Veröffentlicht am 17.02.2015FOTO UND TEXT: Annekatrin Kaps

Blitzlicht: Leiterin Gassenküche

Brigitte Tschäppeler, 58, ist die gute Seele und Leiterin der Gassenküche Basel. Sie arbeitet seit dreieinhalb Jahren dort, kennt fast alle Besucher und den nicht alltäglichen Ablauf.  

Haben Sie ein Morgenritual?
Ohne Kaffee geht bei mir am Morgen überhaupt nichts. Viel Zeit habe ich nicht, da ich oft schon um sieben Uhr anfange zu arbeiten. Aber ein, zwei Tassen und eine Zigarette müssen sein. 

Was beinhaltet Ihr Job?
Die Betreuung unserer Klienten steht im Vordergrund. In die Gassenküche kommen verschiedene Armutsbetroffene. Darunter sind Sozialhilfeempfänger, AHV- und IV-Rentner, Musikanten aus Osteuropa, Arbeitssuchende aus diversen Ländern, Drögeler, Alkoholiker, aber auch Asylanten, die Nothilfe beziehen. Ich stehe für Gespräche zur Verfügung, aber auch mit Rat und Tat, wenn dies gewünscht wird. In der Gassenküche habe ich eigentlich zwei Rollen, ich bin einerseits Teammitglied und arbeite wie die anderen mit, putze die Tische ab und stelle die Stühle hoch. Zum anderen habe ich die Ressortleitung und muss dafür sorgen, dass der Betrieb läuft. Wenn etwas kaputt geht, kümmere ich mich darum, dass die Reparatur erledigt wird. Alle Personalfragen gehören in meinen Bereich. Ich leite ein Team von sieben festangestellten Mitarbeitenden, dazu kommen zwei Springer und fünfzig Freiwillige. Mit dem Vorstand der Gassenküche stehe ich im ständigen Kontakt. Ich informiere ihn darüber, was gerade läuft und wo Probleme sind. Für unsere Öffentlichkeitsarbeit bin ich auch zuständig, die reicht von Radio- und Fernsehauftritten bis hin zu Führungen in der Gassenküche. Seit der Verein Surprise die Stadtführungen von Randständigen anbietet, sind wir eine Station des Rundganges. In einer knappen Viertelstunde stelle ich unsere Arbeit vor. 

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gern machen?
Ich mag meinen Job und arbeite gern hier, deshalb brauche ich nicht viele Voraussetzungen. Wichtig ist mir jedoch ein harmonierendes Team, weil Unstimmigkeiten zu viel Energie fressen. Der Lohn ist für mich nicht das Kriterium. Ich habe das Gefühl, eine sinnvolle Aufgabe zu haben. Ich kann zwar nicht die Welt retten, aber unseren Gästen zuhören. Ich gebe nicht gern Tipps, doch durch die Gespräche können die Leute ihre Probleme besser einordnen. Unsere Klienten erfahren oft genug Ablehnung, in der Gassenküche sollen sie sich als Mensch akzeptiert fühlen. 

Wie wichtig ist Ihnen der private Ausgleich?
Der ist mir sehr wichtig. Ich trenne stark zwischen Berufs- und Privatleben. Auf dem Heimweg im Tram lasse ich noch den Tag Revue passieren, doch wenn ich aus der Strassenbahn steige, mache ich einen klaren Schnitt. Den brauche ich, um aufzutanken, damit ich am nächsten Tag hundertprozentig da bin. Reisen ist für mich ein toller Ausgleich, auch wenn es nur ein verlängertes Wochenende ist. Seit mein Mann seinen Segelschein gemacht hat, sind wir im Sommer oft auf verschiedenen Seen unterwegs, am liebsten mag ich den Thunersee. Im Winter fahren wir in Adelboden Ski. In der Natur zählt die Erholung doppelt. Wenn ich lese– am liebsten Krimis und Thriller – kann ich alles ringsherum vergessen.

Welchen Tipp haben Sie für gute Laune bei der Arbeit?
Humor kann sehr befreiend sein. Das haben mir schon mehrmals Gäste bestätigt:  ‹Jetzt habe ich zwar immer noch kein Geld und keine Wohnung, aber dafür einen Moment alles vergessen, das hat mir geholfen.› Mein Humor hat mich schon mehrmals gerettet und in kritischen Situationen die Lage entschärft. Mit kleinen Wortscharmützeln unter unseren Gästen fangen manchmal Eskalationen an, mit einem Spruch haben sich die schon oft erledigt.