«der arbeitsmarkt» 01/2014TEXT: Nicola Mohler
Schweizer Burgundertrüffel

Spürnasen in der Stadt

Der Trüffel bietet Stoff für einen Krimi. In der Schweiz streifen immer häufiger Trüffler mit ihren Hunden durch die Wälder, um das schwarze Gold zu suchen. Während der Konkurrenzkampf unter den Jägern steigt, bleibt der Kilopreis tief.

Carolina Jaroch schnallt ihrer Hündin Ima die Leine ans braun-orange Hundegeschirr. Jetzt weiss die siebenjährige Weimaranerhündin, dass sie arbeiten darf. Schon folgt der Befehl: «Schnüffel!» Ima zieht ihre Besitzerin sogleich Richtung Gebüsch. Das gelbe und braune Laub am Boden raschelt. Die Raben krähen an diesem kalten Herbsttag in der Umgebung von Zürich. Nicht mal 20 Sekunden vergehen, da scharrt Ima. Carolina Jaroch bückt sich mit der Trüffelhacke in der Hand zur Erde. «Fein!», sagt sie. Ima hört sofort auf zu scharren und erhält ein Biskuit zur Belohnung. Carolina Jaroch macht sich von Hand zu schaffen. Mit der Hacke lockert sie vorsichtig die Erde auf, ohne Wurzeln oder den Trüffel zu verletzen, der etwa zehn bis fünfzehn Zentimeter unter der Oberfläche liegt. Ihre Hand greift in die Erde und hebt einen Burgundertrüffel hoch. An der schwarzen Kruste mit den pyramidenförmigen Warzen klebt Erde. «Fein, Imeli!», freut sich die Besitzerin. Ima wedelt mit dem Schwanz und wartet auf den nächsten Befehl. Doch bevor dieser folgt, füllt Carolina Jaroch das Erdloch. Um mit dem schnellen Tempo ihrer Hündin mitzuhalten, ist Carolina Jaroch sehr konzentriert. In ihrer Gurttasche liegen die Hundebiskuits griffbereit. Auf das Lobwort folgt sofort ein Goodeli. Denn gräbt Ima zu lange, zerkratzt sie entweder den Trüffel oder seine Wurzeln oder frisst ihn gar selbst.

Die gelernte Juristin erzählt, wie sie vor sieben Jahren auf den Trüffel gekommen ist. Regelmässig fuhr sie für ein Zürcher Restaurant ins Piemont, um die aktuellen Spezialitäten zu testen. Dort lernte sie den teuren weissen und den schwarzen billigeren Trüffel kennen. Beides sind Schlauchpilze, die unter der Erde wachsen. Ima war damals erst sechs Monate alt. «Was die Italiener können, können wir Schweizer auch», sagte sich Carolina Jaroch und bildete darauf Ima im Piemont, dem Mekka der weissen Trüffel, zum offiziellen Trüffelhund aus. Zurück in der Schweiz, dachte sie erst gar nicht daran, nach Trüffeln zu suchen, bis ihr ein Herr von seinem Fund schwarzer Burgundertrüffel in Zürich erzählte. «Da gab ich Ima auf einem Spaziergang den Befehl ‹schnüffel!›, und sie grub mir einen Trüffel nach dem andern aus», sagt die 37-Jährige. Mit einem Lachen erinnert sie sich an die Pilzkontrolleure, die mit diesem Fund überfordert waren. «Die kamen erst gar nicht darauf, dass ich ihnen Trüffel präsentierte.» Seit dieser Beute findet sie Trüffel auf etlichen Gras-, Laub- und Kiesflächen, auch im Wohnquartier. Hauptsaison ist von September bis Dezember.

