Veröffentlicht am 10.01.2008TEXT: Christian Keller

Selbstevaluierte Qualität

Seit sieben Jahren gibt es das Qualitätslabel eduQua, das auf die Bedürfnisse des Weiterbildungsbereichs zugeschnitten ist. Seither sorgt das Gütesiegel für Qualität und Transparenz in der quartären Bildung. Jetzt interessieren sich auch andere Länder für das Schweizer Wundermittel gegen Wildwuchs auf dem Bildungsmarkt.

Früher war nicht alles besser. Das gilt besonders für den Bereich der Erwachsenenbildung. Erinnern wir uns: Als in den 90er-Jahren das Geschäft mit Informatikkursen boomte, drängten zahlreiche neue Anbieter auf den Markt. Es herrschte Wildwuchs – es gab weder Kontrolle noch Transparenz, einzig Mundpropaganda konnte einen vor unseriösen Anbietern bewahren. Vielleicht gehören Sie zu den Menschen, die damals zum ersten Mal in ihrem Leben einen Computerkurs besucht haben und dabei auf einen Kursleiter trafen, der offensichtlich zum erssten Mal in seinem Leben unterrichtete. Vielleicht staunten Sie nicht schlecht, als Sie am ersten Kursabend feststellen mussten, dass für die 25 Teilnehmerinnen und Teilnehmer nur zehn Rechner zur Verfügung standen – wovon allerdings nur vier betrieben werden konnten, weil die Mehrfachstecker fehlten. Und dann diese zusammengestiefelten Kursunterlagen…

Glaubwürdigkeit dank des transparenten Markts

Heute bleiben uns solche Überraschungen erspart. Die Einführung des Qualitätslabels eduQua im Jahr 2000 hat Licht in den Markt für Weiterbildungsangebote gebracht und zu einer Qualitätsoffensive geführt. Das ist auch nötig: Lebenslanges Lernen heisst das bildungspolitische Credo des 21. Jahrhunderts. Die Zeiten, in denen man sich in jungen Jahren einen «Rucksack fürs Leben» packte, sind längst vorbei. Nach Angaben des Bundesamtes für Statistik nehmen in der Schweiz jedes Jahr rund 40 Prozent der Wohnbevölkerung im Alter von 20 bis 74 Jahren an Weiterbildungskursen teil. Mit dem neuen Bildungsartikel (Art. 64a BV), den das Schweizer Stimmvolk im Mai 2006 angenommen hat, ist die Weiterbildung Bundessache geworden. Das neue Bildungsgesetz, mit dessen Ausarbeitung das Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) beauftragt ist, soll dereinst das lebenslange Lernen fördern und auch bildungsfernen Bevölkerungsschichten den Zugang zur Erwachsenenbildung erleichtern.
Lebenslanges Lernen wird immer mehr zum Normalfall. Die Branche freut’s – schätzungsweise zwei- bis dreitausend Wettbewerber teilen sich den wachsenden Weiterbildungsmarkt, ein paar grosse und sehr viele kleine; genaue Zahlen sind nicht erhältlich. Unabhängige Qualitätskontrollen liegen deshalb nicht nur im Interesse der Nachfrager, sondern auch der seriösen Anbieter. Ein transparenter Markt bewahrt vor unliebsamen Überraschungen und schafft Glaubwürdigkeit für die ganze Branche.

