Veröffentlicht am 13.06.2012TEXT: Andreas Tschopp

Gebäudereiniger im Einsatz: Für deren praktische Ausbildung gibt es neu ein Ausbildungszentrum im solothurnischen Rickenbach. Foto: Simone Gloor

Die Reinigungsbranche putzt sich heraus

at. Zwei Millionen Franken hat sie in ihr neues Zentrum für Aus- und Weiterbildung im solothurnischen Rickenbach investiert. Mit diesem und mit der Kampagne «Fair – Clean» will die Reinigungsbranche ihren Stellenwert und ihr Image verbessern.

«Putzen kann jeder, doch reinigen will gelernt sein»: Dieses geflügelte Wort gab das Motto vor an der Eröffnung des neuen Kompetenzzentrums für Aus- und Weiterbildung der Reinigungsbranche im solothurnischen Rickenbach. Für Willi Stähli, Leiter der Lehrlingsausbildung bei Allpura, dem Verband Schweizer Reinigungsunternehmen, war dies «ein sehr berührender Tag».

Wie Stähli erläuterte, wurde der Beschluss zur Schaffung eines Ausbildungszentrums bereits vor zehn Jahren von den Delegierten des Branchenverbandes gefasst. Ein erstes Projekt, im Bildungszentrum des Gebäudetechnikverbandes (suissetec) in Lostorf SO unterzukommen, kam nicht zustande. Im zweiten Anlauf wurde dem Verband ein Gebäude im Dorfzentrum von Rickenbach angeboten.

Vorab musste jedoch die Gemeinde den «Rickenbacherhof» erwerben, «was nicht so einfach war», so Stähli. Denn damals befand sich ein Rotlicht-Etablissement darin. Mit gütiger Mithilfe des Dorfpfarrers konnte das Gebäude letztlich doch «einer vernünftigen Nutzung zugeführt werden», sagte Stähli, der als «Vater» den Aufbau des Ausbildungszentrums Reinigung von Anfang an begleitet hat.

Paritätisch finanziert und geführt

«Das Zentrum entspricht einem echten Bedürfnis», hob Rita Schiavi hervor. Sie ist Geschäftsleitungsmitglied der Gewerkschaft Unia und Präsidentin der Paritätischen Kommission Reinigung, die je sieben Mitglieder von Seiten der Arbeitgeber (Allpura) und Arbeitnehmer (Gewerkschaften VPOD, Syna und Unia) zählt. Paritätisch ist nicht nur die Finanzierung des rund zwei Millionen Franken teuren Umbaus erfolgt, sondern wird das Ausbildungszentrum auch geführt, gemeinsam von Willi Stähli und Rita Schiavi. Sie betonte, dass die Reinigung eine Branche für Migrantinnen und Migranten als berufliche Einsteiger sei.

Als Mittel zur Integration seien Sprachkurse daher sehr wichtig. Diese werden im Zentrum angeboten, ebenso wie solche zur Arbeitssicherheit. «Wir müssen unsere Mitarbeitenden permanent aus- und weiterbilden, damit sie in der Anwendung und im Umgang mit chemischen Produkten effektiv und sicher arbeiten und dem Kunden hochstehende Dienstleistungen anbieten können. Nur so ist es heute noch möglich, dem enormen Kostendruck in unserer Branche entgegenzuwirken», hielt Jasmine Jost, die Präsidentin des Branchenverbandes, dazu fest.

Neben dem Verband engagiert sich auch der Kanton Solothurn für die Reinigungsbranche: Er führt den Berufsschulunterricht für die Lernenden der ganzen Deutschschweiz (aktuell sind das 228 Personen in elf Klassen) in Olten durch und unterstützte die Errichtung des Ausbildungszentrums mit 375 000 Franken.