Ein Abenteuer, das süchtig macht

Carolina Jaroch trüffelt an diesem Tag auch nicht im Wald. Sie sucht auf feuchten kalkhaltigen Böden unter Linden, Buchen und Haselgewächs, in deren Wurzelgeflechten sich der Pilz besonders wohl fühlt. Mit ihren geschulten Augen ahnt sie, wo sich Trüffel befinden. «Die günstigen Bäume sind von Region zu Region verschieden», sagt die erfahrene Trüfflerin, während sie zwischen Haselstauden hervorschaut. Trüffeln ist für sie ein Abenteuer: «Im Gegensatz zu allen anderen Hundetrainings und Sportarten bin ich beim Trüffeln von der Natur und dem Tier abhängig. Das macht die Suche spannend.» Das Abenteuer hat Suchtpotenzial. «Wenn ich abends ausgehe und an einer Ecke Trüffel vermute, will ich sie ausgraben. Sonst macht das jemand anders.» Die Mitstreiter schlafen nicht. Überhaupt scheint mit dem in Mode gekommenen Trüffeln der Konkurrenzkampf immer grösser zu werden. Während früher einzelne Pioniere unterwegs waren, jagen heute hunderte von Trüfflern mit ihren Hunden durch die Wälder. «Ich habe an meinen Trüffelplätzen vergrabene Würste gefunden», erzählt Carolina Jaroch. «Da will ein Konkurrent meine Hunde ablenken.» In Italien gehe die Rivalität sogar so weit, dass die Jäger die Hunde ihrer Mitstreiter vergiften.

Während der Trüffelsuche ist Ima angeleint. «Mein Hund darf nicht in der Gegend rumlaufen und überall Löcher graben», sagt Carolina Jaroch. «Ima trüffelt nur auf Befehl.» Ein Muss, das die Hundeschulebesitzerin in ihren Kursen seit eineinhalb Jahren lehrt, obwohl sie sich zu Beginn gegen den Unterricht sträubte. Während mit dem wachsenden Interesse für Trüffel auch das Ausbildungsangebot für Hunde grösser wurde, realisierte sie, dass viele ihrer Hundeschulekunden unseriöse Kurse besuchten. Da änderte sie ihre Einstellung. «Seit 2012 habe ich rund 40 Hunde zum Trüffeln ausgebildet.» Für sie hat der Schutz der Trüffel oberste Priorität. «Meine Kunden wissen, wie wichtig es ist, ein Loch wieder zuzudecken. Sonst wachsen Trüffel nicht mehr nach.» Unter den rund 40 ausgebildeten Rassen seien nur zwei Lagottos dabei, die in der Öffentlichkeit als der Inbegriff des Trüffelhundes gehandelt werden. «Ein verzerrtes Bild», sagt Carolina Jaroch. «Jeder Hund kann trüffeln, egal ob Bulldogge oder Schäferhund.» Die Ausbildung ist in wenigen Tagen möglich, davon ist die Zürcherin überzeugt. Ein Lagotto sei bei der Suche nach dem schwarzen Gold eher hinderlich, schliesslich ahne jeder, dass der Hund auf Trüffel abgerichtet sei.

Nach Männerschweiss riechend

Inzwischen hat Carolina Jaroch an diesem Tag zusammen mit Ima schon gut 300 Gramm Trüffel gefunden. Nicht alle sehen gleich aus; einige sind angebrochen und lassen das maronefarbige Fruchtfleisch erblicken, andere tragen noch ihr intaktes schwarzes Warzenkleid. An einem Trüffel klebt ein Wurm. «Ein Zeichen, dass der Trüffel reif ist», erklärt Carolina Jaroch. Der Trüffel zieht mit seinem starken Aroma Käfer, Würmer und Maden an, die ihn fressen. Sie sorgen mit den Sporen in ihrem Kot dafür, dass sich der Schlauchpilz vermehrt. Der Trüffel mit dem daran klebenden Wurm riecht feucht, erdig, irgendwie nicht einzuordnen und überhaupt nicht nach weissem Trüffel aus einem italienischen Restaurant. «Trüffel riecht wie Männerschweiss», sagt Carolina Jaroch, «zumindest sagen das Experten, weil man dem Trüffel eine erotisierende Wirkung nachsagt.» Doch auch das sei ein Mythos. Dass Hündinnen den nach einem männlichen Hormon riechenden Pilz besser finden, kann Carolina Jaroch aus ihren Kursen nicht bestätigen. «Rüden trüffeln genauso gut.»

