Veröffentlicht am 16.12.2013FOTO UND TEXT: Marc Siegel
Auffällige Promotion am Messestand von Thyssen-Krupp und ETH Zürich: ein Elektro-Rennwagen.

Auffällige Promotion am Messestand von Thyssen-Krupp und ETH Zürich: ein Elektro-Rennwagen.

Blitzstart in die Karriere

Just im Advent, nach der Tradition eine Zeit besonders besinnlicher und herzlicher Begegnungen, tritt im Messequartier Zürich-Oerlikon eine extreme Spezies auf: der Absolvent. Auch das weibliche Exemplar kommt vor.

Der Grundton ist schwarz, oder grau, jedenfalls dunkel. Standardisierung erwünscht. Auch die jungen Damen sind darauf getrimmt: dunkles Kostüm obligatorisch. Die Absolventen zeigen sich stromlinienförmig, kaffeewach und kampfbereit. Sie strahlen eine Art Freundlichkeit aus oder eine angelsächsische Schlagfertigkeit vom Stil «ich gebe Dir auf jede Frage eine perfekt passende und pointierte Antwort».

Die Absolventen strömen zu ihrem Kongress in der Messe Zürich. Bereits seit 34 Jahren, also länger als die Mehrheit der Teilnehmer auf der Welt ist, organisiert die Staufenbiel Institut GmbH aus Frankfurt jährlich diese Jobmesse. Heuer am 12. Dezember. Staufenbiel sagt, es sei dies die grösste der Schweiz.

Rund 100 Unternehmen sind mit einem Stand präsent, von ABB bis Zürich Versicherung. Mit dabei sind natürlich auch die Vertreter der Unternehmensberaterszene: Accenture, Deloitte, KPMG und PWC.

Staufenbiel ist einer der führenden Anbieter von Personalmarketing- und Recruiting-Lösungen für junge Akademiker in der Schweiz. Die Firma geht die zukünftigen Fachkräfte von beiden Seiten an: aus der Sicht der Unternehmer und derjenigen der Berufseinsteiger. Sie macht dies mit Beratung – hauptsächlich CV-Checks – Recruiting-Veranstaltungen und Publikationen rund um den Berufseinstieg.

Profil «Absolvent»

Staufenbiel nennt Studenten, die sich dem Abschluss ihres Studiums oder ihrer Fachausbildung nähern oder dieses vor Kurzem hinter sich brachten, «Absolventen». Sie sind bereit für den Einstieg ins Berufsleben. Das heisst, sie wollen die Bühne des Berufstheaters möglichst schwungvoll betreten.

Unterdessen schlängeln sich die Absolventen sauber mit Namensschildern beschriftet durch die Drehkreuze im Erdgeschoss. Eine originelle Idee: Auf einem zentral positionierten Tisch stehen grosse Plastikbehälter. Dort fassen die Absolventen Klarsichtschildchenhalter und schnippeln mit bereitliegenden Scheren ihre mitgebrachten Printouts der Online-Registrierung zurecht, sodass barcodierte Namensschilder mit Studienrichtung und Studieninstitution entstehen. Das ist moderner Workflow par excellence.

Uniforme Auftritte, aber auch andere Konzepte

Wie die Outfits der Absolventen, so zeichnen sich die Präsentationskonzepte der meisten Aussteller durch gefällige Uniformität aus. Die ganze Kohorte der Beratungsfirmen, Grossbanken und Versicherungen, aber auch die Unternehmen aus weiter abgelegenen Branchen: Sie alle vermeiden es, die Regeln des Business-Knigge umzustossen. Sie wollen nicht aus dem Rahmen fallen. Präsentiert wird Mainstream, mal verpackt in teures und aufwändiges Design, mal bewusst einfach oder spontan gehalten, aber bitte immer mit Konzept. Schliesslich geht es den Standvertretern darum, potenzielle Kandidaten kennenzulernen. Im Idealfall: ein Anstellungsgespräch zu führen.

Und doch verfolgen vereinzelte Veranstalter eine andere Strategie: Was hat beispielsweise das proletenhafte Aldi-Logo in diesem Ambiente zu suchen? Eine Einkaufsgelegenheit an der Jobmesse? Nein, Aldi sucht Kandidaten für sein Management. Clever. Die Standvertreter sind «ufgstellt» und offen.

Ebenfalls aus dem Rahmen fallen Thyssen-Krupp und ETH Zürich, zwei bekannte Labels im Ingenieurwesen. Sie präsentieren an ihrem bescheidenen Eckstand ein Rennauto. Auf den Fotowänden im Hintergrund prangt ein perfekt abgelichtetes Pärchen beim Spielen mit der Autorennbahn. Das Standpersonal fällt aus der Norm, denn sie tragen weder Kostüm noch Anzug, sondern Casual-Style und Sportshirt – ok, letzteres immerhin mit Sponsorbadges des Arbeitgebers.

Perfekte Absolventen: effizient und pragmatisch

Daniel Bohl, 24, Student Maschinenbau an der ETH Zürich, erzählt von seinem Projekt als Praktikant im Fahrzeugtesting bei der Firma Thyssen-Krupp Presta in Eschen, Liechtenstein. Sein Fachgebiet ist der Bereich Regelungstechnik für den ausgestellten Elektro-Rennwagen. Ein Rekordstück, das notabene mit seiner Beschleunigungsleistung jeden Ferrari und sogar Formel 1-Boliden in Grund und Boden fährt.

Von Null auf Hundertzwanzig in 2,5 Sekunden. Halleluja. Der Rennwagen hat dann allerdings bereits seine Höchstgeschwindigkeit erreicht: 120 Stundenkilometer. Ein Witz: jeder Renault Twingo fährt schneller. Darf er aber in der Schweiz gar nicht.

In diesem Sinn ist der ETH-Thyssen Elektrorennwagen der perfekte Absolvent: Er legt einen Start hin wie der Blitz, dreht aber bald im roten Bereich. Das ist effizient und pragmatisch, denn wer braucht schon ein Fahrzeug, das doppelt so schnell fahren könnte wie erlaubt?