Veröffentlicht am 13.06.2013FOTO UND TEXT: Stefan Wichmann

Peter Gasser, Leiter Personenfreizügigkeit und Arbeitsbeziehungen beim SECO an der Medienkonferenz.

Personenfreizügigkeit – Die Schweiz profitiert

Die Personenfreizügigkeit hat keine negativen Auswirkungen auf die Löhne in der Schweiz. Auch hat die starke Zuwanderung aus dem EU-Raum Schweizer Erwerbstätige kaum aus dem Arbeitsmarkt verdrängt. Dies besagt ein Bericht des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO).

Das Personenfreizügigkeitsabkommen hat erheblichen Anteil am Wirtschafts- und Beschäftigungswachstum in der Schweiz. Dies geht aus dem «9. Bericht des Observatoriums zum Freizügigkeitsabkommen Schweiz-EU» des Staatssekretariats für Wirtschaft (SECO) hervor. So ist die Erwerbsquote seit 2003 sowohl bei Schweizern als auch bei EU- und EFTA-Bürgern, die in der Schweiz leben, gestiegen.

Laut dem Bericht des SECO richtet sich die Zuwanderung in die Schweiz vor allem nach der Arbeitskräftenachfrage der Unternehmen. Dieser Knowhow-Zuwachs sichert den unternehmerischen Erfolg, schützt somit auch Schweizer Arbeitsplätze und entlastet die AHV aufgrund der Zunahme von Beitragszahlern. «Arbeitnehmende aus EU- und EFTA-Staaten leisten heute deutlich mehr Beiträge an die Sozialversicherungen, als sie daraus beziehen», sagte Peter Gasser, Leiter Personenfreizügigkeit und Arbeitsbeziehungen beim SECO, bei der Medienkonferenz. Die Befürchtung, die Personenfreizügigkeit führe zu einer starken Zunahme ausländischer IV-Leistungsbezüger, hat sich gemäss SECO nicht bestätigt. Die starke Zuwanderung hat die Alterung der Bevölkerung verlangsamt und damit die Sozialversicherungen der ersten Säule entlastet.

Wettbewerb der Hochqualifizierten

Die grössten Auswirkungen des Abkommens sind im Bereich der hochqualifizierten Arbeitskräfte zu spüren. Bei ihnen hat sich der Wettbewerb um Arbeitsstellen erhöht. 53 Prozent der Zuwanderer aus den EU- und EFTA-Staaten haben eine Hochschule abgeschlossen, während in der Schweiz nur 34 Prozent über einen solchen Abschluss verfügen. Eine Studie der Universitäten Zürich und Lausanne ergab, dass im Bereich der Hochqualifizierten eine «geringfügige Verdrängung» stattfand. Die Arbeitslosenquote in diesem Segment ist seit der Einführung des Personenfreizügigkeitsabkommens um 0,2 Prozent gestiegen.

Gemäss der Studie konnte das befürchtete Lohn-Dumping dank der flankierenden Massnahmen vermieden werden. Die Reallöhne stiegen seit 2002 um durchschnittlich 0,6 Prozent pro Jahr. Auch bei den niedrig Qualifizierten hätte sich die Personenfreizügigkeit positiv auf die Löhne ausgewirkt. Ihr Einkommen hat sich durchschnittlich um 1,1 Prozent erhöht.

Die Gewerkschaften stehen der Entwicklung trotzdem kritisch gegenüber: «Gerade für junge Berufseinsteiger und ältere Stellensuchende wird die Lage auf dem Arbeitsmarkt immer schwieriger», schreibt der Gewerkschaftsdachverband Travail Suisse in einer Medienmitteilung. Und der Schweizerische Gewerkschaftsbund SGB betont, dass vor allem in Branchen ohne Gesamtarbeitsverträge vermehrt Arbeitskräfte aus der EU eingestellt würden. Fast die Hälfte aller Arbeitnehmenden in der Schweiz seien davon betroffen. Travail Suisse und SGB fordern deshalb eine Verbesserung beim Lohnschutz und bei den Mindestlöhnen.

Drei Viertel wandern aus Europa zu

Die Wirtschaftskrise in Europa beeinflusste die Zusammensetzung der Zuwanderung in den beiden letzten Jahren, wie dem SECO-Bericht weiter zu entnehmen ist. Während die Einwanderung aus den Ländern Süd- und Osteuropas anstieg, verringerte sich jene aus Deutschland deutlich, auch zogen viele Deutsche wieder in ihre Heimat zurück. 2012 lag der Anteil ausländischer Arbeitskräfte bei 29 Prozent, die netto-Zuwanderung betrug 73 000 Personen. Knapp drei Viertel der Eingewanderten stammten aus EU- und EFTA-Staaten, wobei die Deutschen und die Portugiesen die grössten Personengruppen bildeten.