«der arbeitsmarkt» 02/2006

Schnurepfluderi, berufsbedingt

Die Sängerin Amanda tritt im Musical auf, schreibt ihre eigenen Songs – und moderiert eine umstrittene Rätselshow im Fernsehen. Das bedeutet, zwei Stunden nonstop zu quasseln.

«Achtung, no foifevierzg Sekunde, foifevierzg! Jetzt schaffsch dus au. Glaub ich. 1700 Franke send jetzt im Jackpot. Wenn ehr die rechtig Lösig säged. Ond denn die rechtige drü Buechstabe uufdeckid, ghört euch das Gäld.» So animiert die Aargauerin Amanda das Fernsehpublikum. Sie moderiert die Sendung WWT (Web Wap Telefon) auf Viva Schweiz. Das ist eine der zahlreichen Rätselshows, die spätabends über die Mattscheibe flimmern und mit stattlichem Gewinn locken. Die Zuschauer werden von der Moderatorin aufgefordert, die Lösungen durchzutelefonieren. Der Anruf kostet 1.50 Franken, auch wenn das Band sagt: «Au schad, dasmol heds leider nöd klapped. Probiers doch grad nomol.» So alle zehn Minuten wird ein Anrufer in die Sendung durchgestellt. Oft sind die Rätsel aber zu knifflig für einen schnellen Gewinn. So findet auch diesmal kein Anrufer bei Amanda die Lösung. «Zähle alle Franken», lautet die Aufgabe. Auf dem Bildschirm sind vier Geldscheine zu sehen. Einfach die Summe des Geldwertes zusammenzählen reicht nicht, es ist eine Finte eingebaut. Sind die Rätsel einfacher, ist der Gewinnbetrag klein. Und um den fetten Jackpot zu knacken, braucht es viel Glück.
Das erzürnt nicht nur die interaktiven Zuseher. Manche telefonierten unzählige Male und wunderten sich Ende Monat über die hohe Telefonrechnung. Das rief Medien und Konsumentenschützer auf den Plan. Inzwischen beschäftigt sich die Justiz mit den Sendungen. Beim Spiel muss auch eine kostenlose Teilnahme möglich sein. Sonst verstösst es gegen das Lotteriegesetz. Diese Möglichkeit ist durch eine Teilnahme per Postkarte, Internet und Wap-Handy gegeben. Ob das ausreicht, darüber streiten sich die Anwälte. In den Internet-Foren ergiesst sich nicht nur deshalb Häme über die Shows und deren Moderatoren. Musikfans monieren den Verlust von täglich zwei Stunden Videoclips auf Viva Schweiz. Und sie schütteln den Kopf über die Moderatoren. Stellvertretend fragt sich «Nickname»: «Ich kann nicht verstehen, wie man diesen Job machen kann. Auf der Mattscheibe um jeden Preis?» Und er kommt zum Schluss: «Da finde ich Burger kehren im McDonald’s noch ehrenvoller als WWT-Moderatorin.»

Von der grossen Bühne zurück zu den Wurzeln der (Musical-)Familie

Amanda sitzt auf der Bühne der Winterthurer City-Halle. In wenigen Stunden wird sie dort die Macchina geben, eine Hauptrolle im Musical «Space Dream 2». Den Moderatorenjob auf Viva sieht sie pragmatisch: «Das könnte ich auch nicht zehn Jahre lang tun.» Aber er gibt ihr Moderationserfahrung. «Zwei Stunden live auf Sendung, da kann alles passieren», sagt sie und erzählt von einem Stromausfall und anderen Pannen. Am meisten gefällt ihr der Freiraum, den sie bei der Moderation hat. Sie hat aber auch Vorgaben: Ab und an soll sie die Spielregeln erklären und darauf hinweisen, dass auch eine Teilnahme per Postkarte, Internet oder Wap-Handy möglich ist. Sie muss vor allem aber die Fernsehzuschauer dazu bringen, zum Telefonhörer zu greifen. Eine Uhr zeigt jeweils an, wie lange das Rätsel noch auf dem Bildschirm ist.
Zwei Stunden dauert die Sendung jeweils zwischen 22 und 24 Uhr. Zwei Stunden soll Amanda neben der Animation auch unterhalten. Nicht immer fällt ihr etwas ein. Manchmal gibt ihr die Regie was ein oder sie erzählt ein Witz. Und wenn ihr gar nichts mehr einfällt, wiederholt sie die Telefonnummer. «Und das tu ich sehr oft», lacht die energische Frohnatur. Dieser Wesenszug erleichtert ihr das Engagement bei Viva Schweiz. Selber nervte sie sich früher über die Rätselshows und zappte weiter. Heute schaut sie manchmal rein, um zu sehen, wie sich die anderen Moderatoren abmühen. «Es ist niemand gezwungen, einen Franken fünfzig auszugeben für einen Anruf», findet sie. Ihr ist klar, dass die Sendung umstritten ist. Das bekam sie auch schon live zu hören. Frustrierte Zuschauer brachten so viel Geld und Geduld auf, bis sie in der Leitung waren, nur um ein «Du bist Scheisse» loszuwerden. Amanda nimmt die Kritik nicht persönlich. «Da sage ich jeweils: ‹Danke für die 1.50.›» Die Kritik ist wohl mit ein Grund, warum Amanda ihren Nachnamen für sich behalten will.
Ihr Selbstbewusstsein bezieht die 27-jährige Aargauerin aus den Musicalauftritten. Schon in der Maske blüht sie auf. Später im Musical lässt sie keine Fragen offen. Amanda spielt ihre Rolle mit der Abgebrühtheit eines alten Cracks. Das kommt nicht von ungefähr. Bereits mit 15 Jahren sang sie im Chor von «Space Dream», damals noch in Baden. Während ihrer Lehre zur Floristin stand sie täglich zehn Stunden im Blumenladen und half abends noch stimmgewaltig im Musical mit. Mit 19 bekleidete sie die erste Hauptrolle, mit 20 wurde sie festes Mitglied des Ensembles. Mit 23 Jahren schaffte sie den Sprung von null auf eins in der Schweizer Hitparade mit der gecasteten Girlband Tears. Drei Jahre blieben die vier Mädchen zusammen. Sie bestritten das Vorprogramm von DJBobo in Europa. Dauerhafter Erfolg wollte sich aber nicht einstellen, die Band löste sich wegen finanzieller Probleme auf. «Mir fehlten die Live-Auftritte. Zu oft reisten wir von Promotermin zu Promotermin», resümiert sie die Zeit als Teeniestar. Amanda zog es zurück zu ihren Eltern und zum Musical, zurück zur privaten und zur beruflichen Familie. Dort fand sie den nötigen Halt. Sie fing sich wieder und mutierte dank ihrer aufgestellten Art inzwischen zum guten Geist in der Musical-Familie, wie ihre Mitkünstlerinnen versichern.

