Veröffentlicht am 14.11.2012FOTO UND TEXT: Angela Alliegro

Der ehemalige Polizeisprecher Jürg Mosimann hat einen Krimi geschrieben.

Messerscharf zwischen Realität und Fiktion

aa. Vor der realen Kulisse des Gefängnisses in Burgdorf finden vom 26. Oktober bis 4. November 2012 zum 10. Mal die Burgdorfer Krimitage statt. Ähnlich nah beieinander liegen Realität und Fiktion in Jürg Mosimanns Realo-Krimi «Sterne des Wahnsinns».

Jürg Mosimanns Krimi «Sterne des Wahnsinns. Wüthrich ermittelt» ist im Landverlag erschienen und in jeder Buchhandlung erhältlich. Vernissage: 31. Oktober 2012 um 20.15 Uhr an den Burgdorfer Krimitagen (Casino Theater).

Eines Morgens wird in einem Waldstück eine tote Frau gefunden. Trotz vieler Indizien tappen die Polizisten Monate später immer noch im Dunkeln. Schliesslich findet man nicht weit vom Tatort entfernt eine zweite Frauenleiche. Geht ein Serienmörder um?

Mit einer ganzen Truppe von Fahndern und Spezialisten nimmt sich Ernst Wüthrich des Falls an. Er ist der Kommissar im Buch «Sterne des Wahnsinns» von Jürg Mosimann, das in diesen Tagen erscheint. Es handelt sich um eine Sammlung von fiktiven Geschichten, die im Alltag der Berner Kantonspolizei angesiedelt sind. Mosimann bezeichnet sein Werk als Realo-Krimi, weil es sich realer Vorbilder und authentischer Schauplätze bedient.

Die unglaubwürdigen Darstellungen der Krimis am Fernsehen und die nicht korrekten Gerichtsberichterstattungen in den Zeitungen haben den ehemaligen Blick-Reporter und späteren Mediensprecher der Berner Kantonspolizei veranlasst, selbst Klartext zu schreiben. «In meinem Realo-Krimi ist vieles anders, als man sich vom Fernsehkrimi gewohnt ist. Die Leute haben eine falsche Vorstellung, wie man einen Mordfall bearbeitet», sagt Mosimann. «Ich benütze die Fiktion, um aufzuzeigen, wie kriminalistische Arbeit in Wirklichkeit funktioniert.»

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Ein weiterer Grund, weshalb er einen Realo-Krimi geschrieben habe, seien gelegentliche Anfragen von Schweizer Schriftstellern, die von ihm wissen wollten, wie es bei der Polizei wirklich zu und her gehe. Anstatt anderen die Abläufe bei der Polizeiarbeit zu erklären, könne er sie gleich selbst beschreiben.

Krimis am Fernsehen sind nicht genug real

Bevor Jürg Mosimann eineinhalb Jahrzehnte lang die Kommunikationsarbeit der Berner Kantonspolizei besorgte, war er 14 Jahre für den «Blick» als Kriminalreporter unterwegs. Er kennt die Ermittlungsarbeit der Polizei quasi in- und auswendig. In seinen Realo-Krimi hat er auch seine eigene Person eingeflochten; ein weiteres Element, wie Fiktion und Realität verschmelzen. «Ich komme im Buch zweimal vor: wenn der Kommissar Wüthrich vor dem Spiegel steht und sieht, wie alt er geworden ist, und als Mediensprecher, der im Clinch steht mit der Staatsanwaltschaft», sagt der 67-Jährige.

In den Krimiserien am Fernsehen vermisse er Nähe zur Wirklichkeit, zum Beispiel bei der Darstellung dienstlicher Abläufe. «Im Polizeialltag gibt es regelmässig mündliche und schriftliche Rapporte. Klar, das ist nicht so spannend, aber es gehört dazu.» Als weiteres Beispiel erklärt Mosimann, wie ein Ermittlungsteam zustande kommt: «Anders als im Fernsehen arbeiten nicht immer die gleichen drei oder vier Polizisten zusammen. Es kommt auf den Fall und die Ausgangslage an.» Die Stärken einzelner Polizisten würden gezielt eingesetzt, damit der Fall rasch gelöst werden kann. «Je nach Befragung braucht es jemanden, der besser mit älteren Menschen umgehen kann oder jemanden, der die Sprache der jungen Leute besser versteht», erklärt Mosimann.

Im Dezernat «Leib und Leben» der Kantonspolizei Bern, wo es beispielsweise um schwere Straftaten wie Sexualdelikte, Tötungsdelikte oder Erpressung mit Morddrohung geht, arbeiten eine gute Handvoll Personen. «Sie klären die Fälle sicher nicht alleine», sagt Jürg Mosimann. «In Realität stehen dem Ermittlungsteam zahlreiche Fahnder zur Verfügung, die die Knochenarbeit leisten. Da geht kein Kommissar von Tür zu Tür, um die Nachbarn zu befragen.»

Je realer, desto langweiliger

Die Schilderung der Probleme einzelner Figuren in den Fernsehkrimis sei ein weiterer unrealistischer Punkt. «Jemand, der zum Beispiel Alkoholprobleme hat oder gerade eine schwere persönliche Krise durchmacht, wird in Wirklichkeit vom Fall abgezogen und durch einen anderen Polizisten ersetzt», sagt der Krimiautor.

Es brauche bei der Kriminalpolizei viel Fingerspitzengefühl, nicht nur für den Fall selbst, sondern auch innerhalb des Teams. Psychologie werde gross geschrieben. «Ich kann in meinem Krimi die Figur des knorrigen Ernst Wüthrich mit dem ehrgeizigen Peter Lang in ein Team setzen. Sie liegen sich manchmal in den Haaren. In Wirklichkeit würde kein Teamleiter zwei so unterschiedliche Charaktere zu einer Ermittlergruppe formen. Diese Zusammensetzung würde Reibereien mit sich bringen, und dies hat keinen Platz, wenn ein Fall gelöst werden muss. In der Realität werden zum Teil ganz junge Polizisten erfahrenen Kollegen zur Seite gestellt. Dies hat sich über all die Jahre bewährt, zumindest im Kanton Bern», sagt Jürg Mosimann.

In «Sterne des Wahnsinns» löst der Kommissar mit seiner Gruppe den Fall der zwei ermordeten Frauen erst nach eineinhalb Jahren. Auch das entspricht der Realität. «Seriöse Polizeiarbeit kommt nicht so schnell voran wie im Fernsehen», sagt Mosimann. In seinem Krimi war kein Serienmörder am Werk. Die zwei Morde im Waldstück hat eine eifersüchtige Fitnesstrainerin begangen. Sie hat es nicht ertragen, dass die beiden getöteten Frauen ein Verhältnis hatten und sie lediglich für beide ein Abenteuer gewesen ist. Auch solche Vorkommnisse entsprächen der Realität. Sie ist eben nicht immer spannend.