05.10.2015
FOTOS UND TEXT: Hakan Aki

Thomas Gottschalk liest aus seinem Buch «Herbstblond» – für einmal nicht unter grossen Scheinwerfern.

Autobiografie

Von Goldblond zu «Herbstblond»

Seine Sendung ist ebenso Kult wie er als Moderator. Ganze 151 Mal war Thomas Gottschalk mit «Wetten, dass ..?» in den deutschsprachigen Wohnzimmern zu Gast. Im «Kaufleuten» in Zürich gab es den Blondschopf hautnah.  

Der Kultursaal im «Kaufleuten» in Zürich ist bis auf den letzten Platz besetzt. Der Veranstalter des Abends kündigt ihn an als «den Einzigartigen». Diesmal kommt Thomas Gottschalk nicht mit Hilfe der Fernsehgeräte in die Wohnzimmer; er steht leibhaftig vor seinen Zuschauern. Mamas, Papas, Kinder, sogar Omas und Opas sind gekommen, um zu erleben, wie der Entertainer aus seiner Autobiographie «Herbstblond» liest.

Als «Thommy» – wie ihn seine Fans nennen – die Bühne betritt, steht die Halle kopf. «Wer jetzt auf die erste Wette wartet oder auf Madonna, der muss lange warten. Denn das ist das, was von mir übrig geblieben ist», sagt Thomas Gottschalk und begrüsst sein Publikum. Wenn das von ihm Übriggebliebene immer noch für stehende Ovationen reicht, dann ist der 65-Jährige wohl nicht ganz am Ende seiner «One-Man-Show» angelangt.

Top, die Wette gilt!

«Letzten Samstag habe ich eine Benachrichtigung bekommen, in der es hiess: Heute vor 28 Jahren moderierte Thomas Gottschalk zum ersten Mal ‹Wetten, dass ..?›.» Mit diesen Worten beginnt die Lesung. Für einmal wird der Talkmaster nicht von grossen Scheinwerfern beleuchtet, sondern muss sich mit einer kleinen Leselampe zufrieden geben. Er liest dabei auch Passagen, die nichts mit Glimmer und Glamour zu tun haben, kommt aber immer wieder auf seine Erlebnisse mit den Weltstars zurück. 

Thomas Gottschalk bei der Präsentation im Zürcher «Kaufleuten».

«Wetten, dass ..?» hatte zu Gottschalks Anfangszeiten einen Zuschauerschnitt von 16 bis 18 Millionen pro Sendung. Dies entsprach einem Marktanteil von bis zu 55 Prozent. 

Thomas Gottschalk sieht den Erfolg der Sendung darin, dass aus zwei unterschiedlichen Welten für wenige Stunden eine Welt wurde: «Jeder hat eine Tante, die sich viel merken kann, oder gar einen Opa, der im Keller Unsinn treibt», sagt Gottschalk. «Dass ein gewöhnlicher Bürger plötzlich aus unnützen Begabungen Kapital schlagen und dabei noch Smalltalk mit Paul McCartney oder Britney Spears machen konnte, das hatte es vorher im deutschen Fernsehen nicht gegeben.» 

Ausser der Queen und dem Papst hätten fast alle internationalen Promis auf der Wettcouch Platz genommen. «Von Michael Jackson über Steven Spielberg zu Leonardo DiCaprio – alles, was in Hollywood Rang und Namen hat, stattete uns bei ‹Wetten, dass ..?› einen Besuch ab.» 

O’Toole, Brosnan und Co.

Immer wieder schweift Thomas Gottschalk vom Buch ab und plaudert aus dem Nähkästchen. Über den Schauspieler Peter O’Toole, besser bekannt als Lawrence von Arabien, verrät der Moderator: «Der hatte einen im Tee, weshalb ihm ständig der Kopf zur Seite kippte. Dabei fiel ihm jedes Mal der Ohrstöpsel heraus, über den er den Dolmetscher hörte. Dies schien er nicht zu bemerken, denn er redete munter weiter. Jedoch wussten weder er noch ich, worüber.»  

Auch einen Einblick in seine Arbeit hinter den Kulissen gab der Entertainer: «Ich hatte persönlich Pierce Brosnan in die Sendung eingeladen. Er war gerade auf Promo-Tour für seinen neuen Film. Die Saalwette lautete, dass 50 Hausfrauen einmarschieren, die aussehen wie James Bonds Mrs. Moneypenny, und Pierce Brosnan hätte alle 50 küssen müssen.» 

