Veröffentlicht am 17.09.2014VIDEO: Carmen Püntener

Thorsten_Meito_Gangart_Stelzentheater

Leben im Zirkuswagen

Wo sich Biber und Frosch gute Nacht sagen

Dort, wo Thorsten Meito zu Hause ist, fühlen sich auch Sumpfschildkröten und Eisvögel wohl. Auf dem Gelände einer ehemaligen Spinnerei in Freienstein (ZH) durfte der 42-Jährige vor einigen Jahren seine Zirkuswagen parkieren. Seither lebt er idyllisch zwischen Töss, Fabrikgelände und einem künstlich angelegten Kanal.

In der Wiese zirpen Grillen, vom Kanal ertönt das Quaken der Frösche. Das Grün hat sich auf dem Gelände der ehemaligen Spinnerei seinen Platz zurückerobert. Und doch ist das Leben von Thorsten Meito in der Wagensiedlung in Freienstein (ZH) nicht nur romantisch: «Wenn nachts der Sturm wütet, muss ich schon mal in aller Frühe ein kapputtes Fenster abdichten oder einen geplatzten Wasserschlauch flicken», sagt der ehemalige Zirkusartist. «Es verlangt viel Disziplin und persönlichen Einsatz, so zu leben.»

Zusammen mit Stefan Bächli, der den Nachbarwagen bewohnt, tüftelt Thorsten Meito an neuen Ideen für seine Performancegruppe «Gangart» herum. In der ehamligen Spinnerei haben die beiden Artisten eine Halle als Übungsraum gemietet.

Artistik in luftiger Höhe

«Gangart» bewegt sich üblicherweise drei Meter über dem Boden, auf hohen, selbst konstruierten Stelzen. Die Gruppe besteht seit 14 Jahren und umfasst je nach Auftrag 2 bis 14 Bewegungskünstler. Sie stolzieren hauptsächlich über Festivalgelände, öffentliche Plätze oder überfallen Firmenevents: Von Geiern und Spinnen bis hin zu flammenspeienden Feuerwesen haben die Stelzenläufer eine ganze Anzahl von Figuren im Repertoire. «Das Stelzen kann jeder erlernen, unabhängig von der Fitness», sagt Thorsten Meito. «Wenn es jemand nicht schafft, dann liegt dies nicht an der Kraft, sondern am Mut, sich mit den verlängerten Beinen ins freie Feld zu wagen.»

Thorsten Meito, 42, ist in Winterthur geboren und in Zürich aufgewachsen. Seine Eltern stammen aus Deutschland und Finnland. Er hat an der Zirkusschule Budapest Handstand und Partnerakrobatik studiert, sich anschliessend in Clownerie und Schauspiel weitergebildet. Aktuell absolviert er die Ausbildung zum Theaterpädagogen, arbeitet als Sportlehrer und ist mit dem «Gangart Stelzentheater» unterwegs.

Bevor er sich für das sesshafte Leben entschied, war Thorsten Meito als Akrobat und Zirkuskünstler unter anderem mit dem Zirkus Chnopf, Karls Kühne Gassenschau und mit Schönauers Broadway Variété auf Tournee. Seine beiden Kinder Monja und Mikko sind im Zirkuswagen geboren. Die beiden sind heute 12 und 14 Jahre alt und leben bei ihrem Vater und dessen Freundin in der Freiensteiner Zirkuswagensiedlung. Im Winter muss die Familie viel Holz hacken, um die vier eigenen Wagen einzuheizen.

Eigeninitiative gefragt

Nicht ohne Stolz zeigt Thorsten Meito sein kleines Reich. Durch den Schlauch fliesst frisches Wasser in den Küchenwagen, zwischen den Wagen erstreckt sich eine Holzveranda, die Tigerkatze räkelt sich in der Sonne, überall stehen Töpfe mit Blumen und Kräutern. Für seine Freundin hat Thorsten Meito einen alten Bauwagen zum Büro und Schlafzimmer umgebaut. Sein persönliches Highlight aber ist die selbst kreierte Aussenbadewanne am Kanal, in dem manchmal einer der drei ansässigen Biber vorbeischwimmt.

Thorsten_Meito_Zirkuswagensiedlung_Freienstein_ZH

Publikumsbegleiter an der Kleinkunstrallye

Sein aktuelles Engagement führt das «Gangart Stelzentheater» an die Kleinkunstrallye nach Winterthur. Bei dieser folgt das Publikum einer festgelegten Route und besucht verschiedene Kleinkunsthäuser, wo Kulturschaffende Ausschnitte aus ihrem Programm zeigen. Als Schmetterlingsfiguren begleiten Thorsten Meito und Stefan Bächli das Publikum auf ihrem Spaziergang und treiben den einen oder anderen Unfug in der Altstadt.

Gangart_Stelzentheater_Kleinkunstrallye_Winterthur