Mehr als 800 Weiterbildungseinrichtungen sind zertifiziert

Das eduQua-Zertifikat für Qualität in der Weiterbildung wurde in einer gemeinsamen Aktion der kantonalen Berufsbildungs- und Arbeitsämter, des Bundesamtes für Berufsbildung und Technologie (BBT), des Staats-sekretariats für Wirtschaft (SECO) und des Schweizerischen Verbandes für Weiterbildung (SVEB) ins Leben gerufen. Von Anfang an wurden damit drei Ziele verfolgt: die Sicherung der Qualität von Weiterbildungsinstitutionen, die Schaffung einer Grundlage für behördliche Entscheide (Zulassung zur
Offertstellung für Subventionen) und die Verbesserung der Transparenz im Bildungsmarkt für die Konsumentinnen und Konsumenten. Für Administration, Kommunikation und Controlling wurde die Geschäftsstelle eduQua mit Sitz in Zürich geschaffen. Die Zertifizierungsarbeit selbst wird von sechs unabhängigen, nichtstaatlichen Stellen besorgt. Inzwischen sind über 800 Weiterbildungseinrichtungen in allen Landesteilen zertifiziert. Das eduQua-Label bringt ihnen Marktvorteile, auch gegenüber Behörden: In immer mehr Kantonen gilt das Zertifikat als Voraussetzung, um in den Genuss öffentlicher Gelder zu kommen. Die Schweizerische Konferenz der kantonalen Erziehungsdirektorinnen und -direktoren (EDK) empfiehlt, staatliche Subventionen von einem Qualitätsnachweis wie eduQua abhängig zu machen.
eduQua ist auf die spezifischen Bedürfnisse des Bildungsmarktes zugeschnitten. Evaluiert werden nicht Inhalte, sondern Anbieter. Die Schulen müssen interne Standardprozesse beschreiben und belegen. Dabei gilt das Prinzip der Selbstevaluation, kontrolliert werden nur Stichproben. eduQua setzt in wesentlichen Bereichen Minimalstandards und ist damit in der Lage, sich an diesen sehr heterogenen Markt anzupassen – das Zertifizierungsverfahren eignet sich für so unterschiedliche Angebote wie Managementtrainings, Sprachkurse und Yoga. Bewertet werden Faktoren wie Kundenorientiertheit, fachliches und methodisch-didaktisches Know-how der Ausbildenden, die Nachhaltigkeit des Lernerfolgs und die Kommunikation. Ausserdem fördert das Label die Qualität von Angeboten, ohne den Markt zu verzerren. Denn die Zertifizierung ist vergleichsweise günstig, 3050 Franken beträgt der Grundtarif. Das können sich auch die kleinen Marktteilnehmer leisten.
Besonderes Gewicht wird auf die Anstrengungen der Anbieter für Qualitätssicherung und -entwicklung gelegt. Qualitätsmanagement ist ein kontinuierlicher Prozess, der mit dem Erwerb des eduQua-Zertifikats nicht abgeschlossen ist. Adrian Burkhardt, bei der Schweizerischen Vereinigung für Qualitäts- und Management-
systeme (SQS) verantwortlich für die eduQua-Zertifizierung, sagt: «Obwohl eduQua gar kein Qualitätsmanagementsystem ist, hat es auf die Qualität der Bildungsangebote enorme Auswirkungen. Die Hauptstärke des Labels ist, dass es Transparenz in den Markt bringt. Das zwingt die ausgezeichneten Institutionen zu zielgruppenorientierten Angeboten.» Die Qualität der Angebote sei in diesen sieben Jahren deutlich besser geworden, weil die methodisch-didaktische Kompetenz der Ausbildenden geprüft werde. «Für zertifizierte Unternehmen besteht ein Zwang, qualifizierte Lehrkräfte einzustellen. Der Unterricht ist dadurch interaktiver und lebendiger geworden.»

Die Anbieter zwingen, sich zur Decke zu strecken

«Qualitätsmanagement funktioniert wie ein Regelkreis», sagt Antonio L. Adrover, der als Business Development Manager der Sprachschule Flying Teachers in Zürich deren Qualitätsmanagement verantwortet: «Man erhebt den Ist-Zustand, definiert den Soll-
Zustand und überprüft mit geeigneten Instrumenten, ob die Ziele mit den getroffenen Massnahmen auch erreicht werden. Ein gutes Qualitätsmanagement macht den Zusammenhang von Ursache und Wirkung transparent.» Hier entfaltet eduQua seine geheimen Kräfte: Es zwingt die Anbieter, sich zur Decke zu strecken. Denn besser werden kann nur, wer ein Ziel vor Augen hat. «Mit Zieldeklarationen allein ist es aber nicht getan», sagt Adrover. «Die Vorgaben müssen überprüfbar und nachvollziehbar sein. Optimierung ist nur möglich, wenn auch kontrolliert wird, ob ein gestecktes Ziel erreicht wird.» Indem es die zertifizierten Anbieter auf eigene qualitätssichernde Massnahmen verpflichtet, ist eduQua äusserst effizient. Als Druckmittel dient das Zwischenaudit ein Jahr nach der Zertifizierung, bei dem geklärt wird, ob und wie sich die Institution weiterentwickelt hat und ob sie weiterhin aktiv Qualitätsentwicklung betreibt – im Extremfall kann einer Institution die Zertifizierung entzogen werden. Das Zertifikat gilt für drei Jahre und muss dann
erneut erworben werden.

