09.09.2015
FOTO UND TEXT: Katja Imme
Angela Merkel bei ihrer Dankesrede vor Studenten.

Angela Merkel weiss zu entzücken.

Ehrendoktorwürde

Exzellenz auf Besuch in Bern

Sechs Jahre vergehen, bis Bundeskanzlerin Angela Merkel ihren Ehrendoktortitel in Bern abholt. Dann muss alles ganz schnell gehen. Innert fünf Wochen bereitet die Universität Bern die feierliche Übergabe der Urkunde in der Aula vor. Welche Herausforderungen dabei zu bewältigen sind, erzählt uns Projektleiterin Nicola von Greyerz.

Mit sechs Jahren Verspätung hat die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel am 3. September ihren Ehrendoktor in der Aula der Universität Bern vor rund 300 Leuten in Empfang genommen. Der Titel wurde ihr 2009 verliehen für ihren Einsatz für das öffentliche Wohl und den Klimaschutz sowie für ihre Verdienste um die europäische Integration, die Pflege des jüdisch-christlichen Dialogs und ihr Engagement für die Anliegen der Frauen. Die Projektleiterin des Festakts an der Uni Bern beantwortet uns einen Tag später ein paar Fragen.

Projektleiterin Nicola von Greyerz erwartet die Gäste vor der Uni.
Nicola von Greyerz (ganz links) vor dem Ansturm auf die Uni. Foto: Katja Imme

Nicola von Greyerz, war dieses Event der Höhepunkt Ihrer Karriere?
Hoffentlich nicht. (Lacht.) Aber es schliesst sich der Kreis: Angefangen habe ich 2009 als Projektleiterin für die Feier zum 175. Geburtstag der Universität Bern. Genau an diesem Anlass war Angela Merkel der Ehrendoktor verliehen worden. Jetzt hat sie ihre Urkunde abgeholt.

So ein Aufwand wird doch kaum jedes Mal betrieben, oder?
Richtig. Normalerweise werden die Ehrendoktorwürden am jährlichen «Dies academicus» verliehen. Diese Stiftungsfeier der Universität, die an deren Gründung 1834 erinnert, findet jeweils Anfang Dezember im Kulturcasino Bern statt.

Ein Ehrendoktor ist kein akademischer Grad, sondern eine ehrenhalber verliehene Auszeichnung einer Universität oder Fakultät für besondere akademische oder wissenschaftliche Verdienste. Dr. h. c. steht für doctor honoris causa (lat.). Wer mindestens zwei Würdigungen erhalten hat, darf sich Dr. h .c. mult. nennen, denn mult. bedeutet multiplex, also mehrfach. Angela Merkel hat zum Doktor der Naturwissenschaften (Dr. rer. nat.) promoviert. Ihr ist bereits zwölfmal die Ehrendoktorwürde verliehen worden, zuletzt im Februar 2015 durch die Universität Szeged (Ungarn).

Wie viele Ehrendoktortitel verleiht die Uni Bern pro Jahr?
Unsere acht Fakultäten vergeben diese Würde; das macht etwa sieben bis zehn Titel pro Jahr. Die Universitätsleitung kann auch Ehrendoktorate verleihen, hat dies aber erst zweimal getan. Zuerst 2009 an die Bundeskanzlerin Angela Merkel und im vergangenen Jahr an Fürst Albert II. von Monaco.

Die Öffentlichkeit erfährt erst am «Dies academicus», wer den Ehrendoktor erhält. Nur die Betreffenden wissen das im Voraus, denn wir legen Wert darauf, dass sie ihren Titel am «Dies» selbst in Empfang nehmen.

Seit wann wussten Sie von der Übergabe am 3. September?
Dass Angela Merkel kommen würde, wussten wir seit einigen Wochen, kannten aber lange nicht den Rahmen, in dem die Übergabe stattfinden sollte – klein und intim oder gross und mit Publikum. Solange konnten wir nichts vorbereiten. Erst vor fünf Wochen erfuhren wir, dass das Bundeskanzleramt eine grosse Veranstaltung mit Studierenden und Mitarbeitenden wünschte.

