Veröffentlicht am 06.05.2014TEXT: Florian SchaffnerFOTO: Simone Gloor

Fehlende Computerfreaks

Der Informatikbranche fehlen die gut ausgebildeten Mitarbeitenden. Mathias Binswanger, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Fachhochschule Nordwestschweiz in Olten und Privatdozent an der Universität St. Gallen, sieht den Grund für den Fachkräftemangel in den tiefen Löhnen.

Mathias Binswanger, eine Studie vom Verband für Informatikberufsbildung prognostiziert, dass bis 2020 in der Informatikbranche 72'000 Arbeitskräfte fehlen. Stimmt diese Prognose?
Ob diese Studie im Detail stimmt, kann ich nicht sagen. Aber ein Mangel an Fachkräften besteht heute schon und dies nicht nur in der Informatik, sondern generell in den technischen und mathematischen Berufen. Dass dieser Mangel zunimmt, ist sicher richtig.

Warum sind in der Schweiz Informatikspezialisten so rar?
Die Berufe im technischen Bereich sind in der Schweiz im Allgemeinen nicht sehr attraktiv. Die Bezahlung ist im Vergleich zu anderen Branchen schlecht. Zudem ist das gesellschaftliche Ansehen der Berufe der Technik und Informatik – auch MINT-Berufe genannt – nicht so hoch wie bei Anwälten oder Managern. Auch die mediale Berichterstattung spielt eine Rolle. Wenn wir in den Medien nur Berichte über Topmanager lesen, müssen wir uns nicht wundern, wenn die Studenten auch ins Management möchten. Jedoch sind die Studiengänge für die MINT-Berufe anspruchsvoller und sie verlangen den Studenten mehr ab.

Mathias BinswangerSchweizer Studenten bevorzugen aber auch Geistes- und Sozialwissenschaften. Dies geht aus dem Bildungsbericht Schweiz von 2014 hervor. Welche Massnahmen könnten die Universitäten ergreifen, um Studenten für ein Informatikstudium zu motivieren?
Wir können bei Studenten kein künstliches Interesse erzeugen. Wenn ein Mangel in diesem Bereich besteht, sollten die Löhne eigentlich steigen. Der Markt sollte reagieren und die Arbeitsbedingungen anpassen. Stattdessen lagert die Schweizer Wirtschaft die Informatik ins Ausland aus. In Indien zum Beispiel sind die Informatiker günstiger und gut ausgebildet. Vom Markt können wir also keine Lösung des Problems erwarten.

Hat der Informatikberuf ein Imageproblem?
Teilweise. Den Informatikberufen fehlt der kreative Aspekt. Sie sind im Volksverständnis zu technisch. Für viele ist nicht die Entwicklung in der Informatik spannend, sondern die Anwendung. Damit meine ich zum Beispiel die Gestaltung einer Webpage. Die Branche muss versuchen, die Informatikberufe differenzierter und interessanter darzustellen, damit sie nicht nur als technische Berufe verstanden werden.

Also sind die Unternehmen selbst schuld?
Die Firmen lagern die Informatik nicht zum Spass aus. Sie stehen unter Druck, ihre Leistungen so billig zu produzieren wie die Konkurrenz. Dies ist meist nur mit dem Outsourcing in Länder mit tieferen Löhnen möglich. Mit diesen Gegebenheiten ist die attraktivere Gestaltung der Informatikberufe in der Schweiz für alle Beteiligten schwierig.

Die Weichenstellung für die Berufswahl wird in der Schweiz sehr früh gelegt. Inwiefern macht eine Anpassung des Lehrplanes Sinn?
Ich denke, das macht wenig Sinn. Wir können auch unseren jüngeren Schülern nicht verordnen, was sie interessant finden sollen. Verschiedene Kampagnen wurden zum Zweck gestartet, die Neugierde für Technik und Informatik insbesondere bei Mädchen zu wecken. Dies hat nicht funktioniert. Hochschulen und Unternehmen müssen aber versuchen, Informatikinteressierten ein attraktives Umfeld zu bieten und dieses auch aufzuzeigen. Heutzutage ist für jene, die Informatiker werden wollen, der Beruf langfristig wenig ansprechend. Informatiker möchten nach einigen Jahren Berufserfahrung häufig ins Management, da die Bezahlung besser ist. 

Mangelberufe
Rund ein Drittel aller Beschäftigten in der Schweiz arbeiten in einem Beruf mit Verdacht auf einen Fachkräftemangel. Zu diesem Schluss kommt eine vom Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) in Auftrag gegebene Studie. In Berufen des Managements, im Bereich Administration, Finanzen und Rechtswesen, in Gesundheitsberufen, in Lehr- und Kulturberufen sowie in Berufen der Technik und Informatik (MINT) ist die Deckung des Fachkräftebedarfs bereits heute unzureichend.
Quelle: Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO)