09.12.2015
FOTO UND TEXT: Jürg Streuli

Für Aydogan Ismail scheint die Sonne an jedem Tag.

Fünf Fragen

Der Flughafentaxi-Fahrer

Aydogan Ismail, 62, wünscht sich keinen anderen Einsatzort als den Flughafen. Wie viele seiner Kollegen hat er im Laufe der Jahre eine philosophische Ader entwickelt.

Haben Sie ein Morgenritual?
Als Frühaufsteher steige ich um fünf Uhr aus den Federn. Ich begrüsse jeden Tag, den ich in Gesundheit verbringen darf, wie den Sonnenschein. Nach einem Kaffee und zwei Butterbroten orientiere ich mich im TV über die News. Dann fahre ich mit meinem Taxi von Zürich-Affoltern zum Flughafen. Ich arbeite in einem Rhythmus von vier Arbeits- und zwei Ruhetagen.

Was beinhaltet Ihr Job?
Ich fahre die Fahrgäste nicht nur von A nach B. Für viele ankommende Reisende bedeutet die Taxifahrt ab dem Flughafen den ersten Kontakt mit den Menschen unseres Landes. Dessen bin ich mir stets bewusst. Ich achte auf ein sauberes Erscheinungsbild des Fahrzeuges und meiner Person. Bin ich der Vorderste in der Wagenreihe, stehe ich neben dem Auto und begrüsse meine Gäste. Die Hilfsbereitschaft beim Einsteigen und beim Verstauen des Gepäcks prägt die ersten Eindrücke. Leider gibt es auch schwarze Schafe unter uns, die es an Höflichkeit fehlen lassen, etwa wenn Kunden mit viel Gepäck und Kleinkindern kommen und der Aufwand für die Kindersitze missfällt. Natürlich bin ich enttäuscht, wenn ein Kunde nach zweistündiger Wartezeit lediglich nach Kloten oder Glattbrugg zu fahren wünscht. Die Destination kann aber schon einmal auch St. Moritz sein. Das kostet dann 1000 Franken.

Welche Voraussetzungen müssen erfüllt sein, damit Sie Ihre Arbeit gerne machen?
Zufriedene Fahrgäste und eine gute Kameradschaft mit den Kollegen. Dafür bietet der Einsatzort Flughafen die besten Voraussetzungen. Hier kann keiner dem anderen Kunden streitig machen, sondern es geht schön der Reihe nach. Ich arbeite seit 21 Jahren am Airport und möchte niemals wechseln. Im Gegensatz zur Stadt bleiben wir von unangenehmen Fahrgästen wie Betrunkenen verschont. Deshalb ist die Fluktuation unter uns Chauffeuren sehr gering. Die Hälfte arbeitet seit etwa 20 Jahren am Flughafen. Eine Seltenheit in diesem Gewerbe. Uns vereinigt auch die Solidarität gegen die «Wischer». Das sind auswärtige Taxis von der Stadt und vom Land, die gegen unser Exklusivrecht verstossen und illegal Fahrgäste wegschnappen. Das hat schon zu Tätlichkeiten geführt.

Wie wichtig ist der private Ausgleich?
In jüngeren Jahren engagierte ich mich in meiner damaligen Wohngemeinde Bachenbülach in der Schulbehörde sowie im Wahlbüro. Zudem war ich Präsident des türkischen Eltern-Kinder-Vereins, wo ich mich für die Integrationsarbeit einsetzte. Heute nehme ich es in der Freizeit gerne ruhiger. Als ehemaliger Fussballprofi in Istanbul bleibt Bewegung für mich wichtig. Auch als Ausgleich zum vielen Sitzen im Taxi. Ich schwimme gerne und unternehme Spaziergänge wie zum Katzensee. Zudem bin ich leidenschaftlicher Koch.

Haben Sie einen Tipp für gute Laune bei der Arbeit?
Im Gegensatz zu einigen jüngeren Kollegen bin ich ein zufriedener Mensch. Natürlich entsteht Frustration, wenn die Fahrgäste ausbleiben und man stundenlang herumsteht. Manche Taxichauffeure bleiben dann, um trotzdem auf genügend Einnahmen zu kommen, bis zu 15 Stunden im Einsatz und geraten in eine gereizte Stimmung. Doch nach meiner Meinung bestraft man mit Jammern nur sich selbst. Ich bin ein gläubiger Mensch und empfinde eine innere Ruhe. Stets gute Laune beschert mir der Gedanke an meine zwei Töchter, die beide Hochschulabschlüsse besitzen. Die eine arbeitet bei der Unicef in New York, und die andere ist Primarlehrerin in der Schweiz.