GAV sorgt für höhere Löhne

Die Präsidentin der Paritätischen Kommission wies im Weiteren auf die Wichtigkeit des Gesamtarbeitsvertrags (GAV) in der Reinigungsbranche hin. Dieser besteht seit 2003 und wurde kürzlich mit Wirkung bis 2015 erneuert. Mit dem GAV seien nicht nur jährliche Lohnerhöhungen von durchschnittlich 2 bis 2,5 Prozent realisiert, sondern per Anfang 2012 auch der volle 13. Monatslohn für Gebäudereiniger/innen eingeführt worden, betonte Rita Schiavi.

Laut der Gewerkschaftsvertreterin ist das Lohnniveau im Reinigungsgewerbe zwar immer noch tief. Doch mit der vereinbarten kontinuierlichen Anhebung der Löhne für die fast 50 000 Beschäftigten in der Reinigungsbranche «hoffen wir, auch die Attraktivität der Berufsausbildung zu verbessern», sagte Schiavi.

Er habe anfänglich schon «grosse Mühe gehabt, besonders mit den Reaktionen der Kollegen», merkte dazu Michael Zwyssig an. Trotzdem, so der ehemalige Lernende, habe er bewusst den Beruf des Gebäudereinigers erlernen wollen, denn es sei «ein Job mit Zukunft». Heute ist Zwyssig Sektorleiter bei einer grossen Gebäudereinigungsfirma und tritt als Branchenbotschafter in der Öffentlichkeit auf.

Fairer Preis für eine saubere Sache

Zur Imageverbesserung der Reinigungsbranche beitragen und deren Wertschätzung erhöhen soll auch eine Sensibilisierungskampagne. Diese wurde vor Jahresfrist von der Paritätischen Kommission mit den Sozialpartnern unter dem Titel «Saubere Sache – Fairer Preis» für die Dauer von fünf Jahren lanciert. Damit soll einerseits auf die schwierigen Arbeitsbedingungen in der Branche aufmerksam gemacht und auf der anderen Seite die Ausbildungs- und Aufstiegschancen hervorgehoben werden.

Denn Reinigerinnen und Reiniger würden «einen Job machen, der notwendig ist und uns allen das Leben erleichtert», betonte Rita Schiavi. Daher hätten die Beschäftigten im Reinigungsgewerbe nicht nur das neue Ausbildungszentrum verdient, so die Präsidentin der Paritätischen Kommission, «sondern vor allem auch eine gute Behandlung, einen fairen Lohn und unseren Respekt».

Das Reinigungsgewerbe in der Schweiz

In der Schweiz sind rund 62 000 Personen in der Reinigungsbranche tätig, deren Umsatz wird pro Jahr auf 2 Milliarden Franken geschätzt. Das Reinigungsgewerbe gehört zu den Wachstumsbranchen und hat die jüngste Krise im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen relativ unbeschadet überstanden. Dies jedoch bei einem immer heftigeren Preiskampf mit entsprechendem Margendruck.

Die rund 1900 Unternehmen bieten eine breite Palette an sogenannten Facility Services an. Fast zwei Drittel der Reinigungsunternehmen beschäftigen weniger als sechs Personen. Im 1966 gegründeten Branchenverband Allpura sind gegen 200 Betriebe organisiert, die rund zwei Drittel der Arbeitsplätze im Reinigungsgewerbe anbieten. Seit 1998 ist Gebäudereinigen ein Lehrberuf mit Möglichkeiten zur Weiterbildung bis auf die Stufe Fachhochschule.

2003 wurde der erste Gesamtarbeitsvertrag (GAV) für die deutsche Schweiz von den Sozialpartnern unterzeichnet und 2011 erneuert bis 2015. Der GAV galt ursprünglich nur für Betriebe mit mehr als sechs Beschäftigten. Per 1. Januar 2012 wurde er vom Bundesrat für allgemeinverbindlich erklärt, so dass nun einzelne GAV-Bestimmungen auch für Reinigungsunternehmen mit weniger als sechs Mitarbeitenden gelten. at