11.03.2016
Serge und Pablo Lunin mit Holzknoten

Sie entwickeln laufend neue Anwendungen für biegsames Holz: Pablo und Serge Lunin von Dukta.

Einschneideverfahren

Holz zum Knoten

Die Zürcher Firma Dukta hat ein Verfahren patentieren lassen, das Holz flexibel macht. So flexibel, dass man es sogar knoten kann. Das biegsame Holz für die formschönen Lampen, Möbel, Raumteiler oder Akustikpaneele wird im Sanktgallischen produziert. 

Der Maschinist legt eine Platte auf den Verarbeitungstisch der computergesteuerten Fräse und drückt auf den Knopf. Es wird laut. Plastiklamellen verschleiern den Blick auf alles, was unter der viereckigen Fräsehaube passiert. Nur Holzstaub und -kringel fallen aus dem Maul der Fräse, während sie sich geräuschvoll vorarbeitet. Sie sind das einzig Sichtbare, das auf die scharfzahnigen Fräseblätter schliessen lässt, die sich nun wellenartig durchs Holz fressen und eine perfekt perforierte Platte aus ihrem Schlund entlassen. Heute ist Dukta-Tag bei der Creatop im sanktgallischen Uznach. Das KMU mit 30 Mitarbeitenden ist auf Innenausbau und Türsysteme spezialisiert. Die Fräse hat der doppelt beschichteten Platte hochpräzis Schnitte zugefügt, die das Holz biegsam machen. So biegsam, dass es sich fast wie Stoff verformen lässt. 

Der Experimentierlust entsprungen

Das Dukta-Verfahren hat Serge Lunin – ursprünglich Schreiner und Werklehrer, heute Dozent an der Zürcher Hochschule der Künste (ZHdK) und Unternehmer – 2007 zusammen mit seinem ehemaligen Studenten Christian Kuhn entwickelt. Die ursprüngliche Idee war, eine Liege aus gekrümmten Holzelementen zu bauen. Sie verleitete die beiden dazu, mit Schnittanordnungen zu experimentieren. Die Experimente zeitigten vielversprechende Resultate und führten schliesslich zu einem Forschungsprojekt mit der ETH, um das Verfahren zur Marktreife zu bringen. 2011 gründeten Lunin und Kuhn die Firma Dukta. Später verliess Kuhn das Unternehmen. Seit 2015 wirkt Sohn Pablo Lunin, von Beruf Industriedesigner, als Partner mit.

Raphael Cotting von Creatop präsentiert eine Linear-Platte. Aus solchen Elementen entsteht der Hocker, den das Uznacher Unternehmen produziert. Maschinist Urs Truniger legt die doppeltbeschichtete Fichtenplatte für die Fräse parat. Fugen in der Linearplatte stellen sicher, dass der Hocker seine richtige Form bekommt. Die Hockerschablone erklärt den Mitarbeitenden die Konstruktion des Designerschemels von Fries&Zumbühl. Ein Blick in die Fräse. Hinten noch unscharf die Fräseblätter. Die scharfzahnigen Fräseblätter von nahe: Sie fressen gleichzeitig zehn Bahnen ins Holz. Fertig: So kommt die Linearplatte aus der Fräse. Das Einschneideverfahren ist hochtechnisiert. Der Maschinist arbeitet viel am Bildschirm, auf den die Daten aus dem CAD übertragen werden. Der Hocker steht für gutes Design: Er kommt ohne Beschläge und Leim aus. Massive Platten aus Birkenholz aus der Region stehen in der Creatop-Produktionshalle parat. Daraus entstehen Platten im Duna-Schnitt. Und schliesslich Objekte wie diese Obstschale. Sie lässt sich durch kurzes Einweichen in Wasser verformen.
Fotos: Julia Antoniou

