10.08.2017
FOTOS UND TEXT: Clarissa BrägVIDEO: Clarissa Bräg

Ivana Egloff im Yogastudio im Badener «Falken»

Porträt einer Yogalehrerin

«Dein Leben ist jetzt – keine Sekunde vorher, keine Sekunde nachher, sondern jetzt!»

Bis zu fünfzehn Stunden täglich kopflastig im Büro arbeiten, darin fand Ivana Egloff, 38, keine Erfüllung mehr. Nach ihrem Studium in Volks- und Betriebswirtschaft setzte sie sich unter enormen Leistungsdruck, bis sie erkannte, was für sie wirklich zählt.

Die erste Begegnung mit Yoga war für Ivana eine schweisstreibende Angelegenheit. 38 Grad heiss war der Yogaraum schon vor der ersten Körperübung, zu heiss für Ivana. Sie sah den Zusammenhang von Yoga und Sauna nicht, weshalb ihre Erfahrung mit Yoga fast ein jähes Ende nahm. Sie gab sich und dem Yoga eine zweite Chance. In Rom lernte sie Ashtanga Yoga kennen. Er ist sehr sportlich und sehr intensiv. Zu intensiv für ihre Schulter, da sie zu sehr versuchte, der Form zu folgen. Es folgten Vinyasa, Iyengar und Power Yoga. Dank dieser Suche begriff Ivana: «Yoga ist nicht gleich Yoga!»

 

Ausschnitt_einer_Yogastunde_von_Ivana_Egloff

Ausschnitt einer Yogastunde von Ivana Egloff

Sri Lanka, eine Erkenntnis und auf nach Indien
«Aus den verschiedenen Yogastilen habe ich interessante Erfahrungen gesammelt. Aber erst in der Yogaschule Hatha Yoga Wettingen verankerte sich der Yoga wirklich tief in mir. Ich hatte in meinem Leben immer wieder schwere Episoden zu bewältigen. Kurz vor einer Yogareise nach Sri Lanka mit den Yogalehrerinnen und -schülern von Hatha Yoga Wettingen kämpfte ich mich gerade aus einer tiefen Krise. Mit meinen Yogalehrerinnen sprach ich viel über meine Sinnsuche. Während der Reise wurde mir dann klar: ‹Manchmal musst du ganz tief und hart aufschlagen, bis du erkennst: Du hast ein Leben, mach jetzt etwas draus. Und zwar das, was du willst.›

«Manchmal musst du ganz tief und hart aufschlagen, bis du erkennst: Du hast ein Leben, mach jetzt etwas draus. Und zwar das, was du willst.»

Sofort nachdem ich von Sri Lanka zurückgekehrt war, recherchierte ich intensiv nach Yogaausbildungen. Mein Ziel war es, zu erkennen, ob Yoga wirklich etwas für mich ist, wenn ich es ganz intensiv lebe.

Ich entschied mich für eine Yogaschule auf Goa. Dann ging alles sehr schnell. Ich hatte kaum die Koffer von Sri Lanka ausgepackt, da flog ich schon nach Indien! Und ich fand, wonach ich gesucht hatte. Der Multi-Teacher-Lehrgang der Trimurti- Yogaschule beinhaltet verschiedene Yogastilrichtungen. Das hat mir einen sehr guten Überblick gegeben.»

Zurück in der Schweiz
«Zunächst unterrichtete ich nach der Ausbildung in Indien bei Hatha Yoga Wettingen dreimal in der Woche neben meinem 50-Prozent-Bürojob und der neuen Ausbildung. Denn die Multi-Teacher-Ausbildung war auch der Anstoss, in der Schweiz dieses Wissen deutlich zu vertiefen. Ich entschied mich für die vierjährige Ausbildung zur eidg. dipl. Komplementärtherapeutin mit Fachrichtung Yogatherapie am Institut für integrative Heilpraxis in Luzern.

 

Rückbeuge mit nach hinten gestreckten Armen (Variation von Virabhadrasana).

