Veröffentlicht am 23.04.2014FOTO UND TEXT: Joël Frei
Der Kalmar-Greifstapler der SBB Cargo

So funktioniert Verlagerung: Mit dem Greifstapler wird ein Container angehoben.

Mehr als nur Transport von A nach B

Die Verlagerung des Gütertransports von der Strasse auf die Schiene: Das ist das erklärte Ziel der Schweizer Verkehrspolitik. Ein Augenschein in Renens, wo sich einer der 14 SBB-Cargo-Umschlagsstandorte für den kombinierten Verkehr befindet.

11 Meter lang, 4 Meter breit und 73 Tonnen schwer ist der Kalmar-Greifstapler der SBB Cargo. Das Ungetüm brummt, nähert sich einem Lastwagen und hebt einem Riesenkraken gleich einen Container wie ein Spielzeug an, um ihn vom LKW auf den bereit stehenden Güterwaggon zu verladen. Der Besuch beim SBB-Güterbahnhof Renens im Rahmen des «Swiss Logistics Day» zeigt laut Veranstalter, dem Branchenverband GS1 Schweiz, dass «Logistik nicht nur Transport, Umschlag und Lagerung ist, sondern auch die Planung und Steuerung aller Informations- und Materialflüsse zwischen Kunden und Lieferanten umfasst».

Logistik ist tatsächlich mehr als nur der Transport von Gütern von A nach B. Logistik und die damit verbundene Umweltproblematik haben in der Schweizer Politik ein grosses Potenzial zur Sprengkraft. Eine Sprengkraft, die das Land über Jahre in zwei verkehrspolitische Lager teilte und schliesslich zum Bau des weltweit längsten Eisenbahntunnels führte.

Herzstück zwischen Rotterdam und Genua

Der Lötschberg und der Gotthard verbinden Nord- mit Südeuropa. Sie erfüllen also eine wichtige Rolle im Verkehrsnetz Europas, sind aber inzwischen zum Nadelöhr geworden: Der LKW-Verkehr am Gotthard-Strassentunnel hat sich von 1981 bis 2001 vervierfacht.

Vor diesem Hintergrund wurde 1994 die Alpen-Initiative angenommen, die das Ziel verfolgt, die Verlagerung des Gütertransports von der Strasse auf die Schiene voranzutreiben. Die Lastwagenfahrten durch die Alpen sollen reduziert werden, um diese vor dem Transitverkehr zu schützen. 2008 legte das Parlament fest, dass nach der Eröffnung des Gotthard-Basistunnels im Jahr 2018 nur noch 650'000 Lastwagen die Alpen durchqueren dürfen. In einem Bericht des Bundesrates aus dem Jahr 2013 ist jedoch «das gesetzlich vorgesehene Verlagerungsziel weiterhin nicht zu erreichen». Im Jahr 2012 querten rund 1,2 Millionen Lastwagen die Schweizer Alpen.

Neben dem Bau der Neuen Eisenbahn-Alpentransversale (Neat) sind weitere Massnahmen in Kraft, um die Verlagerung voranzutreiben, darunter die Leistungsabhängige Schwerverkehrsabgabe (LSVA), die seit 2001 auf allen LKW über 3,5 Tonnen erhoben wird. Zudem initiiert die EU seit 1990 verschiedene verkehrspolitische Massnahmen, darunter das transeuropäische Verkehrsnetz (TEN), das den Binnenmarkt besser vernetzen soll. Dazu definiert die EU verschiedene Güterverkehrskorridore und fördert den Schienentransport zwischen den wichtigen Hafenstädten Rotterdam und Genua mit Zahlungen aus einem Fonds für regionale Entwicklung. Das Herzstück im Korridor Rotterdam-Genua bilden der Lötschberg- und der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel, beide Bestandteile der Neat.

Zauberwort «kombinierter Verkehr»

Der Begriff für die Verlagerung von der Strasse auf die Schiene heisst im Fachjargon der Logistiker «kombinierter Verkehr». Dieser lässt sich in zwei Hauptkategorien aufteilen: den unbegleiteten und den begleiteten kombinierten Verkehr. Während beim ersteren nur die Güter umgeschlagen werden, so wird bei der begleiteten Transportart das ganze Verkehrsmittel, beispielsweise ein LKW, auf einen Zug aufgeladen.

Der kombinierte Verkehr hat in der Schweiz einen Marktanteil, der sich sehen lassen kann. In einer Befragung des Logistik-Lehrstuhls der Hochschule St. Gallen gaben 48 Prozent der befragten Verlader an, die Angebote des kombinierten Verkehrs zu nutzen. Bei den Logistikdienstleistern sind es gar 63 Prozent. Kunden, die sich für den kombinierten Verkehr entscheiden, können sich die LSVA vom Zoll zurückerstatten lassen.

Schwieriges Marktumfeld

Das Geschäftsumfeld im Schienengüterverkehr ist aber trotz diesen Markttrends nicht gerade rosig. Erstmals seit über 40 Jahren schrieb SBB Cargo im Jahr 2013 schwarze Zahlen: einen Gewinn über 14,7 Millionen Franken. Dafür bekommt die SBB vom Bundesrat in einem Bericht vom April gute Noten. Im vergangenen Jahr hat SBB Cargo eine umfassende Reorganisation umgesetzt und habe dadurch ihre «Kostenstruktur markant verbessern» können. Konkret hat SBB Cargo seine Kosten gesenkt und Personal abgebaut. Hatte das Unternehmen vor zehn Jahren noch fast 5000 Mitarbeiter beschäftigt, sind es inzwischen weniger als 3300.

Das Marktumfeld im Güterverkehr bleibt gemäss SBB Cargo sowohl national als auch international weiterhin anspruchsvoll und der Konkurrenzdruck der Strasse sei anhaltend hoch. Um mit der Konkurrenz mithalten zu können, muss SBB Cargo gemäss der Umfrage der Hochschule St. Gallen besser auf Anforderungen ihrer Kunden eingehen. Die befragten Logistikfachleute wünschen sich von Dienstleistern des kombinierten Verkehrs beispielsweise schnellere und häufigere Verbindungen sowie eine grössere Flexibilität der Bahn. Im ersten Punkt kommt SBB Cargo seinen Kunden jetzt entgegen. Das Unternehmen eröffnete im kombinierten Verkehr zwei neue Linien und die Vorarbeiten für eine weitere Verbindung laufen.