Veröffentlicht am 14.11.2012FOTO UND TEXT: Marion Ronca

Blickt trotz schwierigem Umfeld zuversichtlich in die Zukunft:
Bundesrat Schneider-Ammann.

Bundesrat Schneider-Ammann zur Schweiz in der Weltwirtschaft

 

mr. Auf Einladung des Schweizerischen Instituts für Auslandforschung referierte Bundesrat Schneider-Ammann zuversichtlich und geistreich über die Aussenhandelsbeziehungen und die einzigartigen Standort­faktoren der Schweiz.

Im Rahmen der Veranstaltungsreihe «Brennpunkte im Weltgeschehen» des Schweizerischen Instituts für Ausland­forschung äusserte sich Bundesrat Schneider-Amman zum Handlungs­spielraum der Schweiz in der Weltwirtschaft. Der Volkswirtschafts­minister überzeugte mit einem lebhaften und umsichtigen Referat. Mit präzisen «Pinselstrichen» skizzierte er anschaulich die zu meisternden Herausforderungen und vermittelte das Bild einer traditionsbewussten und zukunftsgewandten Schweiz.

Neue Kräfteverhältnisse

Der erste Teil seines Vortrages widmete Bundesrat Schneider-Ammann der aussenwirtschaftlichen Beziehungen der Schweiz zu den sogenannten Schwellenländern. Wie er hinwies, hätten Länder wie Vietnam, Südkorea, Indonesien, oder die Türkei zwar immer noch grosse Landwirtschaftssektoren. Im Bereich der industriellen Produktion und der Dienstleistungen würden sie aber nicht selten in der obersten Liga spielen. Daher empfahl der Volkswirtschaftsminister nicht nur die Bezeichnung Schwellenländer zu hinterfragen, sondern auch einen anderen Umgang mit diesen Ländern anstreben: «Wir tun gut daran, mit diesen Ländern auf Augenhöhe zu verkehren, denn parallel zum wirtschaftlichen Aufschwung wächst auch deren nationales Selbstbewusstsein».

Der Volkswirtschaftsminister bemerkte, dass heute viele aussenwirtschaftliche Verhandlungen anders und härter geführt würden als noch vor wenigen Jahren. Dies sei besonders im Bereich der Landwirtschaft spürbar. Länder der aufstrebenden Märkte würden dort zunehmend bessere Offerten verlangen. Für viele Industrienationen sei dies oftmals ein Problem, da sie im gerade im Bereich der Landwirtschaft unter grossem innenpolitischen Druck stehen würden. Das gelte auch für die Schweiz. «Es wird immer schwieriger, erfolgreiche Verhandlungen zu führen, wenn man auf eine ganze Anzahl innenpolitischer Partikularinteressen Rücksicht zu nehmen hat.» Getreu seiner liberalen Gesinnung forderte Schneider-Ammann, dass die freie Marktwirtschaft daher trotz wirtschaftlicher Engpässe eines der Hauptziele der Aussenwirtschaftspolitik bleiben müsse.   

Keine Schadenfreude über die Probleme der EU

Eine ebenso klare Haltung nahm Johann Schneider-Ammann ein, als er das Verhältnis der Schweiz zur EU thematisierte. Schadenfreude sei so wenig angebracht wie Katastrophismus. Der Friedens-Nobel-Preis habe ihn gefreut. Er würde auch die 70 Jahre Frieden auf dem alten Kontinent würdigen. Drum seien ihm die gegenwärtigen Turbulenzen um den Euro nur wenige Bemerkungen wert. «Was zählt sind Realismus, ein ungebrochener Wille zur Verbesserung und ein konstruktiv kritisches Vertrauen.» Wie der Bundesrat aufführte, müssten im Falle der Eurokrise zwei Probleme gelöst werden. Eine  Gesundstrukturierung der öffentlichen Verwaltungen müsse durchgesetzt werden und nachhaltige Investitionen gefördert.

Viel Nachdruck legte Bundesrat Schneider-Ammann auf die Bedeutung der EU als Handelspartner der Schweiz. Den Schweizerinnen und Schweizer müsse daran liegen, dass Europa schnell wieder gesunde. Die Europäische Union sei nach wie vor der wichtigste und grösste Handelspartner der Schweiz. 60 Prozent der Exporte gingen in die EU und indirekt sei jeder dritte Arbeitsplatz mit Europa verbunden. Und: «Europa ist nicht nur unser nächster und wichtigster Beschaffungs- und Absatzmarkt, es ist auch das erste und beste Rekrutierungsfeld für Fachkräfte».

Gut unterwegs dank Ordnung im Stall und grauen Zellen

Zur wirtschaftliche Situation der Schweiz äusserte sich der Bundesrat Schneider-Ammann betont zuversichtlich. «Niemand auf dieser Welt kennt eine so gute Ausgangslage wie wir, um die Herausforderungen der Zukunft zu meistern.» Dennoch, es gelte die Stärken zu stärken und das sei im Falle der Schweiz die «geschickte Bewirtschaftung unserer grauen Zellen». Wenn die Schweiz ihren internationalen Spitzenplatz verteidigen wolle, müsste in erster Linie in Bildung, Forschung und Innovation investiert werden.

Ein grosser Teil des Erfolges der schweizerischen Volkswirtschaft ist gemäss Schneider-Ammann auch auf die einzigartigen Standortfaktoren zurück zuführen. Diese gelte es auch in Zukunft zu verteidigen. «Die Schweiz bietet mit der liberalen Arbeitsmarkt-Gesetzgebung den Unternehmen sehr zweckmässige Bedingungen, um mit den Märkten atmen können.» Hochschulen und berufsbezogene Ausbildung wiederum würden eine ausgezeichnete Grundlage für die Forschung und Innovation bilden. Die politische Stabilität, die Rechtssicherheit und die attraktiven Steuerbedingungen schliesslich seien auch für ausländische Unternehmen sehr interessant.

Bundesrat Ammann liess es sich  nicht nehmen, die Kehrseite der gelobten Standortfaktoren zu benennen. So sei der Schweizer Finanzplatz regelmässig grossem Druck ausgesetzt. Auch würde die Schweiz mit den global aktiven Rohstoff-Firmen, die sich wegen den attraktiven Standortbedingungen ihre Zentralen in steuergünstigen Kantonen ansiedeln würden, ein Reputationsrisiko eingehen. Doch all zu weit wollte sich dann Schneider-Ammann doch nicht aus dem Fenster lehnen und schloss das Kapitel charmant und unverfänglich: «Ich will Ordnung im Stall. Damit meine ich ganz explizit: Bei uns sind alle willkommen, die sich an Gesetze halten und mithelfen, dass wir nicht weiter regulieren müssen».