Veröffentlicht am 04.05.2015FOTO UND TEXT: Tito Valchera

Antoinette Wenk-Lang und Katrin Adler in Basel.

Erfolgreich durch intensive Zeiten

Konstante Veränderungen, Termindruck und schwierige Entscheidungen: Jeder hat mit belastenden Situationen zu kämpfen. Wie er darauf reagiert, ist nicht nur eine Frage des Charakters: Die Widerstandsfähigkeit, oder sogenannte Resilienz, können Mitarbeitende und Vorgesetzte erlernen.

Wer kennt die Situation nicht: Montagmorgen am Arbeitsplatz, der Tag ist bereits mit Terminen vollgestopft. Zwei Kollegen sind krank, ihre Aufgaben sind auch noch zu erledigen. Und obendrauf wird kurzfristig ein Familienmitglied krank, das ich zum Arzt fahren muss. Wie schaukle ich den Tag? Am Arbeitsplatz, und nicht nur dort, stossen wir oft an unsere Belastungsgrenzen und überschreiten sie auch ab und zu. Der ständige Wandel und der Termindruck können motivieren und zu Höchstleistungen anspornen. Oder aber über längere Zeit zu Stress oder ernst zu nehmenden gesundheitlichen Konsequenzen führen. Wie Einzelne darauf reagieren, welche Strategien sie entwickeln, ist nicht nur eine Frage des Charakters, sondern auch der Übung. Die Widerstandsfähigkeit gegen solche alltäglichen Herausforderungen ist auch als Resilienz bekannt. Sie setzt sich aus sieben Faktoren zusammen, die individuell unterschiedlich ausgeprägt und in vielen Situationen dienlich sind: die Akzeptanz, der Optimismus, die Selbstverantwortung, die Lösungs-, Zukunfts- und Netzwerkorientierung sowie die Achtsamkeit mit sich selbst.

Mit Training zur Widerstandskraft

«Idealtypisch baut sich ein resilienter Mensch Netzwerke auf, ist achtsam mit sich selber, hat Visionen für die Zukunft und kann gut improvisieren», sagt Antoinette Wenk-Lang. Sie führt zusammen mit Katrin Adler Resilienzkurse durch. Beide können auf eine lange Erfahrung als Mitarbeitende im Privatsektor bei Grossunternehmen zurückblicken.

Der grösste Vorteil von Resilienz: Jeder kann sie trainieren und sich in den einzelnen Faktoren kontinuierlich verbessern. Folglich ist die individuelle Resilienzschulung aus dem Coaching-Segment nicht mehr wegzudenken und bringt auch am Arbeitsplatz Vorteile. «Um die eigene Resilienz zu stärken, benötigen wir Zugang zu allen sieben Resilienzfaktoren. Wir sollten unser Verhalten insbesondere in herausfordernden Situationen reflektieren», sagt Katrin Adler.

Resilienz ist vielfältig, kann Teil der Unternehmenskultur sein oder werden. Dabei sind Mitarbeitende als einzelne, in der Summe, oder aber die Organisation selbst resilient. In allen drei Fällen gilt es, beim Individuum anzusetzen.

«Ein wichtiger Faktor der Resilienz ist es, seine Stärken, aber auch seine Grenzen zu kennen und dafür Verantwortung zu übernehmen. In Unternehmen ist dies nur dann ein fruchtbarer Prozess, wenn es eine Kultur der Wertschätzung und der offenen Kommunikation gibt», sagt Antoinette Wenk-Lang.

Robuster im Job

Seit einem halben Jahr bieten Katrin Adler und Antoinette Wenk-Lang auch Resilienzschulungen für Unternehmen an. Als Kernelement dieses Workshops tauschen sich die Teilnehmenden aus, trainieren die sieben verschiedenen Resilienzfaktoren mit Fallbeispielen und praktischen Übungen. «Bei firmeninternen Schulungen werden eher allgemeine, grundsätzliche und präventive Fragen behandelt. Bei einem öffentlichen Workshop hingegen bringen die Teilnehmer ganz konkrete und individuelle Problemstellungen mit in den Kurs», sagt Antoinette Wenk-Lang.

«Das Ziel für unseren firmeninternen eintägigen Resilienzworkshop war, unsere Mitarbeitenden für zukünftige Stresssituationen besser zu wappnen», sagt Frédérique Mathys, Director of Staff bei der Kommunikationsagentur Valencia. Zusammen mit über 30 Mitarbeitenden hat sie an einem Resilienzworkshop teilgenommen.

Der Weg zu einer ausgeprägteren Resilienz ist herausfordernd und beginnt mit der Einsicht, dass Krisen zum Leben gehören und zeitlich begrenzt sind. Erstens gilt es herauszufinden, welche Einstellungen oder Verhaltensmuster uns in einer bestimmten Situation helfen oder behindern können. Zweitens müssen wir aus alten Verhaltensmustern ausbrechen. Diese Selbstreflexion, die Fähigkeit, offen über die eigene Situation nachzudenken und zu sprechen, verlangt Überwindung. «Wir haben es sehr geschätzt, dass unsere Mitarbeitenden so offen und motiviert mitgemacht haben», sagt Frédérique Mathys.

Firmenkultur massgebend

Resilienz ist auf der organisatorischen Ebene nachhaltig, wenn sie auch mit einer veränderten Firmenkultur gelebt wird, ist Katrin Adler überzeugt: «Wir möchten keine bis zur Erschöpfung arbeitenden Mitarbeitenden heranzüchten, sondern streben auch klar eine Verbesserung der Resilienz in der Führungsetage sowie als Führungsinstrument an.»

Jeder Mitarbeitende bringe mit seinem persönlichen Resilienzprofil Verbesserungen ein. Die Chefs hätten aber eine grosse Vorbildfunktion und wirkten stark auf die Unternehmenskultur: «Denn auch wenn eine Firma solide aufgestellt ist: Ihre Führung soll sich proaktiv mit möglichen Zukunftsszenarien auseinandersetzen und als Ganzes belastbar, flexibel und widerstandsfähig sein.» Führungskräfte können situativ Resilienzfaktoren benennen und darauf achten, dass ihre Mitarbeitenden diese wahrnehmen und stärken. «Wir befürworten eine Teilnahme der Führungskräfte an den Workshops. Ist dies nicht möglich oder nicht erwünscht, empfehlen wir einen eigens für die Führungsebene zugeschnittenen Workshop», sagt Katrin Adler. «All die Prozesse, die in Gang kommen, wenn sich ein Individuum mit der eigenen Resilienz befasst, diese schult und weiterentwickelt, gedeihen nur in einer vertrauenswürdigen Umgebung ohne Druck – einem Workshop.»

Frédérique Mathys kann einen solchen auf jeden Fall weiterempfehlen: «Die Mitarbeitenden waren zufrieden und durchaus begeistert. Sie wissen jetzt, was Resilienz bedeutet und dass sie diese verändern respektive trainieren können. Sie kennen die sieben Resilienzfaktoren und können die Ergebnisse aus dem Kurs im Geschäftsalltag und im Privaten anwenden.»

Resilienz
Resilienz 
ist die mentale Widerstandskraft in Krisen und wird auch als Immunsystem der Psyche bezeichnet. Der Begriff leitet sich vom englischen Wort «resilience» (Spannkraft, Elastizität) ab. Sie bezeichnet somit die Fähigkeit von Individuen oder Systemen, erfolgreich mit belastenden Situationen wie Überforderung, Misserfolgen, Unglücken, Notsituationen, traumatischen Erfahrungen oder Risikosituationen umzugehen. Diese «Stehaufmännchen-Mentalität» ist trainierbar.