Veröffentlicht am 09.01.2013TEXT: Linda OsterwalderFOTO: Johny Nemer

Das Laufbahn-Portfolio ist ein Arbeitsinstrument für die begleitete Stellensuche.

Am Anfang steht die Standortbestimmung

lo. Ein neues Arbeitsinstrument unterstützt Stellensuchende, Kursleitende und Laufbahnberater bei der beruflichen Eingliederung. Das «Laufbahn-Portfolio für Stellensuchende» fördert eine nachhaltige Integration durch Berücksichtigung des Menschen in seiner Ganzheitlichkeit.

Das Laufbahn-Portfolio für Stellensuchende, das vor wenigen Monaten vorgestellt wurde, ist ein umfassendes Lehrmittel zur Standortbestimmung und beruflichen Neuorientierung. Entwickelt hat das Instrument das S&B Institut für Berufs- und Lebensgestaltung in Bülach, ein bekannter Name auf dem Gebiet der Laufbahnberatung.

Von seinem Gründer und Geschäftsführer, Reinhard Schmid, stammt der Klassiker «Arbeitslos, wie weiter?» aus dem Jahr 1994. Seither hat der inzwischen 65-jährige Laufbahnberater sein Konzept kontinuierlich weiterentwickelt. Das aktuelle «Laufbahn-Portfolio für Stellensuchende» ist ein online unterstützter Medienverbund, der die stellensuchende Person in sechs Schritten durch den Integrationsprozess, von der ersten Situationsanalyse bis zur gezielten Stellensuche, begleitet.

Schmids Laufbahn-Portfolio ist ein Instrument für Kurse oder Einzelberatungen. Es besteht aus einem Ringbuch mit Aufgabenregister, einem Arbeitsheft und der Onlineplattform.

Situationsanalyse für ein differenziertes Coaching

Die Arbeit mit dem Laufbahn-Portfolio beginnt mit der beruflichen Standortbestimmung, der Laufbahnanalyse und der Bestimmung der Schlüsselkompetenzen. Daraus werden der bisherige berufliche Leistungsausweis und der Veränderungsspielraum ersichtlich. Diese beruflichen Perspektiven werden daraufhin geprüft, ob sie mit den persönlichen Träumen und Visionen übereinstimmen. Es wird eine Strategie entwickelt, um das persönliche Ziel zu erreichen, beispielsweise Netzwerkaktivitäten und Gespräche mit Berufsleuten. Erst dann folgt die eigentliche Stellensuche mit dem Erarbeiten von Motivationsschreiben und der Vorbereitung der Vorstellungsgespräche.

«Im Laufbahn-Portfolio wird der Mensch mit seinen Träumen und Visionen akzeptiert, ja gefördert, und nicht bewertet oder gemessen», sagt Reinhard Schmid. Es wird Nachhaltigkeit angestrebt: «Jeder soll sich die Stelle suchen, für die sein Herz schlägt», so Schmid. «Anstatt schnell irgendeine Stelle anzunehmen, um nach kurzer Zeit festzustellen, dass es wieder nicht ‹die Richtige› ist, soll der Stellensuchende zuerst herausfinden, was ihn interessiert und wo er motiviert ist, sein ganzes Potenzial einzubringen.»

Auf dem Onlineportal beantwortet die stellensuchende Person 96 zielgruppenspezifische Fragen. Das daraus generierte Situationsdiagramm gibt Auskunft über die Ausgangslage: Welche Schwerpunkte hat die Person, und welche sind ihr bewusst? Welche Fähigkeiten bewertet sie stark, welche schwach? Der begleitende Berater kann das Coaching danach ausrichten: An welchen «Stärken» soll die Person arbeiten, damit es bei der richtigen Stelle dann auch klappt?

Das Situationsdiagramm kann im Laufe eines Jahres mehrmals neu erstellt werden. Einfliessende Erkenntnisse verändern das Diagramm laufend. «Es gibt keine guten oder schlechten Situationsdiagramme, jedes hat eine individuelle Aussagekraft», erläutert Reinhard Schmid. «Es handelt sich um Momentaufnahmen, in denen die Einschätzung der Befindlichkeit im Berufs- und Privatleben zum Ausdruck kommt.»

Träume und Visionen als treibende Kraft

Der Online-Fragebogen geht nicht nur auf die berufliche Biografie ein, sondern erlaubt einen ganzheitlichen Blick auf den Menschen. Es geht auch um die Verarbeitung der Situation der Erwerbslosigkeit, um vorhandene Perspektiven, mögliche Alternativen. Ist eine Neuorientierung angesagt? Wie steht es um die Motivation? Ist der Stellensuchende bereit und fähig, neue Aufgaben anzugehen? Besteht ein Ausgleich im Privatleben, findet die Person Erfüllung in ihren Freizeitaktivitäten? Und wie steht es um die Gesundheit? Kann die Person Stress bewältigen?

«Die Einstellung zu sich selbst, die Selbstbehauptung und das Durchsetzungsvermögen sind wichtige Faktoren für das Selbstvertrauen», ist Reinhard Schmid überzeugt. «Die Menschen suchen heute nach neuen Arbeitsformen und möchten ihr Leben selbst gestalten. Träume und Visionen realisieren zu können, ist der beste Motivator, um bessere Leistungen zu erbringen und glücklicher zu sein.»

Das Laufbahn-Portfolio kann zwar auch selbständig erarbeitet werden, doch die Begleitung durch einen Laufbahncoach ist Teil des Konzepts. «Der Laufbahnberater motiviert die stellensuchende Person und unterstützt sie bei der Verarbeitung der Erkenntnisse im Gespräch», erklärt Reinhard Schmid. Das bedarf einiger Erfahrung im Umgang mit dem Instrument. Die Lizenz für das Laufbahn-Portfolio erhalten Coaches nur, wenn sie den Nachweis erbringen können, dass sie mindestens 20 Laufbahn-Portfolios für ihre Kunden bestellen werden.

Erfahrungen stehen noch aus

Nachdem das reine Printmedium jetzt durch den webbasierten Medienverbund abgelöst wurde, hat der Schweizerische Verband der Organisatoren von Arbeitsmarktmassnahmen (SVOAM) das Patronat für das Laufbahn-Portfolio übernommen. Das neue Instrument befindet sich noch in der Einführungsphase, und aussagekräftige Resultate betreffend Erfolg fehlen noch. «Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) hat bereits für frühere Arbeitsmittel von Reinhard Schmid das Patronat übernommen, weshalb wir dem S&B Institut vertrauen», sagt Prisca D’Alessandro, Geschäftsleiterin des SVOAM. «Ausserdem wurde die Entwicklung des Laufbahn-Portfolios von Institutionen begleitet, die unserem Verband angehören.»

Unter den Institutionen, die bei der Entwicklung des Laufbahn-Portfolios mitgewirkt haben, befindet sich die Stiftung Arbeitsgestaltung in Bern (SAG). Lydia Kölbener, Verantwortliche Bildungsqualität bei der SAG, ist vom neuen Arbeitsmittel begeistert. «Wir haben zwar erst wenige, aber sehr gute Erfahrungen mit diesem Hilfsmittel gemacht», sagt Kölbener und erklärt: «Die Stellensuchenden setzen sich vertieft mit ihren Möglichkeiten und Visionen auseinander. Dadurch sind sie viel offener bei der beruflichen Orientierung und bei der Stellensuche letztlich erfolgreicher.»