01.03.2016

Thomas Tanner, Leiter der Service-Zentren der Basler Verkehrs-Betriebe, am Bedienpanel der Tramwaschanlage.

Basler Verkehrs-Betriebe

Bewegte Zeiten

Nach turbulenten Jahren im Zusammenhang mit der Trambeschaffung ist bei den Basler Verkehrs-Betrieben wieder Ruhe eingekehrt. Wesentlich dazu beigetragen haben die neuen Flexity-Strassenbahnen. 

Das vom Architekten Carl Leisinger konzipierte Tramdepot Wiesenplatz mit seinen markanten Backsteinportalen liegt im Norden von Basel und ist seit 1907 in Betrieb. Der Grossbrand im August 2004 war der Anlass, das bisherige Sackdepot in ein dreiteiliges Durchgangsdepot umzubauen. 

«Unsere tägliche Arbeit im Wiesenplatz dauert 22 Stunden, verteilt auf drei Schichten», sagt Thomas Tanner, Leiter der Service-Zentren der Basler Verkehrs-Betriebe (BVB). «Wegen des technischen Fortschritts sind zunehmend Elektroniker statt Mechaniker gefragt. Doch suchen wir nicht Fachidioten, sondern Allrounder, die beide Bereiche beherrschen. Hinzukommen sollte das Interesse für Strassenbahnen. Derart qualifiziertes Personal obendrein auch für Schichtarbeit zu finden, ist nicht einfach. Um Ersatz für Pensionierte zu finden, benötigen wir viel Zeit.»

Die grosse Abstellhalle bietet den Strassenbahnen ausserhalb der Betriebszeiten Schutz und Unterstand. Gleich daneben, in der modern ausgerüsteten Servicehalle, werden Schienenbremsen eingestellt und Bremsbeläge ersetzt sowie weitere Unterhaltsarbeiten ausgeführt. Die zweite Halle beherbergt zudem eine vollautomatische Waschanlage. Sie arbeitet hauptsächlich mit Regenwasser, das vom Dach in einen 80 000 Liter fassenden Wassertank geleitet wird. Die Basler möchten ihre geliebten «Drämmli» in sauberem Zustand antreffen. Das verschmutzte Reinigungswasser wird mehrmals aufbereitet und eingesetzt. Bis 2009 war das Waschen der Fahrzeuge noch aufwendige Handarbeit. Weniger geworden sind die lästigen Sprayereien, auch als Folge der immer lückenloseren Videoüberwachung. 

Durchbruch mit Flexity-Trams

Vor dem Depot Wiesenplatz steht ein leerer LKW-Tieflader aus Deutschland. Das frühmorgens aus Bautzen angelieferte neue Flexity-Tram des Herstellers Bombardier ist bereits abgeladen. Eine von 61 bestellten Strassenbahnen in vollständiger Niederflur-Bauweise.

Seit 2014 liefert der Hersteller monatlich zwei Fahrzeuge. Der Auftragswert von 245 Millionen Franken bedeutet die teuerste Einzelbeschaffung in der Geschichte der BVB. «Die Technik und die Elektronik gehören europaweit zum Modernsten auf städtischen Schienennetzen», sagt Thomas Tanner stolz. «Beim Erscheinungsbild des neuen Trams konnten auch die Kunden mitreden. In einer Abstimmung haben sie sich sowohl für das neue, dunkle Grün sowie für die hellen Holzsitze entschieden. Das Holz ist leicht abwaschbar und saugt im Gegensatz zu Stoffbezügen keine unhygienischen Substanzen auf. Die Wagenführer freuen sich über die geräumigen Arbeitsplätze.»

Drei Techniker des Herstellers unterstützen die BVB bei der Inbetriebnahme der Fahrzeuge, beseitigen Kinderkrankheiten und instruieren das Personal. 

Ein neues Flexity-Tram hat Weil am Rhein (Deutschland) – die neue Endstation der verlängerten Linie 8 – erreicht. Foto: Nana do Carmo

Turbulente Vorgeschichte

In Basel sind die Trambeschaffungen wegen der Investitionen mit öffentlichen Geldern seit Jahren ein Politikum. Unterschiedliche Meinungen entzünden sich insbesondere an der Frage, ob Strassenbahnen einen ganzen oder teilweisen Niederflur-Fahrgastbereich aufweisen sollen. Weil die Niederflurtechnik ihre Tücken hat. Da unter dem Boden der Platz fehlt, müssen die Aggregate auf das Dach. Das Gewicht von oben belastet die Struktur des Wagenkastens. Wegen der kleinen Räder ist zudem das Laufverhalten unruhig. Das Zürcher Cobra-Tram ist ein typisches Beispiel dafür. 

Schon 2001 und 2002 haben die BVB 28 Trams des Typs Combino von Siemens mit durchgehendem Niederflurbereich in Betrieb genommen. Doch war damals die Technik noch nicht ausgereift. Im März 2004 mussten die Fahrzeuge wegen sicherheitsrelevanter Mängel aus dem Verkehr gezogen werden. Das Problem waren Risse im Wagenkasten sowie über Türen und Fenstern. Die schweren, auf dem Dach angebrachten Aggregate hätten hinunterstürzen und Passagiere verletzen oder gar erschlagen können. Die Sanierung der Combino-Trams führte Siemens auf eigene Rechnung durch. Strassenbahnen der Berner Verkehrsbetriebe halfen, die Engpässe zu überbrücken.