Informationen zu Einnahmen und Zuschauerzahlen sind nicht erhältlich

Seit einem Jahr schreibt sie eigene Songs («Mundart-Rock») und nimmt Gesangsstunden. Sie weiss: «Meine Stimme ist mein Kapital.» Das Schlimmste wäre für sie ein Stimmverlust. Die zwei Stunden Dauermoderation bei der Rätselshow sind ihrer von Natur aus ein wenig heiseren Stimme nicht gerade zuträglich. Amanda versucht, ihr Ausgehverhalten zu drosseln und gesund zu leben. Auch das Rauchen hat sie eingeschränkt. Bei einer Erkältung läuft sie Gefahr, dass sie nicht arbeiten kann. Dennoch, ihre derzeitige berufliche Situation komme einem Traumjob nahe, findet sie. Sie moderiert, sie singt und schreibt ihre Songs. Sie träumt nicht,
sondern lebt ihren Traum. Und entspricht damit einer der Hauptaussagen von «Space Dream 2». Wie viel sie derzeit mit ihren Auftritten einnimmt, will sie nicht sagen. Genug jedenfalls, um ab und zu exzessiv zu shoppen und dennoch etwas auf die Seite zu legen. Falls wieder schlechtere Zeiten anbrechen sollten.
Bei der Rümlanger Firma Voice Publishing, welche die Rätselshows für die Sender Viva Schweiz, Sat.1 Schweiz und StarTV mitproduziert, wird nicht über Geld geredet. Geschäftsführer Andreas Auerbach schreibt auf Anfrage einzig, dass die Moderatoren deutlich mehr als eine Migros-Kassiererin erhalten. Ebenso wenig mag Auerbach über Zuschauer- und Anruferzahlen reden, «aus vertraglichen Gründen». Laut einer Schätzung der Wirtschaftszeitung «Cash» verteilt Viva monatlich 120000 Franken an Gewinner. Pro Jahr wären das knapp 1,5 Millionen Franken. Produziert wird die Sendung von Callmedia in München. Amanda weilt deshalb oft unter der Woche in der bayrischen Metropole.
Seine Zurückhaltung begründet Auerbach mit der negativen Presse der vergangenen Monate. Vor allem die Moderatoren hätten gelitten. Und die würden doch einen guten Job machen. Über das Jobprofil gibt er in wenigen Worten Auskunft: Die Moderatoren müssen intelligent, aufgeschlossen und telegen sein. Sie würden geschult und ihren Job erfüllt haben sie, wenn die Sendung spannend sei, schreibt er weiter. Ob die Moderation einen Einfluss auf die Anzahl Teilnahmen hat, sei nicht eindeutig messbar. Dass sich Zuschauer einfach wegen der «telegenen» Moderatorinnen und nicht wegen der Gewinnchance die Sendung zu Gemüte führen, schliesst er nicht aus. Und begehrt ist der Job. «Es gibt sehr viele Bewerbungen.» Viele rechnen sich wohl eine Karriere als Moderatorin aus.
Für Amanda geht der Traum vielleicht in Erfüllung. Sie erwähnt ein «Grossprojekt in Deutschland», bei dem sie 2006 moderierend mit von der Partie sein könnte. «Es ist aber noch alles in der Schwebe.» Fest steht, dass sie bei einem Casting-Projekt für Kinder im Lokalsender Tele M1 zu sehen sein wird. Ob sie auch bei «Space Dream 3» singen wird, weiss sie noch nicht. Amanda lebt im Moment. Sie weiss aber, dass ihr Herz beim Musical ist, und: «Ich habe keine Existenzängste.»
Fraglich also, wie lange Amanda noch die Rätselshow moderieren wird. Für Andreas Auerbach jedenfalls ist klar, dass es die Sendung noch lange gibt, ob mit oder ohne Amanda, trotz des Rechtsstreits. Und solange sie läuft, wird sie ihre Zuschauer finden. «Marcopolo», der sich ebenfalls in einem Internet-Forum an der Diskussion über die Rätselshows beteiligt, weiss, warum: «Einen richtigen Boykott dieser Sendung wird es nie geben können. Weshalb? Weil sich gerade 7000 Franken im Jackpot befinden, du den Fehler auf dem Bild sogar als Blinder erkennen würdest und jetzt deshalb anrufen sollst auf 0901.» 

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