Über das, was dann hinter der Bühne geschah, erzählt Thomas Gottschalk: «Nachdem Brosnan von der Bühne gegangen ist, höre ich den Manager schimpfen: ‹Wir gehen, wir gehen jetzt!›.» Für die Aufregung revanchierte sich Gottschalk später bei Brosnan mit Zigarren.

Thomas Gottschalk erzählt, dass ihm die Einlösung verlorener Wetten mehr Nerven gekostet habe als alles andere: «Schauspielerin Faye Dunaway hatte sich bereit erklärt, im Dirndl mit mir auf das Oktoberfest zu gehen. Sie liess mich aber stundenlang im Hotel warten, während ich verschiedene Outfits probierte, von denen mir keines gefiel. Wir kamen gerade auf der Theresienwiese an, als die Zelte zumachten.»

Wiedervereinigung nicht mehr möglich

Als Ende des letzten Jahres das Aus von «Wetten, dass ..?» verkündet wurde, stellten sich viele die Frage nach dem Warum. «Die Namen der Gästeliste des 20. Jahrhunderts waren jedem Zuschauer ein Begriff», sagt Thomas Gottschalk. «Heute hat Heidi Klums ‹Topmodel› eine Halbwertszeit von zwei Monaten, der ‹Dschungelkönig› eine von zwei Wochen.» Das junge Publikum lebe in einer anderen Welt als das ältere. «Somit kann mein Versuch, den grossen Deckel über beide zu stülpen und sie damit auf dem Fernsehsofa kurzfristig wieder zu vereinen, nicht mehr funktionieren.» 

Neben seinen Ausführungen zu seiner Arbeit auf der Fernsehbühne gewährte der Bayer während der Lesung auch einen Einblick in sein Familienleben. Thomas und Thea Gottschalk sind seit 1976 verheiratet und haben mit Roman und Tristan zwei erwachsene Söhne. Der 65-Jährige erzählt vom Hochzeitsabend: «Ich war damals noch beim Radio und musste am Abend das amerikanische Pop-Duo The Carpenters interviewen. Ich war froh, wieder aus dem blauen Anzug rauszukommen. Meine Frischvermählte hat mir nie Vorwürfe gemacht, dass der schönste Tag unseres Lebens nur bis kurz nach dem Mittagessen dauerte.» 

 Als Ersatz für die Hochzeitsreise machte das Ehepaar eine Tour durch Südeuropa, verrät der Showmaster. «Wir hatten bis Südfrankreich geplant und merkten in Sizilien, dass wir uns nicht nur streckentechnisch, sondern auch finanziell verrechnet hatten.

Aus dem Leben 

«Herbstblond» ist eine unterhaltsam geschriebene Autobiografie, in der sich der Moderator passagenweise nachdenklich zeigt. Spannend für jeden, den Thomas Gottschalk als TV-Moderator durch seine Jugendjahre begleitet hat.

Herbstblond
Heyne Verlag, München, 2015
368 Seiten, Fr. 28.90 

ISBN 978-3-453-20084-5

Was wäre Thomas Gottschalk ohne «Wetten, dass ..?» Jetzt ins Mediengespräch reinhören:

«Du siehst aus wie Gottschalk»

Nun hat Thomas Gottschalk das Rentenalter erreicht. Hier und da wird ihm aber bestätigt, dass er jünger aussieht, als er ist. Dies tat auch ein Berliner, von dem der Entertainer erzählt: «Ich stand gerade im Aufzug, als ein Berliner zu mir in den Lift stieg: ‹Sach ma, hat dir schon mal ena jesacht, dedde aussehn tust wie de Jottschalk?› Ich antwortete: ‹Das passiert mir öfters.› Worauf mir der Berliner riet: ‹Damit kannste Jeld vadien›, und ich antwortete: ‹Aber nicht so viel wie er›, und der Berliner sagte tröstend: ‹Macht nischt, dafür bist du zehn Jahre jünger.›»

Gottschalk, dem die englische Musikgruppe Deep Purple persönlich zum 65. Geburtstag gratulierte, sass knapp zwei Stunden auf der «Kaufleuten»-Bühne. Die knapp 420 Anwesenden dankten es ihm wie zu Beginn mit einer Standing Ovation.