«der arbeitsmarkt» 11/2005

Warum Tamilen nicht Nein sagen

Die Welt ist ein Dorf. Die Chancen, einen Angehörigen einer fremden Religionsgemeinschaft am Arbeitsplatz oder im Bekanntenkreis zu haben, sind gestiegen. Der Religionswissenschafter Christoph Peter Baumann weiss, wie man die gröbsten Fettnäpfchen meidet.

Es ist wichtig, «nie die Fusssohlen gegen einen Buddhisten oder eine Buddhafigur zu strecken. Das gilt als Beleidigung und kommt unserem Stinkefinger gleich.» Solche Verhaltensregeln vermittelt der Basler Religionswissenschafter Christoph Peter Baumann in seinem Buch «Knigge der Weltreligionen». Mitglieder der säkularisierten westlichen Gesellschaft sollten «in der Lage sein, auf die religiösen Gefühle anderer Menschen und die der eigenen Kirche Rücksicht zu nehmen», findet er. Nicht zuletzt häuft sich der Kontakt mit fremden Religionen durch Zuwanderung und Reisen. Baumann erklärt im «Knigge» die Werte, Normen und Umgangsformen der fünf Weltreligionen. So erfährt der Leser, dass nicht nur Buddhisten beleidigt sind, wenn sie die Fusssohlen entgegengestreckt bekommen. Dasselbe gilt für Muslime und Hindus. Weitere nützliche Tipps seien hier erwähnt.
Die in der Schweiz lebenden Juden etwa sind ihrer Nationalität nach Schweizer. Einen Fauxpas begeht also, wer zwischen «Juden» und «Schweizern» unterscheidet. Wissenswert sind auch die jüdischen
Regeln für den Umgang zwischen Mann und Frau. Eine jüdische Frau etwa wird einen männlichen Besucher nicht ins Haus bitten, wenn sie alleine zu Hause ist. Auch unter Muslimen herrschen strenge Regeln bezüglich Geschlechtern. Männer und Frauen, die nicht miteinander verheiratet oder eng verwandt sind, dürfen nicht nebeneinander sitzen. Und wer neben einem Muslim zu sitzen kommt, sollte nicht nur auf die Haltung der Füsse, sondern auch auf die Beine achten: Sind sie übereinander geschlagen, gilt das als Missachtung.
Für Buddhisten gestaltet sich der Umgang zwischen Mann und Frau grundsätzlich unkompliziert. Dafür ist ihnen eine angemessene Distanz zwischen den Menschen ein Anliegen. So sind auch Händeschütteln und Umarmungen nicht gebräuchlich. Ganz so weit wie bei tamilischen Hindus führt das aber nicht: Um Distanz zu wahren, gilt für sie ein direktes Neinsagen als unanständig. Nur in Ausnahmen wird jemand auf ein Fehlverhalten hingewiesen. Wer ein Kind umarmt, auf den Arm nimmt oder gar küsst, begeht einen Übergriff.
Grundsätzlich rät Christoph Peter Baumann im Umgang mit Gläubigen jeglicher Religionen zu Zurückhaltung. Sein wichtigster Ratschlag: «Im Zweifel lieber einmal zu viel fragen.»

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