24.06.2016
FOTOS UND TEXT: Julia Antoniou

Gefallen auch der Flexitarierin: vegane Schuhe in der Zürcher Boutique Sanikai.

Tierfrei shoppen und essen in Zürich

Vegane Tour d’Horizon

Vegan ist längst nicht mehr nur das Sojajoghurt, das Seitanschnitzel oder der Vegi-Burger. Vegan sind auch die Sommershorts, die Lippenpomade oder das Proteinpulver für den Bodybuilder. Ein Rundgang zu den Hotspots des veganen Lifestyles in Zürich gibt einen Einblick in ein Geschäftsfeld, das eifrig bearbeitet wird.

Eva’s Apples am Zürcher Schaffhauserplatz präsentiert sich als veganer Tante-Emma-Laden ... ... im trendigen Retrolook. Sein Angebot ist auch online erhältlich. Hier findet die Kundschaft alles für die sogenannt pflanzenbasierte Nahrung. In den Regalen ist alles, was das Veganerherz begehrt: «Milch» aus Nüssen und Getreiden in Bioqualität und «frei von ...». Das bekannte Vitamin B12, das vor allem in Fleisch enthalten ist, müssen sich Veganer ergänzend zuführen, um keine Mangelerkrankung zu riskieren. «Vleisch» aus Soja, Seitan oder Tofu. Solche Produkte ersetzen den Veganern das Steak. Noch mehr «Vleisch». No-Muh und anderer veganer «Käse». Tofu in allen Geschmacksrichtungen. Ravioli, die Glück in Pasta versprechen. Der vegane Seelentröster ihrer Kollegin ist der Proteinstängel mit Chocolate-Peanut- Butter. Mayonnaise ohne Ei. «Schakalode», garantiert ohne Milch. Eva’s Apples: Der vegane Tante-Emma-Laden Veganer Wein, ohne tierisches Eiweiss geklärt. Proteine: Denn immer mehr Kraftsportler und Kraftsportlerinnen ernähren sich vegan. Und zunehmend stossen Männer zur veganen Szene. «Vleischloses» Futter in Bioqualität für den veganen Hund. Die vegane Zahnbürste mitsamt Zahnpasta zur Vitamin-B12-Supplementierung. Alles für die vegane Schuhpflege. Vegane Lektüre. Das vegane Anschlagbrett.
Eva’s Apples: Der vegane Tante-Emma-Laden. Fotos: Julia Antoniou
Unweit des Zürcher Limmatplatzes empfängt das Elle’n’Belle alle, die «Geist, Herz und Verstand für eine Lebensform öffnen wollen». Also neben den «eingevleischten» Vegetariern auch Zweifler und Neulinge. Die Zukunft des Fleisches ist vegan, sind die Macherinnen von Elle’n’Belle überzeugt. Das Durchstöbern der Menükarte macht sichtlich Spass. Sie ist lifestylig gestaltet und witzig getextet: «Modern Love» heisst das Dinkel-Seitan-Geschnetzelte, «Nirvana» die glutenfreie Salatschüssel oder «Death by Chocolate» die handgemachten Pralinés. Die Teller präsentieren gut. Und das herumschweifende Auge findet überall hübsche Stillleben im angesagten Vintagestil, an denen es sich sattsehen darf. Das erfolgreiche Restaurant steht für Rock ’n’ Roll in der Küche und rockt auch sonst die Szene. An den erstmals durchgeführten Swiss Vegan Awards am veganen Streetfood-Festival Vegana diesen Mai gewann es in der Kategorie «Best of the Best».
Elle’n’Belle: Das Restaurant mit Vegan-Award. Fotos: Julia Antoniou

Wer vegan lebt, tut dies meist mit der Absicht, keine Tiere zu töten und so wenig Leid wie möglich anzurichten. Aus diesem Grund gehen konsequente Veganer und Veganerinnen häufig über die Ernährung hinaus und bevorzugen auch im Non-Food-Bereich Produkte, die nicht aus tierischen Materialien hergestellt sind und zu deren Herstellung keine Tiere benutzt wurden. 

