14.04.2015

In der Urania Sternwarte in Zürich arbeitet Astrophysikerin Lucia Kleint.

Die Unendlichkeit durchdringen

Im Herzen der Stadt Zürich steht die Urania-Sternwarte. Für Interessierte eine Gelegenheit, einen unvergesslichen Blick des Kosmos zu erhaschen und sich wertvolles Wissen in der Astronomie anzueignen.

Draussen ist es eiskalt, und es regnet in Strömen. Die Urania-Sternwarte mit ihrem hellgrauen, kuppelförmigen Dach überragt die angrenzenden Gebäude im Stadtzentrum von Zürich ungefähr um das Doppelte und wirkt dadurch sehr majestätisch. Der Haupteingang befindet sich neben der Deutschen Bank. Es ist kurz vor 21 Uhr. Drinnen bewacht ein Aufseher Mitte 30 mit Argusaugen den Turmlift. Wer diesen benutzen möchte, muss zuerst an ihm vorbei. Dies erweist sich als leichter, als gedacht – denn ein simpler Satz wie «Ich bin hier, um die Sternwarte zu besuchen» genügt, um den Liftaufpasser gnädig zu stimmen. 

Das Himmelsreich

Oben im elften Stock angekommen, führt eine schmale Treppe bis zum Kuppelraum mit dem Teleskop. Die aus Holzbalken konstruierte Kuppel ist wegen des Regens geschlossen, weshalb den Besuchern die Sicht ins Weltall unglücklicherweise verwehrt bleibt. Doch Lucia Kleint, Astrophysikerin und Demonstratorin kann mit einem attraktiven Programm aufwarten. Und so sorgt ein animierter und bebilderter Vortrag selbst bei schlechtem Wetter für muntere Stimmung.

Mittels einer spektakulären Animation bringt die junge Forscherin den Zuschauern unser Sonnensystem mit seinen acht Planeten, Merkur, Venus, Erde, Mars, Jupiter, Saturn, Uranus und Neptun sowie dem seit 2006 als Zwergplanet bezeichneten Pluto näher. Die Zuschauer erfahren die unterschiedlichen Funktionen des 12 Tonnen schweren Fernrohrs. Das Refraktor genannte Teleskop beherbergt ein Zweilinsensystem von 30 Zentimeter Durchmesser und eine Brennweite von 5,05 Metern. Es wurde von der optischen Werkstätte Carl Zeiss in Jena erbaut und kann angepeilte Objekte bis aufs 600-fache vergrössern. Dies sorgt hin und wieder für den einen oder anderen Wow-Effekt.

Das besondere an der Urania-Sternwarte ist nebst ihrem grössten und ältesten Teleskop der Schweiz auch ihre zentrale Lage. Im schweizweit einzigen Observatorium, das inmitten einer Stadt steht, können die Planeten und der Mond problemlos beobachtet werden. Die jährliche Anzahl an Besuchern ist ebenfalls zufriedenstellend. Diese liegt durchschnittlich bei knapp 10 000.

Die Sternenfrau

Sterne und Planeten haben Lucia Kleint schon immer fasziniert, weshalb sie als Kind häufig mit ihrem Fernrohr am Balkon sass und die Gestirne beobachtete. Die Weichen wurden bei der jungen Forscherin schon relativ früh gestellt und so wusste sie, dass der Beruf Astrophysikerin genau der richtige für sie war. 

