«der arbeitsmarkt» 11/2004

Wettstreit in der Autogarage

Es gibt Jugendliche, die in ihrem Job nicht nur
gut, sondern der oder die Beste sein wollen. 17 Teilnehmende massen sich an den diesjährigen Schweizer Meisterschaften der Automechaniker in Wiedlisbach. Mit dabei: zwei junge Frauen.

Der Geruch von Motorenöl und Benzin hängt in der Luft. Flink hantiert eine blonde Frau am Hinterrad des roten Toyota, entfernt die Radmuttern und löst das Rad. Natürlich fällt sie auf, und eine Frau meint, dieser Beruf passe doch nicht zu ihr. «Stimmt nicht», erwidert Bettina Emmenegger aus Lützelflüh. «Der Beruf ‹Automechaniker› hat mich schon während der Schnupperlehre in seinen Bann gezogen.»
Die 21-Jährige ist eine von zwei Frauen, die an den diesjährigen Schweizer Meisterschaften für Automechaniker teilnehmen. Doch Bettina sieht für sich wenig Chancen, den ersten Platz zu erreichen. «Dafür sammle ich gute Erfahrungen», tröstet sie sich, «das ist mir wichtiger.» Kurz darauf wischt sie sich bei Posten 3.1 die Hände ab. Die Hälfte der Aufgabe «Aufhängung» ist geschafft. Jetzt muss sie noch die Lenkgeometrie eines VW Golf vermessen. «Auf die Arbeitssicherheit, die Handhabung von Geräten und Werkzeugen sowie auf die Sauberkeit am Arbeitsplatz lege ich besonders Wert», erklärt Bettina Emmeneggers Experte Roberto Bezzola.
Zum fünften Mal organisierte der Autogewerbeverband der Schweiz (AGVS) am 24. und 25. September in den Hallen des AGVS-Bildungszentrums in Wiedlisbach die Schweizer Meisterschaften für Automechaniker, die alle zwei Jahre stattfinden und als Vorausscheidung für den Fünf-Länder-Wettkampf im Januar 2005 im Tirol und schliesslich für die Berufsweltmeisterschaft in Helsinki gelten. Da die Bedeutung beruflicher Ausbildung und deren Stellenwert in der Öffentlichkeit oft unterschätzt werden, war der Wettkampf öffentlich.
Die 15 besten Automechaniker und die zwei besten Automechanikerinnen ihrer jeweiligen Region traten gegeneinander an. Sie mussten anspruchsvolle Arbeiten unter knappen Zeitvorgaben leisten, jeder und jede durchlief während zwölf Stunden 17 Arbeitsposten.
Voraussetzung war die Lehrabschlussprüfung, zudem dürfen die Teilnehmenden das 22. Lebensjahr an der
WM in Finnland noch nicht überschritten haben. Die Arbeiten entsprachen etwa der praktischen Lehrabschlussprüfung zum Automechaniker. Technisches Fachwissen, exaktes Arbeiten und Belastbarkeit waren die Kriterien für die jungen Fachleute aus der ganzen Schweiz. Das Niveau der Aufgaben in Wiedlisbach war vergleichbar mit dem, was die jungen Berufsleute an der Berufsweltmeisterschaft in Helsinki erwartet.

Fehlersuche unter Zeitdruck bei einem Überraschungsmotor

«Es geht darum, die Drehrichtungen des Motors festzulegen», sagt der 24-jährige Experte Andreas Bühler und übergibt Robert Frischknecht, seinem Kandidaten, das Blatt, das dieser während des Arbeitspostens auszufüllen hat. Robert Frischknecht hat exakt 50 Minuten Zeit für die Arbeiten beim Posten 6, «Motormechanik». An einem Peugeot-Motor muss er die Drehrichtungen festlegen, Zahnriemen montieren, die Spannung des Zahnriemens kontrollieren und vieles mehr. Eine respektable Liste an Arbeiten ist zu bewältigen, wobei Arbeitssicherheit und Ordnung wiederum gross geschrieben werden. Andreas Bühler holte vor zwei Jahren selbst die Bronzemedaille an der Berufsweltmeisterschaft in Korea: «Da ich diesen Weg auch schon gegangen bin, weiss ich genau, was es bedeutet, alle diese Posten zu bewältigen.»
Das Schwierigste sei es oft, den Fehler erst einmal ausfindig zu machen. Die Teilnehmer dürfen nur notwendige Fragen stellen, sie dürfen ein Handbuch des jeweiligen Herstellers benutzen. Mal ist es ein Renault, den es zu reparieren gilt, mal ein Toyota oder ein Opel. «Die Anforderungen sind hoch», erklärt der Experte. «Die Kandidaten müssen flexibel sein im Umdenken, weil sie nicht wissen, mit welcher Motorenmarke sie arbeiten müssen. Und der Zeitdruck ist enorm.»
Der 21-jährige Robert Frischknecht aus Engelburg hantiert am Kernstück des Peugeot-Motors, misst die Spannung des Zahnriemens, blättert im Handbuch, macht sich Notizen. Nach 50 Minuten ist die Zeit um. «Ein schwieriger Posten», meint er. «Normalerweise arbeite ich nicht an Peugeots, es war ungewohnt.» Es habe Arbeiten gegeben, die er in dieser Art und Weise zum ersten Mal ausgeführt habe.
Während Robert Frischknecht schraubt und misst, blicken ihm einige Besucher neugierig über die Schultern. Weil der Wettbewerb erstmals öffentlich zugänglich ist, können Schüler, Lehrer, Eltern, Lehrmeister und andere hautnah die Leistungen der Jugendlichen miterleben. So gilt die Schweizer-Meisterschaft gleichzeitig als ein Teil der Berufsinformation. Erstaunlich viele Jugendliche nutzen die Gelegenheit, den Beruf des Automechanikers live zu erleben, und blicken den Wettbewerbsteilnehmern neugierig über die Schultern.
Der Ablauf der Schweizer-Meisterschaften, die Dauer und der Umfang der Meisterschaft wurden dieses Jahr neu konzipiert. «Wir haben die Arbeiten gegenüber der letzten Ausscheidung neu festgelegt und die Ansprüche erhöht», erklärt Jürg Fluri, Bereichsleiter Aus- und Weiterbildung des Verbandes. «Wir wollen sicherstellen, dass der Gewinner gute Chancen an der Berufsweltmeisterschaft 2005 in Helsinki haben wird.» Als Sieger gingen schliesslich Christophe Oulevay und Benjamin Haus hervor. Wir drücken für Helsinki die Daumen.

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