Cristina Roduner, Geschäftsführerin und Mediensprecherin der veganen Gesellschaft Schweiz

«Bei einer veganen Lebensweise geht es nicht darum, möglichst perfekt zu sein, der Leitspruch lautet deshalb ‹Das Vermeidbare vermeiden›. Die Grundlage für das Handeln von Veganern und Veganerinnen bilden in der Regel moralisch-ethische Überlegungen, und das Ziel heisst ‹Tierrecht›. Eine vegane Lebensweise ist ein Mittel zur Erreichung dieses Ziels.»

Cristina Roduner, Geschäftsführerin und Mediensprecherin der veganen Gesellschaft Schweiz
Der Duft von Wiediker Würstli, Bratwurst, Cervelats und Pouletschenkel liegt in der Luft. Gleichwohl gedeiht in Zürichs urbanem Biotop «Frau Gerolds Garten» der vegane Lifestyle. Seit Februar 2016 gibt es in der Boutique Sanikai «Ethical Vegan Clothing» zu kaufen. Also vegane Bekleidung, die nach ethischen Grundsätzen produziert ist. Vegan, ökologisch und fair. Das Interieur des Ladens ist aus dem nachwachsenden Rohstoff Holz gestaltet. Das Sortiment: klein, übersichtlich und ausgewählt. Hinter dem Label steht die Modedesignerin Sanaz Akaouf. Für ihre Mode verwendet Sanaz Akaouf beispielsweise Stoffe aus Lagerbeständen und verleiht ihnen optischen Mehrwert. Hier durch Knöpfe aus der Schale der südamerikanischen Steinnuss, die in Italien von Hand geschnitzt werden. Auch dieses Kleid ist aus einem Laden- oder besser gesagt Lagerhüterstoff fabriziert, mit Silberdruckknöpfen aufgewertet und in der Schweiz genäht, was den stolzen Preis erklärt. Sanaz’ Kleider sollen länger im Fundus ihrer Besitzer verweilen. Seide kommt für Veganer nicht in Frage, da sie aus den Kokons der Seidenraupe gewonnen wird. Tender Lily heissen diese Shorts. Deren geschmeidiger Stoff ist umweltfreundlich bedruckt, besteht aus rezyklierten PET-Flaschen und stammt aus Italien. Vegane Mode spricht zunehmend auch Kundinnen und Kunden ausserhalb der veganen Szene an. Sie interessieren sich für Produkte, für die keine Tiere leiden mussten, die aus nachhaltigen Materialien sind und erst noch cool aussehen. Der leichte Sommerschuh der brasilianischen Marke Insecta liegt dieser Kundin gut in der Hand. Auf dem Schuhlabel liest sich ein Bekenntnis zu einer Produktion, die ohne Insektizide auskommt. Die fröhlich gesprenkelte Sohle ist aus rezykliertem Gummi, die Textilien aus aufgearbeiteten Vintage-Stoffen. Leder ist im veganen Lifestyle ebenfalls tabu. Als Alternative verwenden findige Designer Kork. Die Veganerin findet Nagellacke, die ohne Tierversuche entwickelt werden und ohne giftige Stoffe auskommen. Diese Fläschchen sind von Hand gegossen, die Deckelchen aus rezykliertem Holz. Auf Nachhaltigkeit legt Sanaz Akaouf auch im Schmuckbereich Wert. Sie bevorzugt Ateliers aus der Schweiz oder Europa, die beispielsweise alten Stücken zu neuem Glanz verhelfen oder Gold aus zertifizierten Minen verwenden. Ihr Label aufzubauen und die passenden Materialien sowie Verarbeitungsbetriebe zu finden, hat die Jungdesignerin fast ein Jahr gekostet. Ihr Angebot ist auch online erhältlich.
Sanikai: Der vegane Kleiderladen. Fotos: Julia Antoniou
Pretty&Pure bietet ein breites Sortiment von 100 Prozent natürlichen Produkten, die Veganer und Veganerinnen bedenkenlos verwenden können. Etwa die Kosmetiklinie Pretty&Pure Organic Beauty. Die Produkte werden in Zürich in kleinen Chargen hergestellt. Das Schminken müssen sich Veganerinnen nicht abschminken. Dank mineralischen Farbpigmenten steht ihnen eine riesige Farbpalette zur Verfügung.
Pretty&Pure: Der Laden für die natürliche vegane Schönheit. Fotos: Julia Antoniou