Veröffentlicht am 09.07.2013FOTO UND TEXT: Patrick_Herger

Toni Holenweger, Geschäftsführer der Gruppe Corso an der Veranstaltung zum Thema «Jahresarbeitszeit und flexibler Personaleinsatz».

Aufs ganze Jahr gerechnet

«Es ist nicht wenig Zeit, die wir haben, sondern es ist viel Zeit, die wir nicht nutzen.» – mit diesem Zitat setzt sich die Gruppe Corso für mehr Flexibilität in der Arbeitswelt ein. Grosses Thema der Forschungs- und Beratungsgemeinschaft ist dabei die Jahresarbeitszeit.

In den letzten Jahren hatte die Orell Füssli Sicherheitsdruck mit vielen Problemen seitens Personalplanung und -einsatz zu kämpfen: Schwankungen im Arbeitsvolumen, Schwierigkeiten in der Ferienplanung und Personalmassnahmen, die zu Kündigungen führten. Ein neues Konzept zur Flexibilisierung der Arbeitszeit schaffte Abhilfe. Zusammen mit der Gruppe Corso entwickelte das Unternehmen einen Plan zur Einführung der Jahresarbeitszeit (JAZ). Die Probephase des neuen Konzepts dauerte von Januar bis Dezember 2012 – mit vielversprechenden Ergebnissen: Die Mitarbeitenden nahmen das System der JAZ positiv an und die Work-Life Balance verbesserte sich. Die Abteilung für Fertigung sparte 2.45 Millionen Franken an Personalkosten ein. Seit der Einführung der JAZ blieb die Anzahl der Mitarbeiter der Orell Füssli Sicherheitsdruck auf konstantem Niveau.

Das Jahresarbeitszeitsystem

Auf einer Veranstaltung zum Thema «Jahresarbeitszeit und flexibler Personaleinsatz» zeigte Toni Holenweger, Geschäftsleiter der Gruppe Corso, den anwesenden Journalisten und Unternehmensvertretern die Vorteile, aber auch die Risiken dieser Konzepte auf. JAZ-Systeme garantieren den Arbeitnehmenden grössere persönliche Freiheit. Ein Arbeitszeitkonto gibt Auskunft über die geleistete Arbeit jedes Mitarbeitenden, ein dazugehöriges Ampelkonto dient der Überwachung angehäufter Über- beziehungsweise Minusstunden.

Durch den Wechsel von Wochen- auf Jahresarbeitszeit ist der Arbeitnehmer in seiner Zeitplanung flexibler. Die Lohnauszahlung erfolgt dabei weiterhin monatlich – in manchen Unternehmen kann der dreizehnte Monatslohn in Zeit umgewandelt werden. Diese wandert zusammen mit Überstunden und nicht bezogenen Ferientagen auf ein sogenanntes Langzeitkonto (LZK) und kann später in grösseren Blöcken bezogen werden. So steht einer halbjährlichen Weiterbildung, einer Sprachreise oder einer längeren Erholungsphase nichts mehr im Wege. Auf Wunsch zahlt das Unternehmen das angesparte Guthaben des LZK auch aus – das Konto selbst ist für alle Mitarbeitenden freiwillig.

Mehr Zeit für Jung und Alt

Wie flexibel die JAZ ist, zeigt sich auch im Fall der B. Braun Medical, einem Unternehmen im Bereich Medizinbedarf. Sie nutzt ihr angepasstes Zeitmodell je nach Tätigkeitsfeld unterschiedlich. Im Büro – besonders in der technischen Administration – setzt das Unternehmen auf gleitende Jahresarbeitszeit; in der Produktion wird hauptsächlich Schichtarbeit auf Basis der JAZ verwendet. «Dieses System sorgt für einen Ausgleich der Auftragslage und passt die Arbeitszeit besser an die Mitarbeitenden an.», sagt Thomas Keller, Leiter des Projekts zur Einführung der Jahresarbeitszeit. «Es ermöglicht eine eigenverantwortliche Gestaltung der Arbeitszeit und senkt den administrativen Aufwand.»

Auch die B. Braun Medical arbeitet mit dem Zeit- und Ampelkonto. Ein LZK 50+ für ältere Arbeitnehmer ist derzeit im Aufbau. «Das Langzeitkonto 50+ passt sich an die Bedürfnisse der Mitarbeitenden im pensionsreifen Alter an. Es beinhaltet Ferien über dem gesetzlichen Minimum und wandelt auf Wunsch Schichtzulagen, Prämien und so weiter in Zeit um», so Keller. Die so angesparte Zeit können die Arbeitnehmenden dann zum Beispiel in eine längere Erholungsphase investieren. Ab 58 Jahren kann die Arbeitszeit ausserdem gleichmässig reduziert werden, um einen sanften Übergang in den Ruhestand zu gewährleisten.

Toni Holenweger spricht von einer Win-Win Situation für Unternehmen, Mitarbeiter und Kunden. «Modernere Konzepte der Arbeitszeitgestaltung sind notwendig, um dem Ausgleich zwischen Arbeit und Beruf in der heutigen Zeit gerecht zu werden.» Die Mehrheit aller Unternehmen in der Schweiz arbeitet bereits mit JAZ-Modellen. Allerdings, so Holenweger, sei es bei diesen Konzepten notwendig, klare Regelungen bezüglich Saldierung und Urlaub aufzustellen. Nur so könne man die Zufriedenheit der Mitarbeitenden auf lange Zeit gewährleisten.