Veröffentlicht am 04.11.2013TEXT: Patrick_HergerFOTO: zVg Gewerbeverband Basel-Stadt

Mama mit Lehrabschluss

Junge Mütter haben oft ein schweres Kreuz zu tragen und müssen sich einem Leben voller Verantwortungen stellen. Das Projekt Amie des Gewerbeverbands Basel-Stadt unterstützt sie auf ihrem Weg zwischen Arbeit und Familie und gibt ihnen ihr Mutterglück zurück.

Daniela Dubach besucht die Diplom-Mittelschule, als sich ihr junges Leben dramatisch verändert. Sie wird mit 18 Jahren Mutter. Der Vater hat kein Interesse an dem gemeinsamen Kind. Über die Sozialhilfe gelangt Daniela Dubach zu «Amie», einem Projekt des Gewerbeverbands Basel-Stadt. Mit dessen Hilfe macht sie 2006 ihren Abschluss und beginnt eine Lehre als Fachfrau für Kinderbetreuung.

Heute arbeitet Daniela Dubach für den Verein Alumni Amie, in dem sich ehemalige Teilnehmerinnen des Projekts zusammenfinden. Auf einer Fachtagung zum Thema «Junge Mutter im Spannungsfeld zwischen Arbeit und Familie» spricht sie neben anderen Frauen über ihre Erfahrungen.

Jenny Schmutz wurde mit 19 Jahren Mutter und war bis 2010 ebenfalls Teilnehmerin des Projekts. Als die gelernte Bekleidungsgestalterin von ihrer Schwangerschaft erfuhr, wurde ihr klar, dass die Zeit des allwöchentlichen Ausgangs vorbei war. In Folge dessen distanzierte sich der Freundeskreis von der jungen Frau und liess sie mit den Folgen und Problemen ihrer Mutterschaft zurück. Doch sie meisterte die Umstände und gewöhnte sich an ihr neues Leben. Zurzeit besucht ihr Sohn die erste Klasse, während Jenny Schmutz nach einer Stelle im Bereich Detailhandel oder KV Ausschau hält.

Vollzeitjob Mutter

«Seit Gründung von Amie 2007 nahmen über 100 Frauen an dem Projekt teil. Viele von ihnen haben heute einen Lehrabschluss vorzuweisen oder konnten langfristig in den Arbeitsmarkt integriert werden», berichtet Maria Teresa Diez, Forschungsverantwortliche am Marie Meierhofer Institut für das Kind Zürich. Das Spannungsfeld besteht für sie nach wie vor. «In ihrem Alter haben diese Frauen noch immer mit der Selbstfindung und oft auch mit finanziellen Schwierigkeiten zu kämpfen. Hinzu kommen die Herausforderungen, die das Muttersein mit sich bringt.»

An der Tagung bestätigen die jungen Mütter, dass die neue Verantwortung sie ins Erwachsenwerden zwingt. Besonders Kreativität und Organisationstalent seien im Balanceakt zwischen Arbeit und Familie gefragt. Allerdings würden diese Qualitäten sie auch als zuverlässige Arbeitnehmerinnen auszeichnen. Ähnlicher Meinung ist auch Roswitha Ledergerber, Geschäftsführerin Globus Basel. Sie selbst wurde mit 18 Jahren zum ersten Mal Mutter. In solchen Fällen suche ihr Unternehmen das Gespräch mit den Frauen. Eventuell könne die Lehre bei einer Schwangerschaft auch kurzzeitig unterbrochen werden.

Die Verantwortung sieht Roswitha Ledergerber bei den Unternehmen, denen die jungen Müttern von grossem Nutzen sein könnten: «Die Universitäten sind heute schon überfüllt. Lehrabgänger mit Praxiserfahrung werden seltener», sagt sie.

Nicht ohne Risiko

Laut des Gewerbeverbands Basel-Stadt streben gegen 50 Prozent der Jungen im Kanton ans Gymnasium. Übrig bleiben 10 bis 15 Prozent, die sich für eine Lehre entscheiden. Der Schrei nach ausgebildeten Fachkräften in der Schweiz wird lauter und trotzdem weisen die Arbeitgeber junge Mütter ab. «Die Unternehmen möchten sich engagieren, scheuen aber das Risiko. Die Mütter müssen sich um die Betreuung ihrer Kinder kümmern – auch, wenn diese mal krank sind. Dadurch können viele nicht Vollzeit arbeiten oder müssen sich häufig freinehmen», sagt Franziska Reinhard, Projektleiterin von Amie.

Im Parlament würden diese Probleme heruntergespielt; Angebote durch Kitas und Schulen seien ausreichend vorhanden, hiesse es dort. Die 44-Jährige sieht das anders: «Die Nachfrage der Kinderbetreuung sprengt das Angebot.» Dass die Schweiz zu wenig in Betreuungsmöglichkeiten investiert, empfindet auch Pasqualina Perrig-Chiello vom Institut für Psychologie an der Universität Bern. Für sie ist wichtig, dass die Bedürfnisse beider – Mutter und Kind – berücksichtigt werden.

«In der Schweiz ist das Leben für junge Mütter weniger einfach als beispielsweise in Italien. Dort wurde bereits in den fünfziger Jahren eine gute Kinderbetreuung sichergestellt.» Auch in Frankreich oder Schweden sei dies zu beobachten. Dort können die Frauen angemessen arbeiten und trotzdem Mutter sein.

Das starke Geschlecht

Die Teilnehmenden der Fachtagung kritisieren zudem das Verhalten junger Väter. Viele würden sich der Verantwortung entziehen oder gar die Unterstützung der Mütter durch das Projekt Amie behindern. Jenny Schmutz erzählt von ihrem neuen Partner, der sich gut in seine neue Rolle als Vater einfindet. Auch für sie ist die Mithilfe des Mannes als Elternteil wichtig. «Während der Schwangerschaft baut die Mutter eine intensive Bindung zu ihrem Kind auf. Für manche Väter ist diese Verantwortung zu gross oder sie möchten auf Privilegien wie den Ausgang nicht verzichten.» Einer Mutter hingegen sei die Wahl nicht so einfach gegeben.

Auch Projektleiterin Franziska Reinhard nimmt die Männer in die Pflicht. «Wir arbeiten derzeit an Plänen zur näheren Einbindung der Väter. Uns ist wichtig, dass die Mütter auch auf ihre Unterstützung vertrauen können.» Das Projekt sei stets offen für junge Väter, diese allerdings blieben bislang aus.