19.08.2015

Durch den Wind? Die Begegnungen zwischen HR-Leuten und Bewerbern können bisweilen sehr sonderbar ausfallen.

Bewerbungsprozess

HR: «Human Relations» oder «Heute ratlos»?

Sie sind für Bewerber Hürde und Pforte gleichermassen: Die Personaler, kurz HR-Leute. Die Qualität ihrer Dienste schwankt dabei zwischen Himmel und Hölle. Ein Erfahrungsbericht.

Sandro Pfammatter

Sandro Pfammatter
Journalist «der arbeitsmarkt»

Sind es 10 Sekunden? Die Verbleibszeit einer Fliege am gleichen Ort. Oder 45 Sekunden? Die Startzeit eines Airbus-Passagierflugzeugs? Irgendwo dazwischen liegt – laut Headhuntern – die Zeit, die der durchschnittliche Personaler einem Bewerbungsdossier widmet. Danach wird weitergeklickt. Neuer Kandidat, neues Glück.

Wer als Bewerber auffällt, durch sein Aussehen, das professionelle Layout oder durch den Inhalt seines Dossiers, der wird irgendwann durch die Pforten der Firma schreiten, für die er sich wortreich interessiert hat.

Es ist soweit: Personaler trifft auf Bewerber. Human Relations trifft auf Humankapital.

Diese kosmische Fügung kann einen «tanzenden Stern gebären», wie es Friedrich Nietzsche formuliert hätte. Im besten Fall trifft Können auf Wollen. Auf Worte folgen Verträge, auf Verträge folgen fruchtbare Stunden und zufrieden empfangene Zahlungen auf schön gefüllten Lohnkonten. 

Im zweitbesten Fall ist der Bewerber um eine interessante Erfahrung reicher – und die Firma im Anstellungsprozess vorangekommen.

Manchmal nimmt die Geschichte aber auch einen anderen Lauf. «HR! Mir graut’s vor Dir», wäre, frei nach Goethe, dann die passende Zusammenfassung. 

Beispiel gefällig? Ein Titan im Handymarkt sucht für seine Schweizer Niederlassung einen Pressesprecher. Der Bewerber trifft sich mit dem Chef des Marketings und einer Dame der HR-Abteilung. Wir spulen 1.5 Stunden vor: Die drei Personen haben sich grossartig unterhalten. Anforderungen und Ansprüche wurden abgeklärt, der Personaler hat die Gretchenfrage («wie haben Sie’s denn mit dem Lohn?») gestellt, ein Rückruftermin wurde vereinbart.

Die Zeit verstreicht. Der Rückruf bleibt aus.

Zwei Tage nach dem vereinbarten Termin meldet sich der Bewerber. Es vergeht einige Zeit in der Warteschleife. Auch Wartemelodien haben ihren Reiz. Schliesslich findet indes eine Zuordnung statt: «Ja, die Stelle als Pressesprecher. Wir benötigen noch eine Woche länger für die Evaluierung. Wir werden uns danach umgehend melden». Besten Dank, das wollte man wissen.

Die Zeit verstreicht. Der Rückruf bleibt aus.

Erneut meldet sich der Bewerber. Freundlich, interessiert. Die Antwort ist schroff und genervt: «Auf welche Stelle haben Sie sich beworben? Presseprecher B2B oder B2C?». «Sie hatten ein Gespräch. Soso. Mit wem denn? Wir sehen da nichts». Die nächsten fünf Minuten verbringt der Bewerber in einem Wechselbad aus Wartemelodien (toll: James Gruntz) und Kreuzverhör. Schliesslich ist klar: «Sie kommen nicht in die zweite Runde. Schauen Sie in Ihrem Posteingang oder Spam. Sie sollten dieses Mail bekommen haben.» (Nein)

Geht es auch zuverlässig, aber unpersönlich? Durchaus. Zum Beispiel, wenn auf drei Treffen bis und mit CEO eine eisgekühlte Standard-Mailabsage kommt. Autorin dieses Kunstwerks: Eine Zürcher Privatbank an bester Lage. 

Eher harmlos im Vergleich: Der interne Bewerber als interner Bote in einem grossen Verlag. «Wie? Dem Chefredaktor wurde gekündigt? Danke, dass Sie uns das sagen! Dem müssen wir grad nachgehen. Das hat Auswirkungen auf die Stelle, die wir besetzen möchten.»

Liebe HR-Leute: Das sind drei schwarze Schafe unter hoffentlich hundert Weissen. Unvergessen etwa die HR-Dame, die noch aus dem Spital, unmittelbar nach der Bauchoperation, zum Hörer griff und den Bewerber über das weitere Vorgehen in Kenntnis setzte. Dies freilich nach der Entschuldigung, dass «leider der Blinddarm geplatzt» sei.

Soviel Aufopferung muss gewiss nicht sein. Eigentlich erwarten Bewerber bloss, dass «Human Relations» in etwa als «menschliche Beziehung» gelebt wird. Denn eines ist klar: Wir müssen irgendwie miteinander. Nur ein unterschriebener Vertrag ist ein guter Vertrag.