«der arbeitsmarkt» 09/2006

Privater Netzwerker

Headhunter für Spitzenfachleute gibt es viele. Für gering Qualifizierte ist das Angebot aber dünn. Das Basler Büro Rohner vermittelt im Auftrag der Sozialämter Jobs und nimmt sich dafür die nötige Zeit.

Ein Klient ruft an. Kaspar Rohner schiebt die Latte macchiato aus dem nahe gelegenen Café beiseite und nimmt seine Agenda zur Hand. Darin sind bereits einige Termine eingetragen. «Grossartig! So macht es Spass», sagt Rohner stolz. «Ich darf unterschiedlichsten Menschen mit den verschiedensten Problemen helfen.»

Diesen Sommer erst wurde das Büro ohner gegründet. Die Einzelfirma, die Sozialhilfeempfänger bei der Wiedereingliederung unterstützt, arbeitet mit den verschiedenen Sozialämtern in der Region Basel zusammen, unter anderen mit den Baselbieter Gemeinden Pratteln und Birsfelden. «Die Mitarbeitenden auf den Ämtern können für einen einzelnen Klienten einen so grossen Zeitaufwand gar nicht erbringen», sagt der Neuunternehmer und erklärt den Ablauf: «Zuerst führe ich eine Motivationsabklärung durch – das ist der erste Schritt in die Zukunft. Danach folgen die Dossierbearbeitung und Administratives. Da ist der Klient aber nicht mehr dabei.» In dieser ersten Abklärung redet Rohner, der eine KV-Lehre bei Nestlé absolvierte und danach als Texter arbeitete, viel, aber wohlüberlegt. «Zuerst sichte ich das Dossier und bespreche jedes Detail. Manchmal müssen vom ehemaligen Arbeitgeber auch Arbeitszeugnisse umgeschrieben werden. Ich leite dies ein und kontrolliere anschliessend das Dokument wieder.» Es kommt vor, dass Leute zum Beispiel auf Grund einer langsam heilenden Verletzung oder Krankheit entlassen wurden. Ist der Arbeitssuchende wieder gesund, steht der Umstand immer noch im Zeugnis. Dann ruft Rohner sofort an und verlangt eine Korrektur. «Es kann nicht sein, dass solche Stolpersteine einen ein Leben lang begleiten.» Die Liste von möglichen Eingriffen und Korrekturen ist lang. Rohner hat ein grosses kreatives Flair fürs Texten. Deshalb überprüft er auch die Schreiben der Personalchefs auf systematische Codes. Darauf ist er spezialisiert.

In einem zweiten Schritt analysiert er, was der noch Erwerbslose überhaupt an Arbeit leisten kann. Wenn die suchende Person noch jung ist, noch keine Ausbildung hat und zudem bereit wäre, eine Lehre anzufangen, wird ein Ausbildungsplatz gesucht. «Ich suche eine Lehrstelle, kontaktiere die Ausbildner in allen möglichen Branchen und öffne damit Türen zur Arbeitswelt», so Rohner.

Immer wieder schreibt der Kreativtexter zusammen mit seinen Kunden Bewerbungsunterlagen und Lebensläufe. Sauber im Layout, orthografisch einwandfrei. «Es wird nicht gelogen oder gestreckt. Das Maximum wird sauber aufgelistet und chronologisch aufgeführt», sagt Rohner und nimmt einen weiteren Schluck Kaffee. «Meistens bin ich an den Bewerbungsgesprächen dabei, was dem Erfolg oft zuträglich ist.»
Die ursprüngliche Geschäftsidee stammt von einem Gemeindepolitiker. Uwe Klein, Gemeinderat und Leiter Soziales der Gemeinde Pratteln, hatte den Gedankenblitz: «Wir suchten einen guten Schreiber, der den Sozialhilfeempfängern aus unserer Gemeinde auf die Beine hilft. Unsere Sozialarbeiter hatten für Beratungen und vor allem für das Schreiben von Bewerbungen einfach keine Zeit mehr. Kaspar Rohner macht das hervorragend.» Der CVP-Politiker und KMU-Unternehmer schwärmt förmlich von Rohner: «Natürlich ist er kein Sozialarbeiter. Aber er hat den Draht und die Antenne zu den Menschen und versteht sie. Er ist eine grosse
Hilfe in unserer Gemeinde.»

