Veröffentlicht am 11.01.2008TEXT: Matthias Giger

PvB mit Sendungsbewusstsein

Obwohl es bei Stage-on-air ums Radiomachen geht, ist das primäre Ziel nicht, Nachwuchs für die Radiolandschaft auszubilden. Im Zentrum steht für die Teilnehmenden die berufliche Integration.

Das Gebäude und die Inneneinrichtung von Stage-on-air und dem Muttersender Radio KanalK machen eines schnell klar: Wohlstand ist hier im Industriegebiet von Aarau nicht ausgebrochen. Das Mobiliar erinnert ein wenig an eine Brockenstube. Die Studios wirken ebenfalls nicht besonders modern.
Die Technik sei nicht auf dem neusten Stand, aber sie erfülle den Zweck, sagt Michael Berger, Gründer des Aargauer Lokalradios KanalK und Co-Leiter des kantonalen Beschäftigungsprogramms Stage-on-air.
Ausserdem habe man bei alten Mischpulten wenigstens noch einen Bezug zwischen Ursache und Wirkung, etwa wenn man einen Hebel hoch fahre und gleich höre, dass nun ein Mikrofon offen sei. Fast schon nostalgisch stimmen die dekorativ herumstehenden antiken Bandmaschinen. Auch wenn mit ihnen nicht mehr gearbeitet wird, vermitteln sie doch einen Eindruck, woher der Begriff «schneiden» beim Radiomachen stammt.

Von Kindesbeinen an fasziniert vom Medium Radio

Samuel Fasnacht, als Programmteilnehmer in der Arbeitsgruppe Studiotechnik und Computer beschäftigt, schätzt es jedenfalls, dass das Equipment nicht auf dem neusten Stand ist: «Mit den alten Geräten zu arbeiten, ist cool. Man erfährt dabei, wie die moderne Technik auf der alten aufbaut.» Den 24-Jährigen nerven bloss die alten Computer etwas, weil die so langsam sind, vor allem, wenn man darauf Sounddateien schneiden sollte. Dafür gefällt ihm an Stage-on-air, dass er hier so viel Praxiserfahrung sammeln kann. Sein Chef ist gelernter Radio- und Fernsehtechniker, und einer der beiden Zivildienstleistenden, die die Geschäftsleitung von Stage-on-air unterstützen, ist gelernter Elektroniker. Von beiden könne man sehr viel lernen.
Fasnachts Aufgaben sind vielfältig. Er repariert Geräte, stellt die Übertragung bei Anlässen sicher, checkt täglich die Studios, ist Laufbursche, wenn es irgendwo brennt, leistet PC-Support und gibt Einführungskurse in die Studiotechnik. Das alles soll ihm später zugute kommen, denn Samuel Fasnacht interessierte sich für das PvB Stage-on-air, weil er sich zum Tontechniker ausbilden lassen will. Der gelernte Hochbauzeichner hat schon als Kind ständig Geräte auseinandergenommen. Er spielt in einer Band und sein Onkel besitzt ein Tonstudio. Die Voraussetzungen für eine erfolgreiche Neuorientierung sind also gut.
Auch Patrick Vogt hat in der Redaktion von Stage-on-air die Möglichkeit, das zu tun, was er schon immer wollte. Von Kindesbeinen an war er fasziniert vom Medium Radio. Er begann eine Lehre als Kunststofftechnologe, brach sie allerdings ab und machte eine Bürolehre und das KV. Selbst wenn es mit einer Stelle im Radiojournalismus nicht klappen sollte, so lerne er hier viel, meint der 33-Jährige. Zum Beispiel das Reden, das bislang nicht wirklich seine Stärke gewesen sei, oder das Texten. Zudem könne man menschlich profitieren, denn hier würden Leute von 20 bis 60 Jahren aufeinandertreffen. Patrick Vogt betont, dass das Lernen hier besonders viel Spass mache, weil man auch herumkomme.
Christian Leibundgut, der bei Stage-on-air als Coach arbeitet, sieht das grundsätzlich ähnlich. Radio mache Spass, bedinge aber auch ein gutes Zeitmanagement. Und damit seien die Teilnehmenden oft überfordert. Der Coach stellt fest, dass sich der Trend gewendet hat und vermehrt Leute bei Stage-on-air sind, die weniger fachliches Know-how mitbringen als frühere Programmteilnehmende. Sie sind häufig von der Langzeitarbeitslosigkeit gezeichnet und müssen gezielter gecoacht werden.
Das erfährt auch Nicole Wittig, Redaktions- und Kursleiterin sowie Coach bei Stage-on-air. Jeder Teilnehmende erhält ein individuelles Coaching. Zudem besuchen alle die radiospezifischen Kurse, egal in welcher Arbeitsgruppe sie sind. Niemand wird gezwungen, regelmässig eine Sendung zu moderieren, wenn man merkt, dass ihm dies einfach nicht liegt. Nicole Wittig betont, es sei nicht das primäre Ziel, alle Programmteilnehmenden in der professionellen Radiolandschaft unterzubringen. Aber wenn man einen solchen Stage einmal absolviert habe, sei zumindest das Selbstvertrauen wieder aufgebaut und man nehme sicher ein gutes Zeitmanagement mit. Wenn sie oder andere Kursleitende ein Talent entdeckten, würde man mit diesem
gemeinsam die Grundlagen erarbeiten, um gegebenenfalls den Einstieg in die Medien zu schaffen.

Die Teilnehmenden lernen auch filmen

Die Leistungen von Stage-on-air sind beachtlich. Die Musikredaktion ist rund um die Uhr damit beschäftigt, Titel zu hören, sie in digitale Form zu bringen und die Tonträger zu archivieren. Das Musikprogramm umfasst alles von Country über World Music bis TripHop, und zwar von der Schülerband bis zu internationalen Stars. Die Mitglieder der Redaktionsgruppe produzieren jeweils freitags eine einstündige Kultursendung, die den Anforderungen des tagesaktuellen Journalismus genügen soll. Daneben lernen alle «Stagiaires» an Hand von Kurzfilmprojekten, Ton im Medium Film sinnvoll einzusetzen. Sie berichten überdies von Film- und Musikfestivals, eine Hörspielwoche oder spontane Hilfe bei kulturellen Events bereichern die Arbeit. Wer
im Beschäftigungsprogramm Stage-on-air mittut, ist mehr als beschäftigt.