Veröffentlicht am 07.06.2012TEXT: Beatrice Jäggi

Chefetagen bleiben Männerdomänen

bj. Nach Ansicht des Zürcher Headhunters Guido Schilling wird sich an der schwachen Frauenquote in Schweizer Grossunternehmen in naher Zukunft nicht viel ändern. Deutsche Topmanager liegen dagegen im Trend.

«Jasmin Staiblin wird neue Konzernchefin von Alpiq.» Wirtschaftsmeldungen wie diese vom 31. Mai 2012 haben in der Schweiz Seltenheitswert. Tatsächlich lassen sich die Namen der weiblichen CEOs an der Spitze von Schweizer Grossunternehmen an einer Hand abzählen.

Neben der momentan noch für ABB tätigen Länderchefin sind dies Monika Ribar (Panalpina Welttransport AG) und Isabelle Welton (IBM Schweiz AG). Mit Thorid Klantschitsch (Bell AG) waren die Damen im Bunde der Top-Managerinnen vor einem Jahr immerhin noch zu viert. Klantschitsch verliess die Direktion des Fleischverarbeiters Ende Juni 2011 überraschend aus «persönlichen Gründen».

Diese «homöopathische» Frauenquote widerspiegelt sich im jüngsten Schilling-Report, den der Zürcher Headhunter Guido Schilling Anfang Mai in Zürich präsentierte. Nach seinen Zahlen stagniert der Frauenanteil in den Geschäftsleitungen seit sieben Jahren konstant auf fünf Prozent.

Ein leichter Zuwachs ist bei den Managerinnen auszumachen, die in den Verwaltungsräten sitzen. Hier stieg ihr Anteil von zehn auf elf Prozent. Schilling ist überzeugt, dass sich auch in den kommenden Jahren nicht viel an diesem Bild ändern wird: «Frauenförderung ist ein Langzeitprojekt.»

Männerspiele sind nicht Frauensache

Schilling nennt verschiedene Gründe, warum Frauen in den Chefsesseln von Schweizer Firmen so zögerlich Platz nehmen, obschon sich viele Firmen intensiv um mehr Topmanagerinnen bemühen. «Für viele Führungsteams ist es eine Herausforderung, mit Frauen erfolgreich zu arbeiten», sagt Schilling.

Weibliche Manager seien auch oft unabhängiger und konsequenter als ihre männlichen Kollegen, wenn es um Entscheidungen über die eigene berufliche Laufbahn gehe. «Frauen machen typische Männerspiele nicht mit», so seine Beobachtung. Deshalb entschieden sich Frauen in grossen Konzernen nicht selten, in kleinere Unternehmen zu wechseln.

Schillings Zahlen belegen, dass Frauen in Spitzenfunktionen relativ häufig den Job wechseln. So standen 2011 elf Neuzugängen in den Geschäftsleitungen der 115 grössten Unternehmen sieben Abgänge gegenüber. Damit war die Fluktuationsrate von Frauen in der Geschäftsleitung fast doppelt so hoch wie diejenige der männlichen Kollegen.

Fehlende Frauenvorbilder

In früheren Jahren hatten sich Zu- und Abgänge zum Teil aufgehoben. Die Gefahr von «Nullsummenspielen» bestehe aber immer noch, erklärt Experte Schilling. Interessantes Detail: SMI-Unternehmen schneiden punkto Frauenquote besser ab als nichtbörsenkotierte Firmen. In 45 Prozent dieser Unternehmen sitzen Frauen in der Geschäftsleitung, in 85 Prozent in den Verwaltungsräten.

Bei den übrigen Firmen liegen diese Quoten bei 25 respektive 46 Prozent. In SMI-Unternehmen gibt es keine weiblichen CEOs, mit Nayla Hayek (Swatch Group) jedoch wenigstens die einzige Schweizer Verwaltungsratspräsidentin. Diesen Fact bezeichnet Schilling als «sehr ernüchternd».

Schwangerschaft und Familienplanung tragen laut Schilling kaum zur hohen Fluktuationsrate bei Schweizer Topmanagerinnen bei. Andererseits vermutet der Headhunter, dass sich geeignete Frauen oft gar nicht erst um Führungsposten bemühen. Allen voran seien auch staatliche Institutionen gefordert, Tagesstrukturen zu schaffen, damit auch Mütter einer vollzeitlichen beruflichen Tätigkeit nachgehen können.

Heute fehle es in der Schweiz vor allem auch an Vorbildern für weibliche Führungskräfte. Auffallend ist laut Schilling, dass viele Frauen ihr Know-how in den Human Resources, in der Unternehmenskommunikation oder im Unternehmensrecht einbringen. Als wichtig erachtet er, dass Frauen auch Kompetenzen aus dem Geschäftsfeld eines Unternehmens mitbringen.

Deutsche Manager top

Anders präsentiert sich das Bild bei den ausländischen Topmanagern. Schilling geht davon aus, dass im Jahre 2014 Geschäftsleitungsmitglieder aus dem Ausland in der Mehrzahl sein werden. Aktuell ist jedoch eine wohl temporäre Stagnation bei einem Anteil von 45 Prozent auszumachen. Vor sieben Jahren lag der Anteil noch bei 36 Prozent.

Begehrt sind in Schweizer Unternehmen vor allem Führungskräfte aus Deutschland. Für den Experten steht fest: «Ohne den Zuzug deutscher Führungskräfte hätte die Schweizer Wirtschaft ein ernsthaftes Problem.» So fänden vor allem die international tätigen Konzerne nicht genügend geeignete Kaderleute auf dem heimischen Arbeitsmarkt.

Eine restriktive Ausländerpolitik wirke sich entsprechend negativ auf die Schweizer Wirtschaft aus. Die gegenwärtige Stagnation beim Zuwachs ausländischer Fachkräfte führt Schilling unter anderem auch auf das Deutschen-Bashing zurück, das in den deutschen Medien wiederholt thematisiert wurde.

Schilling-Report 2012

Bereits zum siebten Mal in Folge durchleuchtet der jährlich erscheindende Schilling-Report die personellen Entwicklungen in den Geschäftsleitungen und Verwaltungsräten der grössten Schweizer Unternehmen, wobei sich die Grösse auf die Anzahl der Mitarbeitenden bezieht. Insgesamt wurden für den aktuellen Report Daten von 115 Schweizer Firmen erfasst. Dazu gehören auch alle Unternehmen des Swiss Market Index (SMI).