Nach der Motivationsabklärung wird das Dossier nochmals überarbeitet. Dann folgt der Denk- und Handlungsprozess. «Ich mache mir intensive Gedanken über einen lienten und seinen neuen Arbeitsplatz». erklärt Rohner. Der Neuunternehmer kennt die Arbeitssuche und ihre Tücken genau, war er doch selbst schon ohne Beschäftigung. «Wichtig ist, nie den Kopf hängen zu lassen», sagt der Optimist mit ernster Miene. Doch woher nimmt er die neuen Stellen für seine Klienten? «Ich arbeite mit meinem eigenen Netzwerk, also sehr vielen privaten Kontakten. Meine Klienten haben nicht das Zeug für den Verwaltungsrat der Novartis. Sie brauchen Jobs, die ohne grosse Ausbildung ausgeführt werden können: auf dem Bau, im Verkauf, bei Reinigungsinstituten, eventuell auch im Gastrobereich.» Laut Rohner gibt es Möglichkeiten, fast alle unterzubringen, die arbeiten wollen. «Ich habe die Erfahrung gemacht, dass sich Klienten nach drei Gruppierungen einstufen lassen: die, die wollen, die, die nicht wollen, und die, die man zum Arbeiten motivieren kann. Diese Gruppe macht mir am meisten Spass, die Erfolgserlebnisse sind da am grössten.»
Aber: Jemand ohne Ausbildung hat auch mit einem gut geschriebenen Dossier kaum eine Chance auf dem Arbeitsmarkt. Mit einem gestylten Dossier bekommt er höchstens eine bessere Absage. Rohner hat in seinem
Stapel von Dossiers tendenziell schwierig zu vermittelnde Klienten. «Von Problemfällen spreche ich nicht gerne. Es gibt auch solche mit Ausbildung, die haben aber meistens andere Lebensprobleme.» Im Klartext heisst das Menschen mit Suchtproblemen, Personen, die die Zeit nicht im Griff haben, ein Leben führen, das nicht gesellschaftskonform ist, oder schlicht und einfach zu faul sind. Der berufliche und soziale Background spielt dabei keine Rolle.

Einer, der es dank dem Büro Rohner geschafft hat, ist Marcel, 24, aus Kleinbasel: «Mit seinem Motivationsgeschick hat mich Herr Rohner innert weniger Stunden zu einem anderen Menschen gemacht. Jetzt kann ich wieder arbeiten und zahle meine Rechnungen wieder selber. Die körperliche Arbeit beim Zügelunternehmen stört mich nicht. Ich arbeite gerne mit den Händen.»

Eines der Unternehmen, die Klienten von Rohner eschäftigen, ist ein Möbelhaus aus der Region Basel.
«Einige konnte ich schon dorthin vermitteln, zwei haben gar einen festen Arbeitsvertrag unterschrieben», sagt er. Aufgrund ihrer fehlenden Ausbildung und ihrer nicht glamourösen Schulnoten hätten die beiden nie und
nimmer überhaupt nur einen Fuss auf den Boden der rbeitswelt setzen können. «Ich spüre grosses Interesse der Privatwirtschaft, diese Menschen zu engagieren. Abgewimmelt wurde ich von einem Personalverantwortlichen noch nie.» ro Stunde kostet Rohners Dienstleistung ab 110 Franken, die werden den Sozialämtern in Rechnung gestellt. Wie viele Stunden ein Dossier benötigt, kann ohner nicht sagen. «Es kann ein Glückstreffer sein, und dann reichen drei Stunden. Manchmal dauert es einfach länger. Mein Unternehmen ist noch zu jung, um da 1enaue Zahlen definieren oder eine fertige Statistik aus der Schublade ziehen zu können. Wichtig ist einfach, dass es so schnell wie möglich geht.

Birsfelden und Pratteln sind ein guter Anfang. Zurzeit ist Rohner zu 60 Prozent ausgelastet. Selbstverständlich hat er schon bei anderen Sozialämtern in der Region angeklopft. «Mit einem Bruchteil der momentan gemeldeten Sozialhilfeempfänger in der Nordwestschweiz könnte ich die Einzelfirma in eine GmbH umwandeln mit dem Ziel, möglichst viele Arbeitsplätze in meinem Büro zu schaffen.» Der letzte Schluck der Latte macchiato ist getrunken. Kaspar Rohner setzt die leere Tasse auf den Unterteller, und schon klingelt sein Handy .

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