Heftige Wirbel verursachte der Ausstieg der Basler Verkehrs-Betriebe aus einer Grundsatzvereinbarung mit ihrem Baselbieter Partner Baselland Transport (BLT). Die beiden Verkehrsbetriebe hatten die gemeinsame Beschaffung von Tango-Trams des Schweizer Herstellers Stadler vereinbart. Allerdings weisen diese Fahrzeuge lediglich einen Niederflurbereich von 75 Prozent auf. Nach einem Direktionswechsel bei den BVB scheiterte das während sechs Jahren vorbereitete Geschäft im Mai 2010 in letzter Minute. Als Grund für die Brüskierung der BLT nannte der neue BVB-Verwaltungsratspräsident den nicht gänzlich niederflurigen Fahrgastbereich des Tango-Trams.

Die BVB wechselten abrupt die Strategie und bestellten 61 Flexity-Strassenbahnen, die heute der Stolz der Basler Verkehrs-Betriebe sind. Nach der vollständigen Auslieferung werden die BVB zusammen mit den sanierten Combinos eine der modernsten Tramflotten Europas besitzen. 

Zum Vergleich: In Zürich verzögert der Streit zwischen den Verkehrsbetrieben Zürich (VBZ) und dem Zürcher Verkehrsverbund (ZVV) die überfällige Beschaffung von 70 neuen Trams. Seit 2011 läuft die Suche nach Ersatzfahrzeugen für das Tram 2000. Auch die VBZ haben sich nach der Evaluation dreier Baureihen für das Flexity-Tram von Bombardier entschieden. Doch verweigert der ZVV die Kostengutsprache wegen angeblicher Verfahrensmängel beim Evaluationsverfahren.

Die grosse Abstellhalle für die Trams der BVB im Tramdepot Wiesenplatz. Die Halle füllt sich am Abend und leert sich vor der Rush Hour am Morgen. Das neue Flexity-Tram (in der Bildmitte) ist vor wenigen Stunden aus Deutschland eingetroffen. Das Düwag-Tram Be 4/6 in der automatischen Waschanlage. Das Bedienpanel zum Starten des Waschvorgangs. Die BVB reinigen ihre Trams hauptsächlich mit gesammeltem Regenwasser. Das Schmutzwasser wird gefiltert und mehrfach wiederverwendet. Wieder sauber – die Fahrgäste dürfen sich auf ein tadellos gereinigtes Tram freuen. Für Wartungsarbeiten ist Luigi Ferraioli in die Grube gestiegen. Er kontrolliert die Bandagen der Räder, die Bremsbeläge, die Schienenbremse und die Motorkohlen, die den Strom übertragen. Die Schienenbremse drückt bei Notbremsungen direkt auf das Gleis. Mit kritischem Blick prüft Luigi Ferraioli die Komponenten am Wagenboden. Nur selten bekommen Fahrgäste die Radscheiben zu sehen. Ohne diese würden Schienenfahrzeuge entgleisen. Das Tram steht für kleine Wartungsarbeiten bereit. Francesco Caputo vermerkt die erledigten Arbeiten akribisch auf den Rapporten. Bei der Überprüfung der Fahrschalter werden abgebrannte Kontakte ersetzt. In einer Umfrage haben sich die Fahrgäste für die dunkelgrüne Farbe der Flexity-Trams und für helle Holzsitze entschieden.

Das in der Bevölkerung stark verwurzelte Basler Tram bleibt eine grosse Erfolgsgeschichte. Die Basler Verkehrs-Betriebe haben im letzten Jahr fast 134 Millionen Fahrgäste befördert. Das entspricht einem Plus von 1,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Hauptsächlich verantwortlich für diese Zunahme ist die Verlängerung der Tramlinie 8 nach Weil am Rhein in Deutschland, die für sich betrachtet eine Frequenzsteigerung von über 10 Prozent verzeichnet. Derzeit im Bau ist die Streckenverlängerung nach Saint-Louis in Frankreich. 

Alte Trams nach Serbien

«Nach 44 Jahren im Einsatz erhielten dieses Jahr 14 Trams der Basler Verkehrs-Betriebe in Belgrad eine neue Heimat», erzählt Thomas Tanner. «Nach dem Verlad der Drämmli beim Depot Dreispitz erfolgte der Transport nach Serbien auf dem Schienenweg.»

Bereits seit 2001 gelangen alte Trams der Basler Verkehrs-Betriebe sowie der BLT als Geschenk samt Ersatzteilen nach Belgrad. Dort stammt heute jede dritte Strassenbahn aus Basel. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) übernimmt dabei die Transportkosten und regelt die Zoll- und Ausfuhrmodalitäten. Auch beteiligt sich das SECO an der Finanzierung der Personalschulungen. Die bisherigen Kosten belaufen sich auf 4,5 Millionen Franken.

Das frühmorgens aus Bautzen per LKW eingetroffene Flexity-Tram ist mittlerweile ins Depot gerollt. Die Techniker der BVB beginnen, das Fahrzeug auf Herz und Nieren zu prüfen, bevor die ersten Probefahrten stattfinden. Die Basler dürfen sich auf ein weiteres neues Tram freuen.

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