Porträt Nicola von Greyerz, Projektleiterin Events & PR Uni Bern.

Nicola von Greyerz, 42, ist studierte Germanistin mit Fortbildung zum MAS in Cultural- und Mediamanagement. Sie startete beruflich in einer PR-Agentur, betrieb Kulturmanagement und Öffentlichkeitsarbeit in Salzburg und Graz (Österreich) und am Stadttheater Bern. Als Projektleiterin des 175-Jahre-Jubiläums trat sie 2009 in die Uni Bern ein, ist seitdem Verantwortliche für Events. Zudem sass sie für die SP im Stadtrat Bern (2008–2014), seit 2014 ist sie im Grossen Rat des Kantons; 2015 kandidiert sie für den Nationalrat.

Was bedeutete das für Sie?
Nun, ein enger Kreis mit unseren Dekanen wäre betreffend Personenschutz viel leichter zu bewältigen gewesen. Wir hätten die Veranstaltung im «Haus der Universität», der Kocher-Villa, durchführen können. So kam nur die Aula im Hauptgebäude in Frage.

Bundessicherheitsdienst und Kantonspolizei haben mir bestätigt, dass das sicherheitstechnisch eine grosse Aufgabe ist. Kein Wunder, ist doch eine Universität für die Öffentlichkeit gebaut. Unsere hat nicht nur viele Eingänge und eine Bibliothek im Untergeschoss, sondern ist durch die U-Form besonders verwinkelt. Das war – neben Entscheiden über die Gästeliste – die grösste Herausforderung: Wie machen wir als Gastgeber das Gebäude sicher?

Hatten Sie deswegen schlaflose Nächte?
Fast. Wir mussten anfangs erst einmal gründlich innehalten: Was heisst das jetzt für uns? Können die Mitarbeitenden an diesem Tag arbeiten? Kann die Bibliothek bleiben? Wie genau gestalten wir die Zeremonie? Sind die Dekane dabei? Sitzen sie, stehen sie? Das mag alles recht banal klingen, aber viele solche Details müssen geregelt sein, denn sie prägen einen Anlass wesentlich.

Angela Merkel nimmt die Ehrendoktor-Urkunde vom Rektor in Empfang.
Die Bundeskanzlerin nimmt die Urkunde von Rektor Martin Täuber entgegen. Links im Bild Daniela Christen, Weibel.Foto: Katja Imme

Viel Zeit war aber nicht fürs Innehalten.
In der Tat. Vor vier Wochen besichtigte der Bundessicherheitsdienst unser Hauptgebäude. Gemeinsam hatten wir besprochen, dass es am sichersten und einfachsten sei, wenn die Bundeskanzlerin mit dem Wagen am Westeingang vorfährt, um den Fussweg ins Gebäude zu verkürzen. Am selben Nachmittag kam die deutsche Delegation mit dem Wunsch, dass die Bundeskanzlerin durch den Haupteingang das Gebäude betreten soll. Wir mussten von neuem überlegen, wie sich das aufs Sicherheitskonzept auswirkt.

Viele Details müssen geregelt sein, denn sie prägen einen Anlass wesentlich.

Nicola von Greyerz

Wer hat Sie in Sachen Sicherheit beraten oder begleitet?
In erster Linie der Bundessicherheitsdienst und die Kantonspolizei Bern, dann das EDA wegen der Akkreditierung der Journalisten, das EJPD für Protokollarisches. Die deutsche Botschaft hat auch Wünsche angemeldet. Unter anderem Angela Merkels Wunsch nach einem vollen Saal. Demgegenüber hat der Sicherheitsdienst immer wieder gemahnt, alle Gäste im Saal müssten sitzen, niemand dürfe stehen. Ich war mir anfangs überhaupt nicht sicher, ob und wie wir den Saal füllen. Schliesslich waren noch Semesterferien. 