Selbständigkeit war bis dahin eigentlich nie ein Thema für mich. Während der Vorbereitung auf ein Retreat mit Coaching-, Yoga- und Entspannungsmethoden entwickelte sich der Gedanke in mir: ‹Wieso nicht den Schritt in die Selbständigkeit wagen?› Im Sommer 2016 fragte mich meine Kollegin Sabine Keller von ‹dein Yoga›, ob ich mir vorstellen könne, mit ihr ihren Raum zu teilen. Sie hat im ‹Falken› in Baden einen Yogaraum, den sie für ihre Yogaklassen sowie die Yogatherapie nutzt. Kurz darauf im besagten Retreat auf Mallorca waren die Teilnehmer von meinem Yogaunterricht so begeistert, dass sie mich fragten, ob ich nicht Yogastunden in Zürich anbieten könne. Dann ging alles wieder sehr schnell, und im Oktober startete ich mit einer Yogastunde in Zürich.

«In dem Moment, wo du die Angst vor dem Traum verlierst und er sagt ‹jetzt›, gehen plötzlich die Türen auf.»

Alles kam ins Rollen. In dem Moment, wo du die Angst vor dem Traum verlierst und er sagt ‹jetzt›, gehen plötzlich die Türen auf. Das Leben findet jetzt statt, nicht eine Sekunde vorher, nicht eine Sekunde nachher, sondern jetzt. Deshalb heisst meine Yogaschule ‹jetzt yoga›.

Nun unterrichte ich in Baden und Zürich Viniyoga. Im Viniyoga nach der Tradition von T.K.V. Desikachar ist alles dem Individuum angepasst. Die Form folgt dem Körper, nicht umgekehrt. Es gibt viele Möglichkeiten, den Nutzen von verschiedenen Asanas (Körperübungen) für jeden zugänglich zu machen, mit entsprechenden Variationen der Übung, einem Stuhl oder Sitzkissen. Schüler, die zum Beispiel Rücken-, Knie- oder Hüftbeschwerden haben, können so auch von Yoga profitieren.»

Yoga & Hund
«Eine Freundin von mir ist Hundetrainerin, ich bin Yogalehrerin und habe selbst einen neunjährigen Hund, Gioia. Im Oktober werden wir einen ersten Yoga-&-Hund-Workshop machen. Wir beobachten immer wieder, wie sich die Ruhe (oder eben Nervosität) des Menschen auf den Hund überträgt. In diesem Workshop möchten wir zeigen, mit welchen Methoden aus dem Yoga (vor allem Atemtechniken) der Mensch sich sammeln und entspannen und so dem Hund zur Ruhe verhelfen kann. Für den Hund werden die Teilnehmer Entspannungsübungen aus dem Hundetraining kennenlernen und diese mit ihren Vierbeinern üben. Wir verbinden also die beiden Themen Yoga und Hund, machen aber nicht Yoga mit dem Hund.»

 

Das gehört dazu: Vor der ersten Yogaklasse wird alles noch gründlich gesaugt.

 Yoga ist kein Sport, sondern viel mehr
«Im Yoga ist grundsätzlich die Möglichkeit einer Schnupperstunde ganz wichtig. Ein angehender Yogaschüler soll sich die Zeit nehmen, wirklich den Ort zu finden, an dem er sich gut aufgehoben fühlt. Nicht einfach nur die Mattenfarbe muss stimmen, sondern die Chemie zwischen den Menschen.

«Nicht einfach nur die Mattenfarbe muss stimmen, sondern die Chemie zwischen den Menschen.»

Das wirklich Entscheidende ist, dass sich der Mensch wohl fühlt und erkennt: ‹Die wahre Leistung ist, in sich selbst zu hören und die eigenen Bedürfnisse zu erkennen.›

Wenn du das im isolierten, behüteten Yogaraum lernst, wirst du es auch immer besser im Alltag anwenden können. Denn Yoga ist eine Philosophie, wie du durch das Leben gehst. Du erkennst Muster in dir, die immer wieder Leid verursachen. Das Geheimnis ist, diesen Mustern auf die Schliche zu kommen und sie langsam zu ändern. Es funktioniert nicht, dich für ein Zehnerabo anzumelden, und danach bist du erleuchtet.

Du musst deinen Frieden mit dir finden, und das kann ein Leben lang dauern.»