Veröffentlicht am 04.02.2009TEXT: J. Claude Rohner

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Ausreisen oder Abtauchen

jcr. Wer Sans-Papiers geworden ist, steckt in der Patsche. Die Frauen und Männer ohne gültige Aufenthaltspapiere tauchen hierzulande oft unter und werden zu Getriebenen.

Der Anblick scheint friedlich: Jeden Dienstag strömen die Sans-Papiers ins Zürcher «Flüchtlingscafé». Die Leute essen dort, sie können ihre Migros-Gutscheine gegen Geld wechseln und mit Ihresgleichen reden. Im Flüchtlingscafé sitzt auch Thomas Lampart. Der 26-jährige Schweizer unterstützt die Sans-Papiers und ist Aktivist beim «Bleiberecht»-Kollektiv. Diese Gruppe organisierte die Besetzung der Peterskirche Ende 2008. Sie wollte damit auf die auswegslose Lage der Sans-Papiers aufmerksam machen.

«Sans-Papiers sind alle, die keine Papiere haben, die eine Aufenthaltsgenehmigung implizieren», sagt Lampart. Diese Leute haben zwar Dokumente, die zum Beispiel von Notschlafstellen ausgestellt worden sind, Kopien ihrer Pässe oder Flüchtlingsausweise. Ohne offizielle Ausweispapiere ihres Heimatlandes gehen die Behörden indes nicht auf ein Asylgesuch ein, so will es das neue Asylgesetz. Lampart ärgert sich über die naiven Vorstellungen, die bei uns in der Schweiz kursieren. Es gebe zwar schwarze Schafe, die ihren Pass fortgeworfen haben. Aber viele Asylsuchende seien nicht in der Lage gewesen, für die Flucht legale Ausweise zu beschaffen. Entweder sei das in ihren Ländern mit schwierigem Prozedere, gar nicht möglich, oder sie hätten im Untergrund keine Möglichkeit, Papiere machen zu lassen. «Es ist nicht wie bei uns!» sagt Lampart.

Nothilfe für Sans-Papiers

Ohne Papiere müsste ein Sans-Papiers, auf dessen Asylantrag die Behörde definitiv nicht eingegangen ist, eigentlich ausgewiesen werden, doch das ist nicht immer möglich, weil einige Länder verunmöglichen, dass die Leute zurückkehren, indem sie keine offiziellen Dokumente für die Rückführung ausstellen. Ein Sans-Papiers hat dann in der Schweiz nur noch die Möglichkeit, in einer Notschlafstelle zu übernachten, er bekommt Migrosgutscheine für 8.50 Franken pro Tag und in Notfällen medizinische Hilfe.

Durch die so genannte «Dynamisierung» wollen die Zürcher Behörden erreichen, dass die Leute verschwinden, am liebsten ins Ausland. «Dynamisierung» heisst: Die Notschlafstelle muss wöchentlich gewechselt werden. Da die Sans-Papiers kein Geld für die Öffentlichen Verkehrsmittel haben, ist das ein schwieriges Unterfangen. Der Katzensprung nach Uster wird zur unüberbrückbaren Hürde.

Umstrittene «Dynamisierung»

«der arbeitsmarkt» fragte die Zürcher Parteisekretariate an, was  sie von der Massnahme der «Dynamisierung» halten: «Es gibt in dieser Verordnung keine sinnvollen Aspekte! Die Dynamisierung ist eine Schikane, die die Betroffenen in ihrer Würde als Mensch missachtet und ihnen die Möglichkeit verwehrt, unter akzeptablen und menschenwürdigen Umständen zu leben», wehrt die SP ab. Die CVP findet die Dynamisierung an sich statthaft, möchte aber, dass der Staat die Fahrtkosten trägt. Die FDP weist darauf hin, dass es sich bei diesen Bestimmungen um die konkrete Umsetzung des Grundsatzes handle, dass den abgewiesenen Asylsuchenden nur noch Nothilfe geleistet wird, wie dies das Bundesgesetz verlangt. Die SVP findet «schon die Frage eine ungeheuerliche Unterstellung an die Polizei. Die Ausgewiesenen sollen ausreisen und haben hier definitiv nichts zu suchen. Jedes Entgegenkommen lässt die Schlepperbanden nur noch mehr Asylbewerbende ins Land locken.»
Die zuständigen kantonalen und eidgenössischen Behörden wollen sich entweder nicht äussern oder reagieren auf Anfragen «des arbeitsmarktes» nicht.