Veröffentlicht am 23.10.2008TEXT: J. Claude Rohner

«Die UBS ist ein Systemrisiko»

jcr. Daniel Lampart, Chefökonom des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes, über einen 13. Monatslohn statt Boni für Bankangestellte und Lohnerhöhungen für Arbeitnehmer.

Herr Lampart, die Bankenkrise hat die Realwirtschaft erreicht. Was kommt jetzt auf den Schweizer Arbeitsmarkt zu?
Daniel Lampart: Wir dürfen uns nichts vormachen: In den Ländern, die eine Immobilienkrise haben, geht es mit der Wirtschaft bergab. Besonders in die USA können unsere Firmen weniger exportieren. Die Konsumentenstimmung in den USA ist in einem Tief wie in der Krise der 80er-Jahre. Es ist schwieriger, Kredite zu erhalten, und die Arbeitslosigkeit steigt. Für die Schweiz hängt nun viel davon ab, was die Exportwirtschaft mit ihrem Personal macht. Auch die Auswirkung auf die schweizerische Binnenwirtschaft  muss berücksichtigt werden. Wenn wir die Kaufkraft halten können, indem wir die Löhne anheben und die Zinsen der Nationalbank senken, können wir die Auswirkungen lindern.

Bezahlen auch diesmal die Arbeitnehmer die Zeche?
Der Unmut in der Bevölkerung gegenüber den Grossbanken ist massiv. Bei den Banken sind die Managerboni ein grosses Problem. Bei den Bankangestellten sollte der Bonus durch einen 13. Monatslohn ersetzt werden. Denn diese erhalten oft statt einem 13. Monatslohn einen Bonus.

Müssen die Arbeitsämter aufstocken?
Es ist noch zu früh, um das zu sagen. Aber wenn die Arbeitslosigkeit deutlich ansteigt, wird das der Fall sein.

Sind Aktionen zur Erhaltung von Stellen geplant oder gegen den Abbau von Arbeitsplätzen?
Wir haben Mitte Oktober ein Paket zur Kaufkraftstärkung in der Schweiz vorgestellt. Darin enthalten sind Reallohnerhöhung, Krankenkassenverbilligungen, erhöhte Familienzulagen, Senkung der Hypozinsen bei den Kantonalbanken und  Raiffeisenkassen, die im Geld schwimmen. Schliesslich sollten die CO2-Einnahmen schon 2009 statt erst 2010 zurückgegeben werden.
In den Betrieben schauen die Gewerkschafter, dass keine Leute entlassen werden und keine Stellen gestrichen werden. In der Maschinenindustrie wollen sie ja mit Überstunden die Auftragsvorräte abbauen und die Leute dann auf die Strasse stellen. Man glaubt es kaum!

Hat der Bundesrat die 68 Milliarden für die UBS ideal eingesetzt oder hätte er mit so viel Geld nicht mehr für die Schweizer Wirtschaft bewirken können?

Die UBS hat eine grosse Bedeutung für die Schweizer Wirtschaft. Sie ist ein Systemrisiko. Laut Bundesrat hatten wir keine Wahl, einen grösseren Schaden anders abzuwenden. Die Investition hat Risiken, und deshalb müssen der UBS strenge Auflagen gemacht werden. Das Eigenkapital muss erhöht werden, und dem Bonusunwesen, das die Banker zu riskanten Anlagemanövern verleitet hat, muss Einhalt geboten werden. Es braucht neue Regulierungen bei den Banken.

Es wird davon geredet, dass der Kapitalismus staatlich gesteuert werden soll. Ausser einer verstärkten Bankenkontrolle steht aber nichts konkret zur Debatte. Was würden Sie gerne besser kontrolliert sehen?
Die Finanzmärkte sollten besser kontrolliert werden, die Boni, aber auch das Derivatgeschäft. Ins Stromgeschäft, bei dem die Privatisierung zu höheren Preisen geführt hat, muss der Staat auch stärker eingreifen. Der Bundesrat hatte uns günstigere Preise versprochen, also ist da etwas schief gegangen. Wir möchten wieder zur alten Regelung zurückkehren.

Haben Sie eine Vision für die Wirtschaft der Zukunft?

Unsere Vision ist eine Wirtschaft mit gerechten Löhnen und sicheren Arbeitsplätzen. Mit unserer Initiative für die Flexibilisierung des AHV-Alters wollen wir auch den älteren Arbeitnehmern das Leben einfacher machen, ohne dass sie an Lebensqualität verlieren. Wir versprechen uns viel von der Initiative.