Veröffentlicht am 10.11.2008TEXT: Philipp Gafner

Identitätsdebatte im Ausland

Der Blick über die Grenzen lotete an der Tagung der Eidgenössischen Kommission für Migrationsfragen «Über das Definieren von Identität» vom vergangene Donnerstag in Bern Gemeinsamkeiten und Unterschiede der nationalen Identitäten aus. In Frankreich etwa löste die Schaffung eines «Ministeriums für Immigration, Integration, nationale Identität und solidarische Entwicklung» hitzige und andauernde Debatten aus. Der Identitätsforscher Serge Slama ortete die Gründe vor allem in der Befürchtung, damit nationalistischen Strömungen und der Fremdenfeindlichkeit Nahrung zu geben. Ab 2003 habe Nicolas Sarkozy begonnen, die Immigranten zu stigmatisieren, indem er sie mit der Unterscheidung zwischen «gewählter» und «erlittener Immigration» in zwei Lager spaltete. Immerhin sei Sarkozys späterer Versuch, ethnische Einwanderungsquoten in der Verfassung festzuschreiben, an der Unvereinbarkeit des Vorhabens sowohl mit dem französischen Verfassungsrecht als auch mit dem Europarecht gescheitert.

Als Fehler bezeichnete der Berliner Soziologe Jürgen Nowak, dass Deutschland bis 1998 bestritten habe, ein Einwanderungsland zu sein. Obschon die Wissenschaft schon früher auf die Auswirkungen und Probleme einer solchen Haltung hingewiesen habe, sei sie erst sehr spät korrigiert worden. Die aktuelle Debatte über die «deutsche Leitkultur» betrachtet er skeptisch. Sie sei wenig hilfreich. Umso mehr als Parallelgesellschaften primär sozialer und nicht ethnischer Natur seien. Nach wie vor müsse das Deutsche Grundgesetz als Wegweiser für die Integration dienen. Ausschlaggebend sei, dass sich die «Lebenswelt» der Migranten nicht von der «Systemwelt» der Gesellschaft abkopple, sondern mit dieser zumindest in der Bildung und in der Arbeit in Berührung trete.