07.03.2018
TEXT: Anita MerktFOTOS: gettyimages/swissstaffing

Temporärarbeit ist in vielen Berufen gang und gäbe.

Zukunft der Arbeit

Temporärarbeit 4.0

Schweizer Temporärfirmen rüsten sich für die Wirtschaftswelt 4.0. Einige glauben, sie werden bald selbst durch Algorithmen ersetzt.

340 000 Personen waren 2017 zumindest zeitweilig bei einer Temporärfirma beschäftigt. Befristete Einsätze von Fach- oder Hilfskräften werden bald eine noch wichtigere Rolle spielen als heute. In einem immer dynamischeren Umfeld müssten Firmen kurzfristig auf Veränderungen reagieren und kurzfristig Teams für neue Projekte zusammenstellen können. Das glauben zumindest 75 Prozent der Schweizer Temporärfimen - die sich selbst lieber als «Personaldienstleister» bezeichnen. Ihr Verband Swissstaffing stellte Anfang März die neusten Zahlen zur Branche vor.

Temporär arbeitender Chirurg

Im Gegensatz zum landläufigen Bild vom Temporärarbeiter auf dem Bau oder im Industriebetrieb wird heute auch hochqualifiziertes Personal im medizinischen oder im IT-Bereich für zeitlich beschränkte Einsätze gesucht. Zwei Drittel der temporär Arbeitenden sind gemäss dem  Personaldienstleisterverband gut ausgebildete Fachkräfte. Ihr Anteil an den insgesamt Beschäftigten sei in den vergangenen 10 Jahren von 1,7 auf 2,3 Prozent gestiegen, führte Swissstaffing-Ökonom Marius Osterfeld aus.

 

  

Wie Swissstaffing-Direktorin Myra Fischer-Rosinger betonte, ist die Auftragslage der Temporärbranche immer auch ein Frühindikator für die Konjunkturentwicklung. Swissstaffing hat für die vergangenen vier Jahre die Einsatzstunden von temporär Arbeitenden mit dem Geschäftslageindikator der Konjunkturforschungsstelle der ETH verglichen. Erhöhte sich die Nachfrage nach Zeitarbeitenden, zog mit einigen Monaten Verzögerung auch der KOF-Konjunkturindikator an.

 

 

 

Wie Direktorin Fischer-Rosinger betonte, haben sich die Schweizer Temporärfirmen in den vergangenen Jahren immer mehr auch zu Rekrutierern von Festangestellten entwickelt. Einer Mitgliederbefragung zufolge suchen und rekrutieren 88 Prozent der Schweizer Personaldienstleister im Auftrag von Unternehmen auch Kandidaten für eine Festanstellung, 32 Prozent betätigen sich als Headhunter oder kümmern sich bei grösseren Entlassungen um das Outplacement der Gekündigten, das heisst, sie unterstützen diese dabei, eine neue Anstellung zu finden. 20 Prozent der Personaldienstleister übernehmen für ihre Kunden HR-Funktionen wie die Bezahlung der Löhne oder die Interaktion mit den Sozialversicherungen. 

 

 

Die Digitalisierung hat auch das Geschäftsmodell der Temporärarbeitsfirmen bereits gehörig verändert. 33 Prozent der Befragten Geschäftsführer sagten, die Digitalisierung habe ihr Geschäftsmodell verändert, 51 Prozent bieten neue digitale Dienstleistungen, 72 Prozent ergänzende Dienstleistungen an. Etwa die Hälfte der Befragten sind überzeugt, dass die Digitalisierung ihre Branche umkrempelt und sie sich mit digitalen Dienstleistungen einen Wettbewerbsvorteil verschaffen können.

 

 

15 Prozent der Firmen, die sich an der Swissstaffing-Studie beteiligten, betreiben eigene Online-Plattformen, auf denen Firmen und Stellensuchende ohne persönlichen Kontakt mit dem Personaldienstleister zueinanderfinden. Die Grossen der Branche wie Adecco, Manpower und Randstad sind mit ihren Smartphone-Apps adia, ploy und coople bereits in der Wirtschaftswelt 4.0 angekommen. Die Plattformen lassen erahnen, wie der Arbeitsmarkt der Zukunft womöglich funktionieren wird. 40 Prozent der Personalvermittler sind überzeugt, dass das traditionelle Arbeitsverhältnis durch das Auftragsverhältnis abgelöst werden wird. Ein Viertel von ihnen gehen davon aus, dass ihre eigene Tätigkeit digitalisiert werden wird. 17 Prozent der Personaldienstleister denken sogar, dass ihre Branche in nicht allzu ferner Zukunft anstelle von Menschen Roboter vermitteln oder verleihen wird.

Zeitarbeit findet sich in vielen Branchen.

Bevor es soweit ist, sollen temporär Arbeitende nach Auffassung von Swissstaffing genau wie Festangestellte bezahlt und behandelt werden. Swissstaffing-Präsident Georg Staub legt Wert darauf zu betonen, dass jeder temporär Angestellte nach den Regeln des GAV angestellt und versichert ist. Als Angestellter seiner Temporärfirma sei jeder Arbeitnehmer dem Branchen-GAV unterstellt und sei genauso sozialversichert wie jeder Festangestellte.

Staub glaubt nicht, dass in ein paar Jahrzehnten Uber-gleiche Plattformen Aufträge an formal Freischaffende vermitteln, ohne sich für deren Sozialversicherung zuständig zu fühlen. Er ist überzeugt, dass das Gemeinwesen Schweiz nicht zulassen wird, dass Erwerbstätige im digitalen Orbit selbst schauen müssen, wie sie im Falle von Krankheit, Alter oder einer Auftragsflaute ihr Überleben sichern.

 

Die Graphiken wurden zur Verfügung gestellt von Swissstaffing.