Meinungen zwischen Anerkennung und Begeisterung

Damit die Qualitätsentwicklung funktioniert, braucht es diese externe Kontrolle. Der Markt, sagt Adrover, sei im Fall der Bildung nicht in der Lage, die Aufgabe der Qualitätssicherung zu erfüllen: «Bildung ist kein
‹Erfahrungsgut›. Die Nachfrager können schlechte Erfahrungen nicht rückgängig machen, etwa indem sie auf das Produkt verzichten oder es zurückgeben.» Deshalb hält es der Systemanalytiker für richtig, dass im Bereich der Bildung der Staat Rahmenbedingungen für ein effizientes und effektives Qualitätsmanagement setzt. «Dies bedeutet aber nicht, dass der Staat die Aufgabe der Qualitätssicherung auch selbst übernehmen muss.»
Wo immer man auch nachfragt, schwanken die Meinungen über eduQua zwischen Anerkennung und Begeisterung. Alethea Eriksson, Direktorin der Sprachschule The Language Company in Baden, hatte sich in der Vergangenheit schon kritisch über eduQua geäussert, weil mit dem Prinzip der Selbstevaluation keine fachliche Beurteilung der Kursangebote möglich sei. Heute distanziert sie sich von ihrer Kritik und sagt: «Jede Initiative zu mehr Professionalität in der Weiterbildung ist positiv. Besonders die schriftlichen Berichte der Zertifizierungsstelle haben immer sehr nützliche Hinweise enthalten. Sie haben uns geholfen, noch
besser zu werden.»
Ruth Jermann, Leiterin der Geschäftsstelle eduQua, bestätigt, dass zum ausführlichen Feedback der Zertifizierungsstellen besonders viele positive Rückmeldungen eingingen. «Ich höre immer wieder den Satz: ‹Die eduQua-Zertifizierung hat uns viel gebracht, wir wissen jetzt, wo wir stehen und wie wir besser werden können.›» Konsequenterweise evaluiert die eduQua-Geschäftsstelle auch ihre eigene Arbeit. Sie befragt neu zertifizierte Institutionen systematisch nach ihren Erfahrungen mit dem Zertifizierungsverfahren. Dabei, so Jermann, zeige sich eine grosse Zufriedenheit. Zum gleichen Ergebnis kam 2002 eine Umfrage unter zertifizierten Institutionen: Der Prozess der Zertifizierung wurde von den meisten als positiv beurteilt. Viele attestierten, dass das Zertifizierungsverfahren die Weiterentwicklung ihres Qualitätsmanagements gefördert habe.
Das Prinzip der Selbstevaluation, das gelegentlich zu Kontroversen führt, verteidigt Jermann vehement: «Die Selbstevaluation ist eine Stärke von eduQua. Sie bewirkt eine Selbstregulierung und fördert die Entwicklung.» Adrian Burkhardt von der Zertifizierungsstelle SQS bestätigt: «eduQua zwingt die Anbieter zur Selbstkontrolle. Das System funktioniert.» Noch ein gewichtiges Argument spreche für die Selbstevaluation, sagt Jermann: «Konkrete Kontrollen wären teuer. Kleine Anbieter könnten nicht mithalten und würden vom Markt verdrängt.»

