25.09.2017
FOTOS UND TEXT: Christine Walli
Robert Schätzle, Pfarrer, verheiratet

Robert Schätzle setzt auf Offenheit und lässt Experimente in seiner Pfarreiarbeit gerne zu.

Fünf Fragen an den Seelsorger

«Wir reden zu viel über Gott, aber verstehen ihn zu wenig»

Der Theologe Robert Schätzle (40), verheiratet und Vater von drei Kindern, führt die Pfarrei St. Franziskus in Kempraten (SG). Der katholische Pfarreibeauftragte hat aus Überzeugung auf das Zölibat und die damit einhergehenden Kompetenzen eines Pfarrers teilweise verzichtet.

Haben Sie ein Morgenritual?
Ich stehe eine halbe Stunde früher auf, gehe in mein stilles Kämmerlein und versuche, eine halbe Stunde still zu sein, um mich selber zu spüren und zu beten. Dabei ist mir wichtig, mich mit dem in Verbindung zu setzen, von dem ich glaube, dass er der Ursprung meiner selbst ist. Der christliche Glaube geht ja davon aus, dass Gott vor allem in sich selber zu finden ist. Ich versuche, dieses Ritual möglichst treu zu pflegen, bevor der Trubel im privaten, aber auch beruflichen Umfeld losgeht. Wenn ich dieses Ritual vernachlässige, merke ich, wie sich eine innere Leere in mir ausbreitet.
 
Was beinhaltet Ihr Job?
Ich habe einen sehr abwechslungsreichen Job. In der Pfarrei beziehungsweise in der Seelsorge gibt es eine ganze Bandbreite von Arbeiten: Am Sonntag feiern wir den Gottesdienst mit der Gemeinde. Dazu kommen noch Taufen, Beerdigungen und Hochzeiten. Aber auch der Religionsunterricht und Vorträge zählen zu meinen Tätigkeiten. Nebenbei begleite ich Menschen in Gesprächsgruppen oder Einzelgesprächen. Und natürlich ergeben sich auch die stinknormalen Administrationsarbeiten. Bei dieser Bandbreite an Aufgaben verwundert es mich, dass wir Seelsorger ein echtes Nachwuchsproblem haben.

 

Kirche St. Franziskus in Kempraten - Jona. Foto: Christine Walli

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Entscheidend ist für mich, eine Atmosphäre vorzufinden, die frei und offen ist. Eine Offenheit dem ganzen Leben gegenüber, welches die Menschen mitbringen. Und da kommt viel Buntes und viel Helles, aber auch Abgründe, Verstrickungen und Traurigkeit. Die ganze Bandbreite des Lebens ist da und sollte sich auch in der Kirche widerspiegeln können. Offenheit und ein Team, das sich auch mal auf ein Experiment einlässt und neue Wege beschreiten möchte, sind daher für mich sehr wichtig.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Zum Leidwesen meiner Frau funktioniert bei meinem Beruf die Trennung zwischen privat und beruflich fast gar nicht. Für mich geht das eine in das andere über. Ich bin eher skeptisch, dass eine strikte Trennung von Berufung und Privatleben sein muss. Damit ich als Seelsorger nicht leerlaufe, dafür sorgen nämlich gerade die Auseinandersetzungen mit den alltäglichen Problemen einer Familie. Als Familienmensch kommen so wieder ganz andere Themen auf mich zu, die verhindern, dass ich mich zu sehr von meiner Berufung vereinnahmen lasse, sodass ich einen gewissen Abstand wahren kann.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Ausreichend Schlaf. Denn ich weiss, dass wenig Schlaf ein «Schlechtelaunegenerator» ist. Aber grundsätzlich und viel wichtiger finde ich die Fragen: «Wofür tue ich das eigentlich?» und «Was ist sozusagen meine Berufung hinter all dem, was ich beruflich und privat mache?». Wenn diese Fragen mit einer gewissen Befriedigung für sich beantwortet werden können, ist die Quelle der Zufriedenheit recht nahe. Täglich mit einem Dauergrinsen herumrennen ist nicht Voraussetzung für gute Laune, aber sich ab und zu die Sinnfrage des eigenen Schaffens zu stellen, ist sicherlich ein Weg zum beruflichen Glück.