Veröffentlicht am 09.03.2015FOTO UND TEXT: Denise Ferrarese

Blitzlicht: Lehrer

Christian Kissling, 36, ist Englischlehrer für Primar- und Realschüler in Kleindöttingen. Der Spagat seiner Tätigkeiten geht weit auseinander: Er braucht sowohl Qualitäten als Manager als auch als Seelentröster.

Haben Sie ein Morgenritual?
Der Wecker klingelt bei mir jeden morgen viel zu früh. Um mich wach zu kriegen, brauche ich zuallererst eine Dusche. Danach muss alles schnell gehen: Frühstück, im Hintergrund läuft das ARD-Morgenmagazin, während der ersten Zigarette erstelle ich eine To-Do-Liste, um mich startklar für den Tag zu machen. Danach geht’s ab mit meinem Velo Richtung Arbeit.

Was beinhaltet Ihr Job?
Zurzeit unterrichte ich 10- bis 16-Jährige in Englisch, sonst bin ich meist als Klassenlehrer an der Realschule tätig. Mein Job beinhaltet jedoch weitaus mehr als nur das Unterrichten. Er besteht zu 50 Prozent aus Vorbereitung des Stoffes und Unterricht, zu jeweils 20 Prozent aus Kommunikation im Team und zu 30 Prozent aus Sozialarbeit. Bei Problemen kommen die Ämter, Psychologen, Soziologen und Eltern hinzu. Das Meiste versuche ich direkt mit den Jugendlichen zu klären. Viele Schüler sind aufgrund sozialer Schwierigkeiten im Elternhaus in der Real. Diese Probleme muss der Lehrer früh erkennen und richtige Impulse setzen. Oft sind es auch kleinere Probleme, wie eine nicht erwiderte Liebelei oder eine schlechte Note. Lehrer sein heisst auch, über den eigenen Schatten zu springen und die Balance zwischen Verantwortung und Toleranz richtig einschätzen zu können.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Damit ich zufriedenstellende Arbeit leisten kann, ist für mich ein gutes Verhältnis mit meinen Arbeitskollegen das A und O. Auch ist eine gewisse Wertschätzung der Schüler mir gegenüber wichtig. Ohne diese würde ich meinen Job wohl nicht richtig ausführen können. Die freie Meinungsäusserung der Schülerinnen und Schüler ist mir sehr wichtig. Dass diese konstruktiv ist  und beide Seiten dabei wachsen können, ist essentieller Teil des Schulgeschehens.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Sehr wichtig. Da der Lehrerjob keine klar definierte Arbeitszeit hat, kommt es vor, dass ich notwendige Telefongespräche mit Eltern oder sozialen Fachkräften von zu Hause aus führe. Auch die Vor- und Nachbearbeitungszeit droht ständig auszuufern. Das birgt die Gefahr, die Arbeitszeit mit der privaten Zeit zu vermischen. Um dies zu verhindern, muss ich mir Grenzen setzen. Gewisse Abende gestalte ich darum schulfrei. Einen guten Rotwein mit einer Freundin zu trinken oder meinem Hobby, dem Theaterspielen nachzugehen, lädt meine Batterien und ist deshalb für die Schule wie auch für mich wertvoll.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Auch ein Lehrer hat mal gute und machmal nicht so gute Tage. Regelmässiges Training in Meditation sowie Yoga hat mir dabei geholfen, mehr innere Stabilität zu erreichen. Ich habe gelernt, dass es grundlegend ist, auf das Bauchgefühl zu hören, aber nicht immer gleich darauf zu reagieren. Wie man in den Schüler-Wald ruft, so kommt es logischerweise zurück. Ich denke nicht, dass eine Klasse von ihrem Lehrer erwartet, dass er immer bester Laune ist, sondern viel mehr, dass er ihr ehrlich und authentisch begegnet. Durch das daraus wachsende Grundvertrauen kommt auch bei mir eine Art innere Sicherheit zum Tragen, und ich kann gut über schlechtere Zeiten hinwegsehen.