Veröffentlicht am 22.08.2012TEXT: Angela AlliegroFOTO: Marga Schuttenhelm

Es sind nicht die Schwachen, die einen Lehrvertrag auflösen.

Eine Lehrvertragsauflösung ist nicht das Ende der Welt

Auf den Beginn des Lehrjahres Anfang Juli waren im Kanton Zürich 12 594 neu abgeschlossene Lehrverträge registriert. Die meisten starteten mit viel Ehrgeiz in den neuen Lebensabschnitt. Doch nicht wenige Lernende brechen die Lehre schon nach kurzer Zeit ab oder lösen den Vertrag auf.

«Wenn jemand eine Lehre abbricht oder einen Lehrvertrag auflöst, ist das nicht das Ende der Welt», erklärt Christina Vögtli. Sie ist die Leiterin «Projekte» des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes (MBA) des Kantons Zürich, welches die Schnittstelle zwischen den Lernenden und den Lehrbetrieben bildet.

«Kommt es zu einer Auflösung des Lehrvertrags, kann  die oder der Lernende weiterhin die Berufsfachschule besuchen. Gleichzeitig sucht sich die Person einen anderen Lehrbetrieb oder eine andere Berufsrichtung», erklärt Vögtli. Dafür bleiben ihr drei Monate Zeit.

Wird in dieser Zeit keine neue Lehrstelle gefunden, gilt die Lehre als abgebrochen. «Lehrabbrüche kommen jedoch selten vor», sagt Christina Vögtli. «Lehrvertragsauflösungen hingegen sind am Anfang der Lehre keine Seltenheit. Die Hälfte aller Auflösungen finden im 1. Lehrjahr statt.» Im Kanton Zürich haben im Schuljahr 2011/2012 insgesamt 3412 Lernende ihren Vertrag aufgelöst. Dies entspricht einem Anteil von fast 10 Prozent aller Lehrverträge.

Allerdings variiert diese Quote zwischen den verschiedenen Berufen stark. Berufe mit tieferen Anforderungen sind stärker betroffen. Rund 45 Prozent der Jugendlichen, die einen  Lehrvertrag auflösen, finden innerhalb des ersten Jahres nach Auflösung eine neue Lehrstelle. Drei Jahre nach Auflösung sind 60 Prozent der Jugendlichen wieder in eine berufliche Grundbildung eingestiegen.

Fehler machen ist erlaubt

Sucht man nach den Gründen der Auflösung, wird man in der Bildungsstatistik des Kantons Zürich (www.bista.zh.ch) fündig. An erster Stelle stehen die persönlichen Schwierigkeiten, gefolgt von beruflicher Neuorientierung und ungenügender Leistung.

Es sind nicht in erster Linie die schwachen Lernenden, die einen Lehrvertrag gleich zu Beginn der Lehre auflösen. «Die Lernenden, die sich neu orientieren wollen oder denen der Lehrbetrieb aus anderen Gründen nicht passt, haben Selbstvertrauen und Durchsetzungsvermögen», erläutert Christina Vögtli. «Es sind Jugendliche, die vielleicht aus familiären Zwängen eine Lehrstelle annehmen mussten, ohne davon selbst begeistert zu sein. Oder es handelt sich um Lernende, die die Berufswahl idealisiert haben und dann enttäuscht sind, weil der Beruf nicht ihren Erwartungen entspricht.»

«Aus welchen Gründen diese Lernende auch immer wechseln: Sie haben Mut und Kraft, einen Neuanfang zu starten. Dies erweist sich am Anfang einfacher als in fortgeschrittener Lehre», so Vögtli weiter. Wenn man am Anfang stehe, bringe man eher die Geduld und die Energie auf, sich noch einmal neu zu orientieren. Je später der oder die Lernende nach einer Lehrvertragsauflösung handle, desto schwieriger werde es, eine andere Lehrstelle zu finden.

Das MBA verfügt noch über keine Instrumente, um Lehrvertragsauflösungen vorzubeugen. «Treten Schwierigkeiten auf, werden die Lernenden zuerst selbst aktiv und finden ihren Weg auch meistens selbst. Die Jugendlichen sollen in Ruhe herausfinden, ob der vermeintliche Traumberuf wirklich den Erwartungen entspricht oder ob es sich um eine Seifenblase handelt», sagt Vögtli. «Dies kann man erst wissen, wenn man die ersten paar Wochen durchlaufen hat.»

Lernende stehen bei Problemen nicht alleine da

Bei Zweifeln und Schwierigkeiten bezüglich Berufswahl können sich Jugendliche im Kanton Zürich an das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) wenden. Zu ihm gehören die Berufsinformationszentren (biz) und das Laufbahnzentrum der Stadt Zürich. Diese bieten SOS-Beratungen an, um herauszufinden, wo genau das Problem liegt und um schnell eine Hilfestellung zu geben. «Diese Massnahmen haben präventiven Charakter», erläutert Isabelle Zuppiger, Leiterin des Fachbereichs Berufsberatung des AJB. Ausserdem biete das AJB ein  Mentoringprogramm an, das die Lernenden im Berufswahlprozess und teileweise auch am Anfang der Lehre begleitet.

Zusätzlich stehe das Netz 2 zur Verfügung. Es kommt bei einer Mehrfachproblematik zum Zug, zum Beispiel wenn schulische, soziale und gesundheitliche Probleme miteinander auftreten. «Das Angebot richtet sich an Jugendliche und junge Erwachsene, die aufgrund einer Mehrfachproblematik Gefahr laufen, dass sie gar nie den Einstieg in eine Lehr- oder Ausbildungsstelle schaffen, oder die bereits einen Lehrvertrag aufgelöst haben», so Zuppiger. Das AJB sei darauf bedacht, die Schwierigkeiten so früh wie möglich zu erkennen, um der betroffenen Person mögliche Irrwege zu ersparen. Auch bei einem Wechsel der Lehrstelle helfe das Amt mit regulären Beratungen.

 

 

Auffangnetze der Stadt und des Kantons Zürich

Im Falle einer Lehrvertragsauflösung können sich Jugendliche an die Berufsinspektorinnen und -inspektoren des Mittelschul- und Berufsbildungsamtes (MBA) wenden.

Das MBA ist neben dem Lernenden und dem Lehrbetrieb die dritte Instanz, die den Lehrvertrag unterschreibt. Bei einer Lehrvertragsauflösung erfährt das MBA meistens durch den neuen Lehrbetrieb, dass der Lernende die Lehrstelle gewechselt hat. In dieser Hinsicht fungiert das MBA eher als formelle Instanz, die ihr Einverständnis dazu geben muss.

Für Beratungen bezüglich Berufswahl ist das Amt für Jugend und Berufsberatung (AJB) zuständig. Auf www.stadtzuerich.ch/jugendliche sind ebenfalls wichtige Adressen aufgeführt. Zusätzlich sind auf www.berufsberatung.zh.ch/jugendliche die wichtigsten Adressen aufgeführt.

Private Anbieter für Jugendliche ohne Ausbildungsplatz

KABEL ist eine Fachstelle der reformierten und katholischen Kirche im Kanton Zürich, die es seit 1991 gibt. www.lehrlinge.ch

Impulsis unterstützt junge Erwachsene eine neue Lehrstelle zu finden. www.impulsis.ch

Jobcaddie stellt der oder dem Lernenden eine erfahrene Person aus der Wirtschaft zur Seite. www.jobcaddie.ch