Seit 1999 geht sie mit Leidenschaft ihrer nebenberuflichen Funktion als Demonstratorin an der Sternwarte Urania nach, schliesst 2010 ihr Doktorat an der ETH ab und verbringt schliesslich mehr als drei Jahre an Forschungsinstituten in den USA. 2014 kehrt sie wieder in die Schweiz zurück, arbeitet an der Fachhochschule Nordwestschweiz an einem Sonnensatelliten und fungiert in der Urania-Sternwarte weiterhin als Demonstratorin. Was ihr an der Urania so gefällt, ist vor allem die Arbeit mit dem Publikum. «Bei den Forschern ist es so eine Sache. Sie verbringen relativ viel Zeit im Büro und haben nicht so oft Kontakt mit dem Publikum. Dabei sammeln Astrophysiker interessante und spannende Daten; so zum Beispiel analysieren sie Bilder von Satelliten oder gelangen an wertvolle Erkenntnisse durch Beobachten der Himmelskörper und der sich im Kosmos abspielenden Phänomene. Ich gehe während meiner Präsentationen gerne auf die Fragen der Besucher ein und möchte ihnen die Wunder im Weltall durch das Fernrohr zeigen. Viele sind sichtlich beeindruckt, was mich zutiefst berührt und mir die nötige Genugtuung verschafft.»

Der Heizkörper

Die junge Sternenfrau lächelt und fährt mit heiterer Stimme fort: «So erkläre ich den Wissbegierigen beispielsweise, wie unvorstellbar heiss es auf unserer Sonne zugeht – an der Oberfläche herrschen etwa 6000 Grad Celsius, im Kern hingegen bis zu sagenhaften 15,6 Millionen Grad. Als Expertin für Sonnenstürme erzähle ich zudem, wie gefährlich Sonneneruptionen für die Menschheit sein können. Je nachdem, wie stark diese sind, können sie nebst Verstrahlungen von Astronauten ebenso Komplikationen technischer Natur wie Kurzschlüsse verursachen.»

Wie ein derartiges Naturphänomen gefährlich werden kann, ist auf der Webseite der Nasa nachzulesen: Laut des Raumfahrtunternehmens hätte am 23. Juli 2012 ein sogenannter «Koronaler Massenauswurf», also ein Sonnensturm, beinahe die ganze Technik auf der Erde lahmgelegt. Deshalb ist eine regelmässige Inspizierung der solaren Oberfläche durch Teleskope und die damit verbundenen Berechnungen für drohende Sonnenstürme immens wichtig. Die Menschen sollen genügend Zeit haben, sich auf allfällige Sonneneruptionen vorzubereiten, um entsprechende Sicherheitsvorkehrungen treffen zu können.

Wer in der Urania-Sternwarte mit speziellen Filtern die Sonne selber anschauen möchte, kann an einer der Sonnenführungen am 9. Mai13. Juni11. Juli oder am 8. August 2015 teilnehmen. Abends ist hingegen die Observation des Mondes, unseres Erdtrabanten spannend. Weltbekannte Mondkrater wie «Kopernikus» oder «Archimedes» können Dank dem Urania-Teleskop problemlos 300-fach vergrössert werden. «Die von den Apollo 11-Astronauten in das Mondreich gesetzte US-Flagge kann allerdings trotz der vielfachen Vergrösserung unseres Fernrohrs leider nicht bewundert werden. Dafür müsste man schon etwas näher an den Mond rangehen», sagt die junge Referentin schmunzelnd.

Der Hingucker

Aber auch der Saturn ist ein echter Hingucker. Laut einer Broschüre der Urania-Sternwarte ist es der weiteste von blossem Auge sichtbare Planet und braucht 28 Jahre für einen Umlauf um die Sonne, jedoch nur 10 Stunden für eine Drehung um sich selbst. «Ich schaue mir am liebsten den Saturn an. Seine Ringe faszinieren mich, denn man sieht sie recht detailliert. Sogar die schwarze Trennung zwischen den beiden Hauptringen bleiben dem Betrachter durch das Urania-Teleskop nicht verborgen.»

Und was die Frage nach ausserirdischem Leben betrifft, so ist die zierliche Forscherin dafür durchaus offen. «Es gibt so viele Galaxien, Sterne und Planeten im Universum. Und sollten sich auch nur zehn Prozent davon in der habitablen Zone befinden, so gäbe es immer noch Abermillionen von Himmelskörpern, auf denen Leben existieren könnte.»