«der arbeitsmarkt» 02/2005

Pfleglicher Umgang mit unserem Lebensraum

Eine bislang unveröffentlichte Studie des WWF zeigt: In den kommenden zehn Jahren können die umweltrelevanten Jobs in der Schweiz um 30000 ansteigen. Potenzial liegt in der ökologischen Landwirtschaft und im Ökotourismus, aber auch im öffentlichen Verkehr, Baugewerbe oder Maschinenbau.

«30000 neue Jobs in zehn Jahren im Umweltbereich sind eine durchaus erreichbare Zahl. Das setzt aber auch eine entsprechende Weichenstellung in der Wirtschafts-, Technologie- und Ressourcenpolitik voraus.» Ueli Bernhard, Umweltökonom und Bildungsbeauftragter des WWF Schweiz, wird der Öffentlichkeit noch in diesem Jahr eine Studie vorlegen. Analysiert wurden sämtliche 62 Wirtschaftszweige sowie die Entwicklung der ökologischen Märkte in der Schweiz, in Europa und weltweit. Als Grundlage diente das Zahlenmaterial aus den Jahren 1998 (als der ökoindustrielle Sektor bereits 50000 Beschäftigte aufwies und 10 Milliarden Franken Umsatz erzielte) bis 2002.
Grosse Wachstumschancen bieten beispielsweise der Detail- oder der Biohandel. Letzterer hat zwischen 1998 und 2003 eine Umsatzverdoppelung erfahren: Betrug der Schweizer Bioumsatz 1998 noch 574 Millionen Franken, belief sich dieser fünf Jahre später bereits auf 1,13 Milliarden Franken. Neue Märkte wie der Fairtrade oder die nachhaltige Waldbewirtschaftung weisen mit einem Wachstumsfaktor von nahezu 60 eine noch exponentiellere Kurve auf. Es gibt auch Märkte wie die Umweltforschung, worüber für die WWF-Studie kaum statistisches Material vorliegt, «wo die Schweiz aber einen Spitzenrang belegen könnte, würde das Schweizer Forschungs- und Beratungs-Know-how im Biolandbau in Länder mit null Biolandbau exportiert», ist Bernhard überzeugt.

Verschiedene Jobs, gleiches Ziel: Umweltrelevanz

Waren 1998 noch etwa 200 Firmen im Umweltmanagement ISO-zertifiziert, sind es heute rund 1000 Unternehmen, die sich nach den Regeln der internationalen Normenorganisation zertifizieren lassen.
Alleine die zertifizierten Biobetriebe (Stand 2002) sind in vier Jahren seit 1998 um 34 Prozent von 4397 auf 5897 angewachsen, das bebaute Land um 43 Prozent von 71000 auf 102000 Hektaren und die Zahl der Beschäftigten um 39 Prozent von 12510 auf 17452 gestiegen. «Wenn wir für die nächsten zehn Jahre mit einem Umsatzwachstum von 4,5 Prozent rechnen, sind wir bestimmt nicht optimistisch», meint Bernhard: «In Österreich, Frankreich oder Deutschland wird viel höher prognostiziert. England rechnet gar mit einem jährlichen Bio-Umsatzwachstum von 11 Prozent.»
Bei der Umweltmarkt-Definition stützt sich die WWF-Studie auf die OECD. Diese unterscheidet zwischen Entsorgungsmärkten (Luftreinhaltung, Abfallwirtschaft, Gewässer- und Lärmschutz usw.) und Ressourcenmärkten, die sich wiederum in verschiedene Teilmärkte unterteilen lassen. Der Zukunftsmarkt liegt für Bernhard überall dort, wo bei den Ressourcen angesetzt und eine nachhaltige Produktionsweise entwickelt wird. Das geschieht beispielsweise im Ökotourismus, in der energieeffizienten Bauwirtschaft oder in der nachhaltigen Forstwirtschaft.
Ob die 30000 Jobs auf Kosten bereits existierender Stellen gehen oder per saldo tatsächlich zusätzliche Stellen bedeuten, die sich bis in zehn Jahren aus der positiven Ökoindustrieentwicklung ergeben, kann in vielen Bereichen vorerst ebenso wenig beantwortet werden wie die Fragen, ob bestehende Märkte durch neue Märkte ersetzt werden und ein ökologischer Markt beschäftigungswirksamer ist als ein nichtökologischer. Bernhard: «Zur Beantwortung muss noch mehr Forschung betrieben werden, und das würde momentan unseren Rahmen sprengen.» So verschieden die neuen Jobs auch sein werden, ihr gemeinsamer Nenner ist eine hohe Umweltrelevanz.

