Veröffentlicht am 14.11.2012TEXT: Petra ZilligFOTO: zVg.

Andreas Edmüller ist Experte für Konfliktmanagement.

«Führungskräfte müssen frühzeitig eingreifen»

pz. Nicht nur Lärm und schlechte Luft können die Gesundheit der Arbeitnehmenden beeinträchtigen. Konflikte mit Kolleginnen oder Kollegen stören das Wohlbefinden genauso. Andreas Edmüller, seit 20 Jahren im Konfliktmanagement tätig, erklärt, wie mit Ranküne am Arbeitsplatz umzugehen ist.

Herr Edmüller, wie entstehen Konflikte am Arbeitsplatz?

Andreas Edmüller: In aller Regel entsteht ein Konflikt, weil sich eine oder beide Parteien ungerecht behandelt fühlen. Von einem Konflikt spricht man, wenn die Beziehung zwischen Mitarbeitenden dauerhaft gestört ist und die Störung im Laufe der Zeit zunimmt. Ein «einfacher» Streit unter Mitarbeitenden ist somit nicht unbedingt ein Konflikt. Dieser kann oft ohne dauerhafte Störung der Beziehung bereinigt werden.

Andreas Edmüller, 54, ist seit 20 Jahren selbständiger Berater, häufig auch im internationalen Umfeld. Seine Arbeits­schwer­punkte sind Teamunterstützung, Konfliktmanagement und persönliches Coaching. Er lebt und arbeitet in Berg am Starnberger See, Deutschland.

Ab wann schreiten Sie ein?

Ich komme meistens erst in einem Stadium dazu, in dem der Konflikt schon relativ weit fortgeschritten ist. Entsprechend hart sind die Konflikthandlungen. Das können böse E-Mails mit stetig zunehmendem Verteilerkreis sein, oder auch wiederholt lautstarke Auseinandersetzungen in Meetings.

Wie gehen Sie bei der Behebung eines Konfliktes vor?

Im Konfliktmanagement machen wir aus Feinden keine Freunde, sondern Kollegen, die wieder professionell zusammenarbeiten. Wir suchen auch keinen Schuldigen. Ich versuche, Brücken zu bauen und Lösungswege zu finden, die für alle stimmen. In Einzelgesprächen finde ich zunächst die Wurzel der Spannungen heraus: Wodurch wird die Gerechtigkeit gestört? Dann bringe ich die Konfliktparteien an einen Tisch. Jeder schildert seine Sicht der Geschehnisse, und gemeinsam sammeln wir Lösungsideen. Ideen wie «der andere muss weg» gehen natürlich nicht. Wir stellen Spielregeln für die Konfliktparteien auf – zum Beispiel: Jeden Tag von 8 bis 8.15 Uhr setzen sich die zerstrittenen Parteien zusammen und planen den Arbeitstag; sie teilen die Arbeiten auf. Im Nachgespräch kläre ich mit den Parteien, ob die Regeln eingehalten werden; dieses Dranbleiben ist sehr wichtig.

Was genau ist Mobbing am Arbeitsplatz?

Viele benützen das Wort Mobbing falsch. Wenn mich ein Mitarbeiter zwei Mal nicht grüsst oder mich ignoriert, ist dies noch lange kein Mobbing. Von Mobbing wird gesprochen, wenn sich viele gegen einen organisieren oder viele gegen wenige. Das Ziel ist, Leute zu zerstören oder loszuwerden, und dabei ist den Tätern jedes Mittel recht: Sabotage, Drohanrufe oder Rufmord.

Was für gesundheitliche Auswirkungen haben Konflikte oder Mobbing?

Lang andauernde Konflikte können Schlafstörungen, Magenprobleme, Unruhen und psychologische Beeinträchtigungen mit sich bringen. Ein Konflikt kann bis zu neun Stufen durchlaufen. Die erste Stufe ist die Verhärtung. Der Kollege verhält sich irgendwie anders als vorher. Die zweite Stufe ist verbales Ping Pong. Die Parteien legen erst jetzt richtig los. In der dritten Stufe wird gehandelt. Keine Gelegenheit wird ausgelassen, den anderen vor den Kollegen oder dem Chef blosszustellen. E-Mails mit einer Kopie an den Vorgesetzten gehen hin und her. Ab Konfliktstufe sechs nähert man sich bereits dem strafrechtlichen Bereich. Die Parteien bedrohen sich. Das können Drohanrufe mit unterdrückter Nummer sein, die einschüchtern sollen. In der letzten Stufe zerren sich die verfeindeten Parteien gemeinsam in den Abgrund. Ab hier wird die eigene Vernichtung miteinkalkuliert, um die Gegenpartei auszuschalten. Die Kosten einer Umkehr erscheinen den Akteuren höher als die Zerstörung des Kontrahenten. Das kann so weit gehen, dass Geschäftsunterlagen manipuliert werden.

Was können Vorgesetzte zur Vorbeugung von Konflikten tun?

Die Führungskräfte müssen auf Konflikte sensibilisiert sein und frühzeitig eingreifen. Regelmässige Mitarbeitergespräche helfen. Eine offene Kommunikationskultur kann Konflikten vorbeugen.

Haben Sie Tipps zur Konfliktlösung am Arbeitsplatz?

Zuerst muss der Konflikt entschleunigt werden. Das heisst, als beteiligte Person muss ich mich hinsetzen und den Konflikt aufschreiben. Was ist passiert? Was will ich? Das Gleiche mache ich dann aus der Sicht der Gegenpartei. Was ist ihre Motivation? Dann empfehle ich den Konfliktparteien, mit einem Vertrauten darüber zu sprechen. Seine Aufgabe ist, den Konflikt zu versachlichen und zu relativieren. Zum Beispiel: Welche Bedeutung hat der Krieg in Afghanistan in Relation zu meinem Konflikt? Will ich diesen Konflikt lösen? Bin ich bereit, diese Zeit zu investieren? Nach dieser Analyse kann der Betroffene entscheiden, wie er weiter vorgehen möchte.