Veröffentlicht am 28.01.2015FOTO UND TEXT: Dorothea Bergler

Blitzlicht: Tenor

Christoph Homberger, 52, Tenor und Künstler hat sich von den grossen Bühnen dieser Welt verabschiedet. Neben den Spontankonzerten an ungewöhnlichen Orten nutzt er seine Kreativität und Leidenschaft für sein neuestes Projekt: Im Sommer eröffnet Christoph Homberger in Zürich einen Ort zwischen Küche und Kunst. 

Haben Sie ein Morgenritual?
Morgenstille, 5.15 Uhr: Der Wecker läutet, ich stehe auf, koche Kaffee und rauche meine erste Zigarette. In aller Ruhe lese ich Zeitungen, inzwischen alle online, und genehmige mir dafür mindestens eine Stunde Zeit. Und dann wecke ich meine Frau und bringe ihr den Kaffee ans Bett – wohlbemerkt jeden Tag. Anschliessend wecke ich meine 15-jährige Tochter und bringe ihr Tee. Auch das mache ich jeden Tag. Wenn alle ausser Haus gegangen sind, koche ich nochmals Kaffee, rauche ein oder zwei Zigaretten, gehe Einkaufen und arbeite meine berufliche und private To-Do-Liste ab, die ich jeden Abend zuvor verfasse. Punkt 12 Uhr steht dann ein hungriges Kind vor der Türe. Wenn ich zuhause bin, koche ich natürlich für sie. Wenn ich eine Abendvorstellung habe, bin ich um 20 Uhr wirklich müde.

Was beinhaltet Ihr Job?
Ich erfinde mich gerade neu. Ich habe eine lange Vergangenheit als Tenor. Ich hatte Engagements an allen grossen Opernhäusern, von Madrid, Paris bis Wien. Als Schauspieler habe ich Theaterprojekte mit Künstlern wie Frank Castorf oder Christoph Marthaler gemacht. Ich probierte viel aus. Ich arbeite gerne mit Schauspielern. Meine Spezialität war und ist, Laien zum angstfreien Singen zu bringen. Ich kann eine Atmosphäre schaffen, die es ihnen ermöglicht, sich zum Singen zu öffnen. Ich mache das auf eine Weise, dass die Sängerinnen und Sänger später auch in Produktionen mitwirken können. Meine Zukunft wird meine Kneipe, mein Salon in Zürich, wo ich Gastgeber sein darf, koche und anschliessend auf die Bühne wechsle und meine Gäste unterhalte. Ich freue mich sehr, dass ich in Zürich Nord Mitstreiter gefunden habe, die an meinem Projekt interessiert sind. Dies gibt mir Kraft. Ich möchte einen Raum erschaffen, in dem sich Menschen austauschen, in dem kommuniziert wird. Kochen und Kunst regen zum Gespräch an. In einer Zeit, in der jeder nur noch an seinem Smartphone fummelt, wird das immer wichtiger.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Das ist eine brisante Frage und beantwortet, warum ich mich aus der Glamourwelt zurückziehe. Show, Opportunismus und Eitelkeiten wurden mir zu viel. Wie jeder Künstler oder Politiker bin ich eitel, bin aber auch ein extremer Teamplayer. Während wir in den 1980er Jahren noch viel ausprobieren konnten und scheitern durften, ist heute die Angst davor zu gross und die Künstler sind zum Erfolg verdammt. Wir leiden an einem Mangel an angstfreien Räumen und an einem Mangel an Selbstironie.

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich? 
Der Ausgleich ist am Wichtigsten. Hier kommt eine veränderte Lebensqualität von 50plus zum Tragen. Ich versuche mir die Radikalität zu erlauben, mich nur noch mit mir wichtigen Menschen zu umgeben. Mit ihnen möchte ich die Beziehung vertiefen und mehr Zeit verbringen. Dazu gehört der Disput. Auch ein Streit benötigt Zeit. Fastfood-Beziehungen interessieren mich nicht mehr. Ich war über Jahre auf Tournee, in der Regel in zehn von zwölf Monaten. In dieser Zeit war es extrem schwierig, Freundschaften zu pflegen. Nun möchte ich mich auf diese Menschen und mir bedeutsame Bereiche konzentrieren.

Welchen Tipp haben Sie für gute Laune bei der Arbeit?
Ich habe ganz selten schlechte Laune bei der Arbeit. Und dann – ich gestehe – gehe ich rauchen. Und wenn das immer noch nicht hilft, dann rauche ich noch eine. Sie fragen sich nun sicher, wie sich das mit dem Singen verträgt? Ich halte es mit Lisa de la Casa, Sopranistin und Kettenraucherin aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts, die auf eine solche Frage erwiderte, «wissen Sie eigentlich wie schädlich singen für die Stimmbänder ist?»