«der arbeitsmarkt» 11/2006

Selbst ist die Frau

Selbstmarketing ist vielen erwerbslosen Frauen noch immer fremd. Wie sie ihre Bewerbungen durch konsequente Anwendung von klassischen Marketingstrategien erfolgreich gestalten können, wurde jetzt in einem Pilotprojekt im Kanton Aargau getestet.

Erfolg ist immer eine Kombination aus Fachwissen und Selbstmarketing. Was sich in den letzten Jahrzehnten geändert hat, ist die Gewichtung der beiden Komponenten. Fachliche Kompetenz ist nur zu 10 Prozent für den beruflichen Erfolg verantwortlich, die restlichen 90 Prozent fallen auf das Image (30 Prozent) und auf Beziehungen (60 Prozent). Diese Zahlen stammen aus einer IBM-internen Studie aus den 90er Jahren.
Das heisst: Frauen können noch so talentiert und fleissig sein, erst wenn sie dafür sorgen, dass ihre Leistung auch gesehen, geschätzt und gefragt wird, haben sie Erfolg. Nicht die Leistung an sich wird belohnt, sondern die sichtbar demonstrierte Leistung. Mangelndes Selbstmarketing wird auch bei der Stellensuche sowie bei Lohnverhandlungen deutlich.

Auf Erfahrungen und Stärken fokussieren

Hier verspricht die erste Pilotreihe der «Train-the-Trainer»-Seminare zum Thema «Frauen und Selbstmarketing» Abhilfe. Nachdem das Konzept auf Französisch in den Kantonen Wallis und Bern schon positiv angelaufen ist, soll das Seminar nun auch im Kanton Aargau angeboten werden. Der Kanton gibt Starthilfe für die Pilotreihe mit dem Ziel, Berufsberatende und Bewerbungstrainer mit dem Konzept vertraut zu machen, damit diese ihre neuen Erkenntnisse an ihre erwerbslosen Klientinnen weitergeben können.
«Frauen verkaufen sich nicht zwingend schlechter als Männer», sagt Christian Kälin, Bereichsleiter der Logistikstelle Arbeitsmarktliche Massnahmen (LAM) des Kantons Aargau, der mit der Prüfung von neuen Kursangeboten betraut ist und die Pilotreihe fördert. «Gerade in Berufen, in denen Frauen mit Männern konkurrenzieren, kann ein fokussiertes Ausarbeiten von Stärken und Erfahrungen unter Frauen gewinnbringend sein. Sehr überzeugend fanden wir die Selbstmarketingmethodik. Mit ihr kann die Unique Selling Proposition (USP) effektiver gestaltet und somit die Arbeitslosigkeit verkürzt werden», führt er aus. Das Konzept der Pilotreihe hat David Veenhuys entwickelt. Der gebürtige Niederländer lehrt an der Universität Lausanne und ist Unternehmer in den Bereichen Marketing, Design und Ausbildung. Er begann seine Karriere als Marketingprofi bei Procter & Gamble. David Veenhuys hat seine Gedanken über Selbstmarketing in einem Ratgeber festgehalten, der als Ergänzung zum Seminar angesehen werden kann. Er ist unter dem Titel «Frauen brauchen nicht zweimal besser zu sein – nur zweimal schlauer» in deutscher und französischer Sprache Mitte Oktober 2006 erschienen.

as Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann (EBG) unterstützt die Herausgabe des Buches und die Durchführung der Seminare in der Westschweiz. Geschrieben hat David Veenhuys das Buch «für Frauen, die in einem von Männern dominierten Unternehmen arbeiten oder in einer solchen Institution eine Stelle suchen und nicht wissen, wie sie sich verkaufen und wie sie möglichen Vorurteilen gegenüber ihrem Geschlecht begegnen können». Diese Zielgruppe spricht er auch in seinen Seminaren an. Die Pilotreihe in der deutschsprachigen Schweiz führt er zusammen mit Ulrike Clasen durch. Die gebürtige Deutsche ist seit 2001 mit ihrem Unternehmen Kadertraining als Coach und Trainerin tätig und verfügt über eine breite Erfahrung im Bereich Human Resources, zuletzt als Leiterin bei Schering (Schweiz) AG.