Locker vom Hocker

«Viel gibt es bei der Produktion der Dukta-Platten nicht zu sehen», sagt Raphael Cotting, Mitglied der Creatop-Geschäftsleitung und verantwortlich für die Produktion. «Aber hier: Das ist die Schnittschablone für den Hocker, den wir heute produzieren.» Das aus einer Fichtenplatte ausgesägte Element hat die Form einer Wiege. Darin sind Fugen eingefräst, die die richtig abgelängten und zugeschnittenen Dukta-Elemente aufnehmen werden. Das Spezielle daran: Sie kommen komplett ohne Beschläge aus. «Hochwertige Designobjekte zu produzieren, ist eine tolle Herausforderung für unseren KMU-Betrieb», so Cotting. Der Schemel durchläuft bei der Creatop vier Produktionsstufen: vom Planer zum Zuschneider, weiter zum Maschinisten, der die computergesteuerte Fräse bedient, und schliesslich zum Bankschreiner. Er fügt alle Teile manuell zusammen. Wie gesagt ohne Schrauben und Leim, sozusagen locker vom Hocker. 

Homo ludens

In der Cafeteria der ZHdK packt Serge Lunin ein Holzauto mit Zweierbesatzung aus seiner Tasche. Eine kleine Spielerei, die der langjährige Designdozent mitgebracht hat, um zu demonstrieren, was das Dukta-Einschneideverfahren ist und kann. Lunin verbiegt den Autorumpf mit den charakteristischen Einschnitten. Er lässt sich nach oben und unten und zur Seite drehen. «Die beiden ‹Mansgöggeli›  stehen für mich und meinen Sohn Pablo – also für unsere Firma», sagt der 56-Jährige weiter, und es funkelt in seinen schwarzen Augen. Sie sind Ausdruck eines beweglichen Geistes. Mindestens ebenso biegsam wie die Dukta-Objekte, die Lunins Kopf entsprungen sind. Ein Kopf, der das Spielen mit Ideen liebt. Ein Homo ludens und ebenso ein Homo practicus, der nicht Ruhe hat, bis sich seine Ideen materialisiert haben. Lunin klickt sich durch seinen Mac und präsentiert eine Lampe aus hellem Birkenholz, die stimmungsvoll Schatten in den Raum wirft. Weitere Objekte in real gibt es nun auf einem Parcours durch die ZHdK zu entdecken. 

Bettenhimmel für Traumapatienten

Treppauf, treppab und Korridoren entlang erreichen wir im schneidigen Tempo das Grossraumbüro, das sich Lunin mit Kollegen teilt. Hier präsentiert er eine Dukta-Trennwand. Sie funktioniert als Raumteiler, aber auch als Objekt und natürliches Raumdeo. Maserung und Harzduft bringen Sinnlichkeit ins Büro. Die wohltuende, gar heilende Wirkung von Holz stand denn auch bei einem anderen Projekt im Fokus, wie Lunin erzählt. In der psychiatrischen Klinik Littenheid (SG) schuf Dukta einen Bettenhimmel aus Arvenholz mit integrierten Lichtelementen. Dieser war Teil eines Forschungsprojekts der Hochschule Luzern, das untersuchen will, wie Einrichtung die Genesungsprozesse von Traumapatienten unterstützt. Als Nächstes führt Lunin in die Werkstatt, wo 2007 die ersten Schnittexperimente stattgefunden haben. Auf einer Ablage liegt ein weiteres Objekt aus seinem Wunderkabinett: Sinta, der Holzknoten. «Eben hat die Skin Gallery einen Knoten für die Messe Architect(at)Work bestellt», sagt Lunin erfreut. Dukta macht in der Tat international auf sich aufmerksam. In der Kategorie «Unerwarteter Gebrauch von Naturmaterial in der Innenraumgestaltung» zeichnete das New Yorker Magazin «Interior Design» das Unternehmen mit der Auszeichnung «Best of Year 2015» aus. 

Zürcher Unternehmer – international anerkannt

Dukta ist ein junges Zürcher Unternehmen, das ein Einschneideverfahren patentiert hat, welches Holz flexibel macht. Serge und Pablo Lunin entwickeln Anwendungen auf der Basis von fünf verschiedenen Schnittmodellen. Diese lassen sie von Lizenzpartnern in der Schweiz, Deutschland und Österreich herstellen und europaweit vertreiben. Beispielsweise Raumteiler, Akustikpaneele, Möbel und Leuchten. Als bisher grösstes Projekt realisierte Dukta 2014 die Wandauskleidung eines Konzertsaals der Hochschule der Künste (ZHdK), wo Serge Lunin seit 25 Jahren Design unterrichtet.

