09.06.2015
FOTO UND TEXT: Ines Schöne

Unternehmer und Führungspersonen diskutieren ihre Firmenkulturen: David Allemann (v.l.), Suzanne Thoma, Kevin Schläpfer, Rolf Hiltl, und Moderatorin Mona Vetsch am Swiss Economic Forum 2015.

Unternehmenskultur

Von Diven und Bratpfannen

«Wir passen nicht zusammen.» Auch diese Erkenntnis macht Kultur innerhalb einer Firma sichtbar, oft sogar deutlicher als messbarer Erfolg oder ein philosophisches Leitbild. Unternehmen können sich in Freundschaft von unpassenden Mitarbeitenden trennen und ihre Kultur damit bewahren.

Der Schauplatz ist die Küche eines renommierten Hotels in Zürich: Der neue Kochlehrling bittet den Casserolier um das Abwaschen einer schmutzigen Pfanne. Er denkt, dies sei so üblich. Aber statt ihm den Gefallen zu tun, schleudert ihm der Abwäscher das Bratgeschirr kurzerhand entgegen. 

Wie unterschiedlich sich Unternehmenskulturen gestalten können, darüber diskutierten vier namhafte Schweizer Führungspersönlichkeiten am diesjährigen Swiss Economic Forum in Interlaken.

Wertschätzung in jeder Situation 

Heute ist der ehemalige Kochlehrling Rolf Hiltl Geschäftsführer des Zürcher «Hiltl», des ältesten vegetarischen Restaurants der Schweiz. Bratpfannen werfen gibt es bei ihm nicht. Bei Aggressionen geht er dazwischen. 

Klarheit in der Sache und Transparenz im Umgang sind ihm wichtig. Im Ausnahmefall kann ihm passieren, dass er laut wird, aber er findet, dass diese Ehrlichkeit sich lohnt, denn sie schafft Vertrauen.

Barmherzigkeit gegenüber den Schwächen seiner Mitarbeitenden ist der zweite grosse Wert für Rolf Hiltl. Er sehe jeden Menschen als Teil der Schöpfung und liebe ihn gleichermassen – genau wie sich selbst, sagt der bekennende Christ. 

Können seine Angestellten dabei nicht mitreden? Grundsätzlich stehe der christliche Wertekatalog fest, aber wer eine gute Idee habe, könne diese einbringen, sagt Rolf Hiltl. 

Wer nichts einstecken kann, muss gehen

Der Trainer des EHC Biel, Kevin Schläpfer, geht noch weiter in seiner Direktheit. Er verlangt, dass sich seine Spieler «in die Schüsse werfen», ohne Angst vor Verletzungen. Und wer diese Opferbereitschaft nicht bringt, wird im Beisein aller kritisiert.

So wollte sich ein aus Kanada eingekaufter Spieler nicht recht ins Zeug legen. Das fand der Trainer dem Team gegenüber unfair. Ausgerechnet der teuerste Mann markiert die Diva? Nach dem Spiel wies er ihn zurecht und biss auf Granit. Es kam zur Auseinandersetzung, in der beiden Parteien schnell klar wurde, dass sie nicht zueinander passen. So trennten sie sich in Freundschaft.

Von seinem Stil wich Kevin Schläpfer kein Jota ab. Fehler beim Spielen diskutiert er, aber seine Kultur der Offenheit nicht. Er setzt sich der Mannschaft gegenüber autoritär durch, dafür sei er vom Verein eingesetzt.

Dabei steht Menschlichkeit auch für Kevin Schläpfer im Vordergrund, inklusive guter Stimmung ohne Gerede hinterm Rücken.

Auf Schwarmintelligenz setzen

Laute Kritik in der grossen Runde gehört nicht zur Kultur der Chemie-Ingenieurin Suzanne Thoma, die den Stromerzeuger BKW Energie führt. Als sie das Unternehmen vor zweieinhalb Jahren übernahm, hätten die technischen Anlagen bereits eine hohe Qualität gehabt, dank der Kultur ihrer Vorgänger, langfristig zu planen und dabei kurzfristig keine Kosten zu scheuen.

Sie lerne gerade, dass auch Ingenieure über das Herz gewonnen werden wollen. In Richtung Herz und Sinn möchte sie ihre Unternehmenskultur verschieben. Weder der Top-down- noch der Bottom-up-Ansatz treffe auf die BKW zu. «Wir haben eine Art Schwarmintelligenz, die auf Konsens beruht.»

Gestaltungswillen offen zeigen

Die dynamische Unternehmenskultur der Laufschuhmarke «On» wird dagegen direkt von den Mitarbeitenden geprägt. Kommt der Jungunternehmer David Allemann am Anfang der Woche ins Büro seiner Firma, findet er eine neue Sitzordnung vor und hat an seinem grossen Tisch einen neuen Nachbarn. 

Seine mittlerweile 60 Mitarbeitenden haben viel Gestaltungswillen, gehen aktiv auf andere zu und fordern von ihren Kollegen Leistung ein. «Sie sind transparent und offen», sagt der Geschäftsführer von «On».

In der Mittwochsitzung würden alle nicht nur ihre Highlights, sondern auch ihre «Lowlights» bekannt geben. Wer möchte, diskutiert anschliessend über mögliche Lösungen.

«Die Kultur bei ‹On› wird im Moment von den Mitarbeitenden gestaltet, ein typischer Bottom-up-Ansatz», sagt der Jungunternehmer. Die japanischen Kollegen aus der Niederlassung in Yokohama kämen jeweils für einen Monat nach Zürich, um den Geist der Firma mitzuerleben und diesen dann in Japan zu etablieren.

Passende Bewerber einsetzen

Unternehmenskultur kann düpieren, überraschen oder fordern, je nachdem, wie eine Firma sie gestaltet. Je besser Führungspersonen die eigene Kultur kennen würden, desto genauer könnten sie Mitarbeitende auslesen, die am besten passten, lautete das Fazit der Podiumsteilnehmenden am diesjährigen Swiss Economic Forum.

Unternehmenskultur
Das Gabler Wirtschaftslexikon definiert Unternehmenskultur als die Gesamtheit der «Werte, Normen und Einstellungen, die Handlungen und das Verhalten» der Mitarbeitenden prägen. Der Arbeitspsychologe Theo Wehner erfasst den Begriff aus praktischer Sicht. Er definierte während der Diskussionsrunde des Swiss Economic Forum 2015 den Begriff Unternehmenskultur als die Art, «wie wir die Dinge machen». Wer wie was herstelle, sei die entscheidende Frage. Fehler gehören aus seiner Sicht unbedingt dazu. Dagegen seien Diskussionen um eine «Fehlerkultur» sowie um Organigramme und Zuständigkeiten nicht zielführend für ein Unternehmen, das seine Kultur verändern möchte.