hineinpasst. Das effektive Netzwerk, die Power, ist offline. 

Ein ultimativer Tipp deinerseits? 
Über den Schatten springen und sich trauen, sich zu zeigen – auch wenn dieses Selfmarketing sich etwas ungewohnt anfühlt zu Beginn. Es funktioniert! Und es ist eine megagrosse Chance. Nirgendwo sonst kommt man so leicht in Kontakt mit Entscheidungsträgern. 

Tipps & Tricks

Personal Branding: Verkaufsprofi in eigener Sache 

  • Entwickeln Sie eine Strategie. Stellen Sie sich folgende Fragen: Wer bin ich, was habe ich zu bieten – fachlich wie auch als Mensch –, welche Art von Netzwerk ist von Nutzen für mich?
  • Gestalten Sie Ihr Kurzprofil einheitlich und übersichtlich. Wechseln Sie auch mal die Perspektive, indem Sie sich fragen: Welche Skills könnten für den Arbeitgeber interessant sein?
  • Es dauert lange, sich kurz zu fassen: Denken Sie daran, das Kurzprofil ist im Gegensatz zum klassischen Lebenslauf keine Chronologie, sondern eine Bündelung der Kompetenzen.
  • Trauen Sie sich, Ihre Persönlichkeit durchscheinen zu lassen. Es dürfen ruhig auch Diskussionen oder Beiträge zu persönlichen Interessen gepostet werden, sofern diese mit dem beruflichen Auftritt zu vereinbaren sind.
  • Politische Stellungnahmen sind jedoch grundsätzlich zu vermeiden. Meinungen polarisieren und sind ein Minenfeld, man kann nur verlieren.

Seien Sie sichtbar

  • Sichtbarkeit: Es ist wichtig, darauf zu achten, dass für alle relevanten Informationen die Sichtbarkeit «öffentlich» eingestellt ist und nicht nur für Kontakte freigegeben ist. Nur so können Firmen und auch Recruiter auf ein Profil aufmerksam werden: «Wenn mich keiner sieht, weiss auch keiner, dass ich da bin.» Firmen und Recruiter suchen aktiv im Netz nach qualifizierten Kandidaten.
  • Aktivieren Sie Kontakte, um an jemand anderen heranzukommen. Entscheidungsträger sind über das Netzwerk oder eine Vernetzungsanfrage ansprechbar.
  • 70 Prozent aller Stellen werden über den verdeckten Arbeitsmarkt neu besetzt. LinkedIn ist eine starke internationale Plattform, um sich zu profilieren, und überholt mit über drei Millionen Mitgliedern in der Schweiz die Konkurrenzplattform Xing um beinahe das Dreifache. Letztere wird hingegen in Deutschland und Österreich ungleich stärker genutzt als LinkedIn. Somit entscheidet sich die Wahl der Plattform mit der Beantwortung der Frage, auf welchem Arbeitsmarkt man sich vernetzen will. Weitere Tipps: www.socialschweiz.ch

Seien Sie aktiv

  • Ergreifen Sie die Gelegenheit zur Kontaktpflege anhand von speziellen Ereignissen wie Geburtstagen oder Stellenantritten. 
  • Nehmen Sie sich die Zeit, Beiträge zu kommentieren und nicht nur zu liken. Inhalte haben auch für den Algorithmus Relevanz – bei der Online-Community umso mehr! 
  • Markieren Sie Personen in Beiträgen und stellen Sie somit Verknüpfungen zu Kontakten her. 
  • Lassen Sie sich Ihre Kenntnisse bestätigen: Recruiter filtern nach Kenntnissen. (Im Profil Abschnitt hinzufügen, Scrollmenü: Kenntnisse hinzufügen.)
  • Bitten Sie um spezifische Empfehlungen: Was soll bewertet werden? Verhalten, Methodik als Dozent oder Verhalten als Mitarbeiter? Eine einzige Empfehlung wiegt mehr als 20 Bestätigungen von Kenntnissen. (Im Profil Abschnitt hinzufügen, Scrollmenü: Qualifikationen und Auszeichnungen; weitere Informationen: um eine Empfehlung bitten.)
  • Wichtig: Abgrenzung. Fragen Sie sich immer wieder, was Ihnen nützt und/oder Spass macht.

Robby van Kessel, 38, ist als Dozierender und Coach sowie in der Vermittlung von Dozierenden an verschiedenen Bildungsinstitutionen seit einem Jahr selbständig. Zuvor war er als Marketing-Verkaufsleiter tätig. Seine interaktive Methode lässt die Kursteilnehmenden gleich vor Ort netzwerken und baut damit eine Brücke zwischen der analogen und der digitalen Welt. Der zweitägige Kurs «Erfolgreich Netzwerken», den auch die Autorin dieses Beitrags besucht hat, wird von FAU jeden Monat angeboten. Ab Januar 2022 wird voraussichtlich sein Vertiefungskurs mit dem Fokus «Verdeckter Arbeitsmarkt und LinkedIn» von FAU ebenso monatlich angeboten.

«blickwinkel» zum Thema Kommunikation im Bewerbungsprozess

Dieser Beitrag entstand im Rahmen der Zeitschrift «blickwinkel», deren Herbstausgabe 2021 sich dem Thema Kommunikation im Bewerbungsprozess widmet.

Die Zeitschrift «blickwinkel» erscheint jeweils im Mai und November. Jede Ausgabe konzentriert sich auf ein facettenreiches Thema und beleuchtet es aus unterschiedlichsten Perspektiven.

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