Hörkomfort für Sensible

Zurück in die ZHdK. Wieder Treppen hoch und runter und einen weiteren Gang entlang. Wir stossen eine Türe auf. Es ist mucksmäuschenstill und stockdunkel. Serge Lunin findet den Schalter. Gewaltig! Wir befinden uns im Konzertsaal, der 2014 erbaut wurde. An den Wänden gewelltes Holz und ein flauschig-wohliges Gefühl in den Ohren. Die sanfte Stimme von Lunin erfüllt den Raum. Geschuldet ist der Wohlklang einerseits den ausgeklügelten Berechnungen eines Akustikers, andererseits der Wandauskleidung. «Selbst die Empa war erstaunt», sagt Lunin, «Dukta schluckt alles.» Forschungen haben gezeigt, dass die gewellte Form der Paneele sich sehr günstig auswirkt. Dadurch gelangen die Schallwellen aus allen Richtungen direkt in die Öffnungen der Holzelemente und werden dahinter absorbiert. Die unterschiedlich grossen Abstände zur Wand sorgen dafür, dass kurze und lange Wellen – das heisst hohe und tiefe Töne – gleichermassen eingefangen werden. Die Akustikpaneele helfen ausserdem, die Schallverbreitung gezielt zu steuern. Darum eignen sie sich für die Ausstattung von sensiblen Räumen wie Tonstudios, Kinos, Konzertsäle, aber auch Restaurants, Foyers oder Schulungsräume. Kurz überall dort, wo ein gutes Raumgefühl wichtig ist. 

Im Dukta-Look

Der Eingangsbereich der Produzentin Creatop präsentiert sich ganz im Dukta-Look. Die Theke ist aus Linear-Elementen in Anthrazit gestaltet. Von der Decke hängen  transparente Holzleuchten, Marke Dukta. Ein weiterer Blickfang ist eine Obstschale aus einer verformten Duna-Massivholzplatte. In Creatop hat Dukta vor eineinhalb Jahren einen Lizenzpartner gefunden. Seither hat das Unternehmen viel Hirnschmalz investiert, um die Produktionsabläufe zu optimieren. Damit möglichst viele Laufmeter Holz die Fräse durchlaufen, braucht es mehr als scharfe Fräseblätter. Vor allem eine gute Programmierung und die richtige Maschineneinstellung. Sonst verbrennt beispielsweise das Holz wegen des Reibverlustes, wie Cotting anhand eines Musters demonstriert. Creatop setzt voll auf das hochtechnisierte Einschneideverfahren. «Das Feedback aus der Branche ist gut. Vor allem Architekten erkennen das Potenzial», sagt Cotting. Durch die enge Zusammenarbeit mit Dukta ergeben sich Synergien. Wenn es darum geht, Ideen praktikabel umzusetzen, kann Creatop auf die Unterstützung des Entwicklersohns und Industriedesigners Pablo Lunin zählen. Als nächstes grösseres Projekt wird das Uznacher Unternehmen im April 2016 die 250-m2-Deckenverkleidung in Fichtenholz in einem Wohnheim in Rüti realisieren. 

Akustik zum Aufhängen

«Dukta bietet einen grossen Spielraum», sagt Pablo Lunin. «Gerade im Möbelbereich habe ich viele Ideen für Anwendungen, die ästhetisch und funktional überzeugen.» Der Jungdesigner hat eben die Akustikelemente neu konfektioniert. Sie sind jetzt in zwei Standardgrössen mit verschiedenen Wellengeometrien erhältlich und flexibel kombinierbar. Daneben ist Pablo Lunin für alles Administrative, den Auftritt und das Marketing der jungen Firma besorgt. Dazu gehört beispielsweise, Vertriebsideen für die Leuchten Lumbra und Ora auszuarbeiten, die bald bei verschiedenen Händlern im Angebot sein sollen. Oder das neuste Kind durch die letzte Entwicklungsphase zu begleiten: ein aufhängbares Akustikobjekt aus Massivholz mit Schnitttyp Duna.