16.03.2017
FOTO UND TEXT: Albert Jörimann

Früher musste das Geld für uns arbeiten. Heute soll es einfach nur wachsen.

Altersvorsorge

Genug Geld im Alter

Der Bundesrat hat ein Gesamtpaket zur Aktualisierung der Altersvorsorge in der Schweiz erarbeitet, über welches im Herbst abgestimmt wird. Im Rahmen dieses Pakets sollen die zwei Hauptelemente AHV und Pensionskassen zukunftssicher gemacht werden.

Dass dem bisherigen System der Altersvorsorge in der Schweiz langsam der Schnauf ausgeht, hat vor allem mit einer Entwicklung zu tun, die grundsätzlich äusserst erfreulich ist: Die Menschen leben immer länger. Gratis ist dies nicht. Einen Preis bezahlen wir unter anderem mit den zuverlässig steigenden Kosten im Gesundheitswesen; aber auch bei den Altersrenten müssen neue Lösungen gefunden werden, um die gestiegene Lebenserwartung finanziell abzusichern. Die Rechnung ist simpel: Wenn alle anderen Parameter gleich bleiben, bezahlen die Erwerbstätigen für eine zunehmende Anzahl an Rentnerinnen und Rentnern bei der AHV, und bei der zweiten Säule muss das angesparte Kapital eine immer längere Rentenbezugsdauer abdecken. Das führt zu einem Ungleichgewicht im Vergleich zum aktuellen Stand.

Stellschrauben anpassen

Die Parameter oder Stellschrauben müssen also angepasst werden. Im Gespräch sind aktuell die naheliegendsten: eine Erhöhung der Lohnbeiträge der Arbeitnehmenden, die Anhebung des Rentenalters, die Senkung des Umwandlungssatzes in der Pensionskasse, Beiträge aus der Bundeskasse aus direkten Steuern (Lohn- und Unternehmenssteuern) und solche aus indirekten Steuern (Anhebung der Mehrwertsteuer).

Im ausführlichen Beitrag im Anhang, der als PDF heruntergeladen werden kann, geben wir einen Überblick über die zweite Säule. Hier liegt aktuell das Schwergewicht der politischen Diskussion. Pensionskassen und die bürgerliche Mehrheit im Parlament drängen seit langem auf eine Senkung des Umwandlungssatzes, welcher für das Überleben der Kassen und des ganzen Systems dringend notwendig sei. Die Linksparteien und die Gewerkschaften setzen sich gegen diese Bestrebungen zur Wehr, obwohl auch sie die demografischen Entwicklungen mit dem daraus folgenden Finanzierungsproblem nicht bestreiten. Sie stellen aber eine Gesamtsicht der Altersvorsorge in den Vordergrund und legen ein Schwergewicht auf die unteren Einkommen, welche auch die niedrigsten Altersrenten generieren. 

Die politischen Fronten

Das kümmert die Pensionskassen auf der anderen Seite weniger, weil sie die niedrigen Einkommen schon gar nicht erst versichern. Und bei der Zusatzfinanzierung des Gesamtsystems geht es sowieso wieder mal ums Prinzip: Linke und Gewerkschaften machen sich traditionellerweise eher für die erste Säule stark und würden eine Erhöhung der Beiträge am ehesten für die AHV in Betracht ziehen. Schliesslich werden AHV-Beiträge seit je auf sämtlichen Lohnbeträgen erhoben, während dies bei den Pensionskassen für Löhne über dem Obligatorium nicht zwingend ist. Allerdings wissen sie, dass Beitragserhöhungen grundsätzlich nicht beliebt sind; sie ziehen deshalb eine Finanzierung über Steuermittel vor. Die bürgerliche Seite spricht sich deutlich für Beitragserhöhungen aus, aber nur für die Pensionskassen, wo die oberen Saläre geschont werden können.

Die Linke und die Gewerkschaften anderseits üben zwar sporadisch Kritik an der zweiten Säule, vor allem wegen ihrer Kosten, aber umgekehrt stellen sie die Pensionskassen als solche längst nicht mehr in Frage. Für die gemässigten Kräfte war deshalb der Kompromissvorschlag des Bundesrats eine willkommene Gelegenheit, in der Frage der Altersrenten mDie offizielle Bundesratsfoto 2017indestens auf ein paar Jahre hinaus Ruhe zu schaffen mit einer tragfähigen Lösung. Das Gleiche gilt übrigens für die betroffenen Pensionskassen sowie für jene Teile der bürgerlichen Mehrheit, welche nach der parlamentarischen Auseinandersetzung im Reformprojekt nicht eine ideale, aber doch immerhin eine realisierbare Lösung der dringendsten Probleme sahen.

Aber die Politik wäre nicht die Politik, wenn sie nicht auch dieses grosse Thema zum Gegenstand ganz anderer Interessen gemacht hätte, wo es beim Feilschen um Details wie die Anhebung der AHV-Rente um 70 Franken für Neurentner längst nicht mehr um die Sache geht, sondern um Faustpfänder, um Verhandlungsoptionen, um Druckmittel für künftige, ganz anders gelagerte Gesetzesprojekte. Und selbstverständlich kommt über diese Sphäre der politischen Realität zum Schluss eine massive Decke aus ideologischem Zuckerguss. Das ist immer so.

Mit der knappen Zustimmung des Nationalrates vom 16. März zum Reformpaket besteht nun trotzdem die Möglichkeit, die mittelfristige Sicherung des Systems in Angriff zu nehmen. Die Grundsatzfrage bleibt allerdings ungelöst: Wie schaffen wir es, den immens gestiegenen Wohlstand finanziell so zu verteilen, dass alle genug davon haben, zuerst im aktiven Leben und anschliessend im Rentenalter? Steigende Lebensarbeitszeiten sind keine vernünftige Antwort auf die nach wie vor gewaltig zunehmenden Produktivitätsgewinne. Auch wenn die Menschen länger fit bleiben und auf freiwilliger Basis durchaus so lange berufstätig bleiben mögen, wie sie wollen.

Aktueller Überblick zur zweiten Säule

Ohne auf die Details der politischen Auseinandersetzung einzugehen, beschäftigt sich der Pensionskassen-Beitrag im PDF neben den Grundlagen vor allem mit der Finanzierung sowie mit der Kostenfrage. In der Tat springt vor allem ins Auge, dass die Pensionskassen einen nicht weniger als 20-mal teureren Verwaltungsaufwand aufweisen als die AHV, und zwar bei ungefähr vergleichbaren Sozialleistungen. Zudem erscheinen die Kapitalerträge in der zweiten Säule im aktuellen Niedrigzinsumfeld gefährdet. Auf der Gegenseite zeigt die Betriebsrechnung ein weniger katastrophales Bild, als es häufig gezeichnet wird. Und bei den Kosten kommt der Beitrag zum Schluss, dass niedrigere Kosten bei der Vermögensverwaltung mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit auch tiefere Renditen zur Folge hätten. Ein Musterbeispiel zeigt, mit welchen Fragen sich heute die Pensionskassen bei der Vermögensverwaltung beschäftigen müssen.