«der arbeitsmarkt» 06/2005

Wenn Tester Tests unter die Lupe nehmen

«Persönlichkeitstests auf dem Prüfstand» war Thema eines Seminars an der Fachhochschule Solothurn in Olten. Einigkeit herrschte in einem Punkt: Nur auf einen Test abgestützte Personalentscheide sind unseriös.

Hand aufs Herz – wurden Sie im Kolleginnen- und Kollegenkreis auch schon nach Ihrem Sternzeichen gefragt oder wollten Sie es von anderen wissen? Sie fragen sich vielleicht, was denn Astrologie mit einem Seminarbericht über Persönlichkeitstests auf dem Prüfstand zu tun haben soll? An der Podiums-diskussion vertrat Prof. Dr. Klaus-Dieter Hänsgen, Direktor des Zentrums für Testentwicklung und Diagnostik (ZTD) der
Universität Freiburg, eine provokante These. Auch die Sternzeichen können ein Beratungsgespräch positiv beeinflussen, besser gesagt, das Reden darüber. Er unterscheidet zwei Arten von Einsatzgebieten für Persönlichkeitstests. Zum einen die Assessments, Personalrekrutierungen sowie Potenzialerfassungen bei Standort-, Laufbahn-, Zielvereinbarungs- oder Outplacement-Prozessen. Andererseits das Gebiet von Beratungen und Coachings. Hier sei es nach Hänsgen durchaus denkbar, sich im Gespräch über Astrologie oder andere nicht wissenschaftliche Modelle an die Klienten anzunähern. Ganz klar müsse hingegen unterschieden werden, mit welchen Verfahren gearbeitet werde, wenn es um Personalentscheide gehe. Hier legt er die Messlatte bezüglich Qualität hoch.
Begriffe wie Objektivität, Validität und Reliabilität stehen in psychodiagnostischen Fachkreisen als Garanten für eine sorgfältige Überprüfung der unterschiedlichsten Testverfahren. Es besteht gar eine DIN-Norm (33430) im Bereich der Persönlichkeitstests. Testinstitute, wie beispielsweise die internationale Testkommission (ITC), überwachen die Qualitätsstandards der Angebote auf dem unübersichtlichen Testmarkt. Auf der saftigen, sprich rentablen Wiese der Anbieter von Psychodiagnostiktools wachsen die unterschiedlichsten Testpflänzchen. Alle schön anzuschauen, nicht alle jedoch gleichermassen geniessbar. Das Seminarpublikum, zur Hauptsache Personalfachleute, liess sich die Testszene durch Fachreferenten aus Wissenschaft und Forschung näher erläutern. Insbesondere Prof. Dr. Martin Kleinmann,
Experte für Managementdiagnostik am Psychologischen Institut der Universität Zürich, beeindruckte die Teilnehmenden mit seinem Referat. Mit einem humorvollen Vortrag über die wichtigsten Testverfahren, Anwendungsfelder, den zweckmässigen Einsatz sowie Nutzen, Grenzen und Auswahlempfehlungen für Anwender wusste er sein Publikum sowohl zu informieren als auch zu unterhalten.
Zwei Testanbieter und zwei Anwender plauderten mit den Fachreferenten im Rahmen der Podiumsdiskussion angeregt aus der Schule und boten den Zuhörenden interessante Einblicke in die Chancen und Risiken solcher computergestützter Testanwendungen. Um bei den Interessierten bzw. bei deren Klienten im Stellenbewerbungsprozess Bauchweh, Herzflattern und Kopfschmerzen vermeiden zu können, durften pro Person vorgängig zwei Probetests durchgeführt werden. Die Resultate konnten in dreizehn doppelt geführten Worksessions zu je 50 Minuten durch die Anbieter näher erläutert werden. In den kurzen Pausen wurde angeregt über die verschiedenen Verfahren diskutiert und Meinungen, Erkenntnisse sowie Visitenkarten ausgetauscht.
Als Fazit der Tagung hat sich die allgemein gültige Regel herauskristallisiert, dass je nach Ziel das geeignete Testinstrument gefunden und angewendet werden muss. Lediglich auf einen Persönlichkeitstest abgestützt Personalentscheide zu treffen, sei sicherlich kein seriöses Vorgehen. Dies die einhellige Meinung von Referenten und Publikum. Als Teil einer Strategie in der Personalarbeit, neben Gesprächen, Referenzen, Zeugnissen und Bewerbungsdossiers, könne ein solches psychodiagnostisches Werkzeug aber durchaus wertvolle Dienste leisten. Ein Test sei letztlich immer nur so gut wie die Anwender, die ihn nutzen. Und schlechte Tests (es gibt sie!) würden auch in guten Händen nicht besser. Es lohne sich in jedem Fall, bei allen Tests genau hinzuschauen und eine engere Auswahl zu prüfen, bevor man mit einem ungeeigneten Instrument für das Unternehmen und bei den Bewerbern mehr Schaden anrichtet als Nutzen generiert.
Das grosse Besucherinteresse zeigte, dass hier noch einiges an Informationsbedarf besteht. Ebenso wurde deutlich, dass sich Personalfachleute und Beratende der Verantwortung bewusst sind, die sie mit der Anwendung von psychodiagnostischen Tests eingehen. Für die davon Betroffenen, die Arbeitnehmenden, besteht also durchaus Hoffnung – die Sterne stehen jedenfalls günstig.

Buchtipps:
Brähler, Holling, Leutner & Petermann; (2002) Brickenkamp
Handbuch psychologischer und pädagogischer Tests, Band 2 (3., vollständig überarbeitete und erweiterte Auflage) Göttingen: Hofgrefe; ISBN 3-8017-1441-1

Hossiep & Mühlhaus; (2005), Personalauswahl und -entwicklung mit Persönlichkeitstests
Göttingen: Hofgrefe; ISBN 3-8017-1490-X

Kanning & Holling; (2002), Handbuch personaldiagnostischer Instrumente
Göttingen: Hofgrefe; ISBN 3-8017-1443-8

Internet:
http://www.unifr.ch/ztd/din
http://www.testpublishers.org/journal1.htm
http://www.eurotesting.it/start.jsp
http://www.intestcom.org

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