Versteckte Trüffeljagd

Carolina Jaroch trüffelt mittlerweile kaum noch zum eigenen Vergnügen, denn Zeit zum Kochen habe sie selten. Sie geht dann auf die Jagd, wenn sie Trüffel für die Hundeausbildung braucht oder wenn sie Hampi’s Pilzhaus & Delikatessen in Unterengstringen beliefern muss. Der Grosslieferant für Gastronomiebetriebe und Comestiblesgeschäfte nimmt ihr alle Trüffel ab, auch diejenigen, die angekratzt sind. «Mit dem Trüffelsuchen wird niemand in der Schweiz reich», relativiert Carolina Jaroch die Hoffnung vieler. Von den Preisen für den weissen Alba-Trüffel können Schweizer Hobbytrüffler nur träumen. Für erste Qualität dieser Trüffelart müssen Gourmets in Delikatessengeschäften mit einem Kilopreis von bis zu 10 000 Franken rechnen. Dagegen bezahlt man für ein Kilo hiesige schwarze Burgundertrüffel rund 600 Franken.

Während der Trüffelsuche lässt Carolina Jaroch Ima plötzlich die Leine apportieren. Tut so, als ob sie mit dem Hund übe. Ein Spaziergänger geht vorbei. «Damit niemand merkt, dass ich hier trüffle, lenke ich mit Hundeübungen ab.» So will sie verhindern, dass ihr Trüffelplatz bekannt wird und sie von Passanten einen Rüffel einfängt, weil sie in der Erde buddelt. Als grösste Herausforderung beschreibt Carolina Jaroch die Angst, entdeckt zu werden. Deshalb trüffelt sie auch mit ihrem zweiten Hund Lio, einem einjährigen Chihuahua-Havaneser-Mischling. Er bringt beste Voraussetzungen mit. «Ihn kann ich in einer Tasche verstecken und so unauffälliger suchen.» Carolina Jaroch geht immer nur mit einem Hund trüffeln. Zu schnell graben acht Beine, mit denen zwei Menschenhände mithalten müssten. Während ihrer Schatzsuche habe sie noch nie einen Mitstreiter angetroffen. Das könnte sich in Zukunft ändern, weil 2012 ein Trüffler in der Region Genf zum ersten Mal 200 Gramm vom teuren weissen Trüffel gefunden hat. Mögliche Erklärung für diesen wertvollen Fund ist die Klimaerwärmung. Wird das weisse Gold in Zukunft vermehrt nördlich der Alpen und so vielleicht auch in Zürich zu finden sein, müsste Carolina Jaroch öfters nachts trüffeln gehen. Dann, wenn die Konkurrenz hoffentlich schläft.

Wer sucht, der findet
Trüffeljagd Beim Trüffeln gilt wie beim Sammeln von Steinpilzen und Eierschwämmen: Jedermann darf überall trüffeln, ausser er befindet sich auf Privatbesitz. Im Kanton Zürich darf zwischen dem Ersten und Zehnten des Monats nicht getrüffelt werden. Diese Pilzschontage sind aber von Kanton zu Kanton unterschiedlich und nach heutigem Wissensstand in Frage gestellt. So hat sie der Kanton Bern 2012 beispielsweise abgeschafft.
Trüffeln mit Vierbeinern Während sie früher mit Schweinen, Ziegen oder Bären suchten, dienen seit etwa 20 bis 30 Jahren den meisten Trüfflern dressierte Hunde als Schnüffelnasen.
Trüffeln ohne Vierbeiner Bei der Suche mit Trüffelfliegen ist viel Erfahrung gefragt. Die Fliege legt ihre Eier genau dort auf der Erde ab, wo darunter Trüffel wachsen. Die aus den Eiern geschlüpften Maden wandern nach unten und fressen die Trüffel.
Trüffelvereinigung Interessierte schlossen sich 2009 mit dem Ziel zusammen, den Schweizer Trüffel bekannter zu machen. Dazu organisiert die Vereinigung in verschiedenen Städten Trüffelmärkte.

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