Eidgenössisch diplomierte Umweltberatende

Die Tatsache, dass mit Schulung effiziente Ressourcennutzung erzielt werden kann, wird laut Ueli Bernhard jedoch viel zu wenig genutzt: «Das ist auch unser Bildungsansatz beim WWF. Jeder Beruf hat seinen Umweltbezug, und es geht darum, nicht nur Akademiker und Spezialisten auszubilden, die nachher für alles verantwortlich sind. Wir müssen dafür sorgen, dass auch Berufsleute ökologisch und im Sinne der Nach-
haltigkeit nachqualifiziert werden.»
Das kann ein Biobauer sein, der sich durch einen schonenden Umgang mit den Ressourcen auszeichnet, ein Bäcker-Konditor, der Rohstoffe aus biologischem Landbau verwendet, der Dekorationsgestalter, der Recyclingmaterial zu modischen Accessoires verarbeitet, oder ein Arzt, der am Forschungsprojekt «Umweltbezogene Gesundheitsstörungen» der Stiftung MGU (Mensch Gesellschaft Umwelt) mitwirkt. Auch eine KV-Stelle in Kombination mit der Umweltberater-Ausbildung bietet eine interessante Variante mit Zukunft, beschäftigen doch immer mehr Unternehmen einen Umweltmanagementverwalter. Die Fahrzeugbranche wiederum steht vor grossen technischen Herausforderungen zur Umsetzung der Klimaziele. Ein vom WWF-Bildungszentrum im Auftrag des seco ausgearbeitetes Ausbildungskonzept zum eidgenössisch anerkannten Wanderleiter könnte bereits heute umgesetzt werden. So betrachtet sind in der Schweiz bereits heute 80000 Beschäftigte im Umweltschutzbereich tätig. (In Deutschland sind es rund 1,5 Millionen Personen, bis 2010 wird mit 500000 zusätzlichen Stellen gerechnet.)
Die vorrangig als Umweltmarktstudie verstandene Untersuchung wird deshalb durch eine nachhaltige Bildungsstrategie der Berufswelt ergänzt werden müssen. Bernhard: «Wenn man erst einmal weiss, welche Märkte Potenzial haben, muss man in einem zweiten Schritt überlegen, welche Berufsfelder welches Know-how benötigen, um eben diese Märkte zu stärken.» Dies wird allerdings nicht mehr Aufgabe der Umwelttechnologie sein, sondern des Bundesamts für Berufsbildung und Technologie (BBT).
Mit dem Weiterbildungsangebot eines «eidg. dipl. Umweltberaters» besitzt das WWF-Bildungszentrum ein erprobtes Konzept, das den Teilnehmenden Kompetenzen in Umweltberatung mit Spezialisierung in einem ausgewählten Fachbereich vermittelt. Die zukünftigen Umweltberaterinnen und Umweltberater mit eidgenössischem Fachausweis spezialisieren sich in einer von acht Berufshauptgruppen entsprechend der offiziellen Berufssystematik Swissdoc des Schweizerischen Verbandes für Berufsberatung (SVB) (www.swissdoc.svb-asosp.ch).

Lehrgang für 24 Leute pro Jahr

Rund 300 Personen – Frauen- und Männer-anteil ausgewogen – haben seit den Neunzigerjahren diesen Abschluss in der Tasche. Jetzt ist der einjährige berufsbegleitende Lehrgang Umweltberatung und -kommunikation neu konzipiert worden. Er baut auf den Erfahrungen der Teilnehmenden aus ihrer Berufsausbildung und -praxis auf. Der Lehrgang besteht aus sieben Modulen, die einzeln oder in freier Kombination besucht werden können, und umfasst 44 Kurstage. Für die Berufsprüfung werden zwei Jahre umweltbezogene Berufspraxis plus zwölf fachspezifische Weiterbildungstage verlangt. Voraussetzungen für die Teilnahme am Lehrgang sind eine abgeschlossene Ausbildung oder gleichwertige Praxiserfahrung, Interesse an Umweltanliegen, Bereitschaft zur aktiven Teilnahme in Lerngruppen. Die jährliche Teilnehmerzahl ist auf 24 Leute beschränkt.

Weitere Informationen
www.wwf.ch/bildungszentrum
www.umwelt-berufe.ch
Bildungszentrum WWF
Bollwerk 35, 3011 Bern, T: 031 312 12 62
service@bildungszentrum.wwf.ch

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