Interesse und Anfragen aus dem Ausland

Aus Sicht der Zertifizierungsstelle zeigt sich in anderer Hinsicht Handlungsbedarf. Die Zertifizierungsmechanismen von eduQua seien vor allem auf kleinere Unternehmen zugeschnitten, sagt Adrian Burkhardt. Im Bildungsmarkt spielten aber auch grosse Player wie die Klubschule Migros oder die Bénédict-Schulen mit, die Hunderte von Kursen anböten. «Für sie ist eduQua eigentlich eine Schuhnummer zu klein», sagt Burk-hardt und erklärt: «Bei einem kleinen Anbieter werden im Verlauf weniger Jahre alle Kurse einmal extern überprüft. Bis sämtliche Kurse eines Branchenriesen einmal evaluiert sind, vergehen theoretisch Jahrzehnte, weil jedes Mal nur ein kleiner Teil des Angebots geprüft werden kann. Das ist unverhältnismässig.» Burkhardt würde deshalb schärfere Bestimmungen für grosse Anbieter begrüssen. «Grosse sollten für den Qualitätsnachweis mehr leisten müssen als die Kleinen. Für einen kleinen Betrieb mit zwei oder drei Angestellten bedeutet es einen enormen Aufwand, den Qualitätsnachweis für seine Kurse zu erbringen. Da darf von den Grossen schon etwas mehr verlangt werden.»
Dass die eduQua-Zertifizierung in der Zukunft unter die Räder von EU-Normen geraten könnte, befürchtet Jermann nicht. «Wir sind Pioniere mit unserem Know-how», sagt sie. «Es gibt kein anderes Label, das Institutionen und ihre Trainer bewertet.» Auch Adrian Burkhardt kennt kein vergleichbares europäisches Qualitätszertifikat für die Weiterbildung. Die ISO-9001-Norm für Qualitätsmanagementsysteme würde sich zwar grundsätzlich eignen, sagt er. Doch sie sei sehr allgemein gehalten und entsprechend komplex. «Damit ISO 9001 im Bildungsbereich eingesetzt werden kann, ist viel Übersetzungsarbeit nötig; für kleine Anbieter ist das nicht praktikabel. eduQua hingegen ist ein niederschwelliger Standard. Das ist eine der grossen Stärken des Labels.»
Könnte das eduQua-Modell umgekehrt für die EU interessant sein? Ruth Jermann winkt ab: «Ich glaube nicht, dass sich die EU mit eduQua abgibt.» Trotzdem: Das Zertifikat wird auch jenseits der Landesgrenzen wahrgenommen und interessiert beobachtet. «Das Label wird im Ausland als sehr gut eingeschätzt. In Deutschland beispielsweise wird es aber als zu leicht befunden, weil eine Evaluation auf wissenschaftlicher Ebene noch fehlt», sagt Jermann. Es habe eine Anfrage aus Polen gegeben, wo man das Modell prüfen wolle. Neulich habe sich auch ein Regierungsmitglied aus dem österreichischen Bundesland Kärnten über eduQua informiert und sei ganz begeistert gewesen. Auch Adrian Burkhardt von der SQS weiss von Regierungen zu berichten, die auf eduQua aufmerksam geworden sind: «Eine international tätige Firma hat sich bei uns eingehend über eduQua informiert. Sie prüft das Schweizer Zertifikat im Auftrag der tschechischen Regierung.» Ob sich eduQua vielleicht doch dereinst zu einem internationalen Label entwickeln könnte? Ruth Jermann bleibt vorsichtig, will aber nicht ausschliessen, dass das eduQua-Zertifikat vielleicht dereinst in Lizenz weitergegeben wird.
Zurzeit erarbeitet die Geschäftsstelle aufgrund der Erfahrungen der Zertifizierungsstellen und der Rückmeldungen der Zertifizierten ein neues Handbuch. Es ist bereits das dritte. Die «eduQua-Bibel» richtet sich an interessierte Institutionen, Zertifizierer und Zertifizierte. Sie soll möglichst alle Fragen rund um eduQua beantworten und erscheint nächstes Jahr.