Selbstmarketing heisst auch netzwerken

Das Seminar «Frauen und Selbstmarketing» unterstützt Frauen dabei, ihr eigenes Profil zu entwerfen, das sich von allen anderen unterscheidet. Sie erarbeiten Strategien, dieses Profil zu kommunizieren, also Öffentlichkeitsarbeit in eigener Sache zu betreiben. Ausserdem ist mit Selbstmarketing untrennbar die Arbeit an Netzwerken verbunden. Beruflich erfolgreiche Frauen sollten vermehrt Kolleginnen, Freundinnen und Bekannte als bestehendes Netzwerk betrachten, für ihre berufliche Entwicklung nutzen und lernen, aktiv neue Netzwerke aufzubauen.

Was lernen erwerbslose Frauen konkret? Grundsätzlich geht es um folgende Themenfelder:
• Welches sind meine Stärken?
• Wie präsentiere ich mich perfekt?
• Wie baue ich ein funktionierendes Netzwerk an beruflichen Kontakten auf?
• Wie wirke ich beim Vorstellungsgespräch auf mein Gegenüber?
• Wie finde ich eine Stelle?
• Wie organisiere ich mich selbst?

Das Besondere am Seminar ist, dass die klassischen Marketingstrategien auf die Stellensuche übertragen werden. Sich professionell selbst zu «vermarkten» heisst, die modernen und erfolgreichen Marketingwerkzeuge für die Stellensuche einzusetzen; zum Beispiel Kundenbedürfnisse abzuklären, Wettbewerbsvorteile zu evaluieren und einen verbindlichen Marketingplan zu erstellen. Genau so agieren Firmen, wenn sie ihre Dienstleistungen und Produkte erfolgreich auf den Markt bringen. Des Weiteren werden Frauen dafür sensibilisiert, was sie in ihrer beruflichen Entwicklung benachteiligt, wie diese Hürden überwunden werden können und wie sie Vorurteilen begegnen können.

Die Teilnehmdenden des Aargauer Pilotseminars hatten einen unterschiedlichen Erfahrungshintergrund; die heterogene Gruppe setzte sich aus Bewerbungstrainern, Berufsberaterinnen, Psychotherapeuten, Sozialarbeiterinnen und Gleichstellungsbeauftragten zusammen. Auf die Frage, was ihr am Seminar «Frauen und Selbstmarketing» besonders gefällt, antwortet Angelika Sidler, Inhaberin des Unternehmens LivingCorp –
Personal & Corporate Power aus Zürich: «Überzeugt hat mich, dass Frauen merken, dass sie im Arbeitsmarkt Ansprüche stellen, diese gezielt verfolgen und darauf beharren dürfen. Dass Frauen sich über Selbstmarketing ernsthaft und professionell mit sich auseinandersetzen, sich neu definieren, sich ein Profil geben und gleichzeitig ihr Selbstbewusstsein und ihre Überzeugungskraft stärken können.»

Schlüsselbotschaft und bewusste Stärken

Ähnlich empfindet auch Pia Allemann, stellvertretende Heimleiterin in einer sozialpädagogischen Wohngemeinschaft für junge Frauen aus Zürich: «Sehr innovativ finde ich, dass von der Situation der Frau ausgegangen wird und von dem, was einer Frau an Vorurteilen entgegenkommen kann.» Und Yvonne Kraft, Mitglied der Kommission für die Gleichstellung von Frau und Mann des Kantons Zug und seit einem Jahr selbständig in der Projektleitung, meint: «Die Marketingstrategie und das Kommunikationskonzept helfen den Frauen, sich ihre Schlüsselbotschaft und ihre Stärken bewusster zu machen und auch das zukünftige
Unternehmen in den Mittelpunkt zu stellen, um sich dort als Problemlöserin vorzustellen.»
Auch Christian Kälin vom LAM Aargau ist der Meinung, dass das Konzept und die Inhalte von grossem Nutzen sein werden. «Die im Seminar ausgebildeten Trainer und Trainerinnen sollen Elemente des Kurses in ihre Angebote übernehmen und einweben, damit den Bedürfnissen von qualifizierten Frauen bei der Stellensuche noch mehr entsprochen werden kann.» Er wertet das Seminar als eine kleine und feine Ergänzung zum bestehenden Angebot an Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung.

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