Es haben sicher nicht alle Interessierten in der Aula Platz gehabt. Wie haben Sie die Gästeauswahl für die Zeremonie getroffen?
Die Bundeskanzlerin wünschte ausdrücklich, mit Studierenden ins Gespräch zu kommen. Von den 230 frei verfügbaren Plätzen wollten wir drei Viertel an die Studierenden und ein Viertel an Dozierende vergeben. Eine Auslese nach irgendwelchen Kriterien wollten wir nicht treffen. Die Interessierten durften sich an einem bestimmten Tag während genau drei Stunden in eine Online-Liste eintragen. Unter den 700 Studierenden und 99 Dozierenden losten wir dann aus.

Wer hat die «restlichen» 70 Plätze beansprucht?
Diese 70 Plätze brauchten wir für die an der Zeremonie beteiligten Dekane, Gäste der jeweiligen Delegationen – der deutschen wie der schweizerischen –, für die Alumni und für eine Gruppe Ehrengäste der Universität.

Wie viele Medienvertreter waren an der Verleihung?
Es waren über 60 inklusive Fotografen und des TV-Teams. Die beanspruchen allerdings keine Sitzplätze, sondern Bewegungsfreiheit und eine freie Sicht auf die Bühne. Auch das war nicht ganz einfach in einem Saal mit recht engen Platzverhältnissen.

Haben Sie einen Dresscode vorgeschrieben?
Nein. Die Zuschauer informierten wir vorab nur über die Sicherheitsbestimmungen, die da in etwa hiessen: Ab 13 Uhr ist die Garderobe geöffnet. Eine Personenkontrolle wird mittels Metalldetektor durchgeführt. Eine Unicard oder ID ist mitzubringen.

Ich war mir anfangs überhaupt nicht sicher, ob und wie wir den Saal füllen.

Nicola von Greyerz

Wie viele Uni-Mitarbeitende waren an den Vorbereitungen beteiligt?
Von unserer Abteilung Kommunikation und Marketing haben fast alle der 20 Mitarbeitenden in irgendeiner Form geholfen. Daneben waren der Präsident der Hauskommission, der Risikoverantwortliche, das Generalsekretariat fürs Protokollarische, der Hausdienst und die Gärtnerei involviert. Nicht zur Uni gehörend, aber wichtige Partner waren neben der Security-Firma die Mensabetriebe, die RUAG wegen der Metalldetektoren sowie der Lieferant der Sessel auf dem Podium. Die grauen Sessel hatten wir gemietet. Unsere roten wären wirklich zu dominant gewesen. Diesen Hinweis aus Angela Merkels Vorzimmer habe ich dankbar aufgenommen. Und merke mir das gleich fürs nächste Event.

Die Aula der Uni Bern bis auf den letzten Platz besetzt.
Die Aula der Uni Bern inklusive Balkon ist bis auf den letzten Platz besetzt.Foto: Katja Imme

Haben Sie die Veranstaltung nachträglich schon gefeiert?
Als ich Angela Merkel im Auto wegfahren sah, spürte ich, wie die Anspannung von mir abfiel. Unser Rektor war extrem erleichtert. Er war sichtlich nervös während seiner Laudatio. Wir haben uns spontan für ein Bier zusammengefunden, hatten nicht einmal Flaschenöffner, mussten uns mit Tricks behelfen. Vom Hausmeister bis zum Rektor waren alle dabei. Ich empfand die Atmosphäre als sehr entspannend und einigend.

Können Sie sich in Ihrer Funktion überhaupt eine Steigerung an Events vorstellen?

Barack Obama vielleicht? (Lacht.) Klar, der Besuch der Bundeskanzlerin war keine alltägliche Aufgabe. Aber die Herausforderung lag eher im operativen Projektmanagement: Wie bekommen wir alle Anforderungen, Wünsche und Vorstellungen unter einen Hut? Spannender ist für mich die konzeptionelle Arbeit. Wie verschaffe ich einem Anlass sein unverwechselbares Gepräge? Die «Nacht der Forschung» als breitenwirksamen Anlass für den Forschungsstandort Bern populär zu machen, ist mir das grössere Ziel.

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