«der arbeitsmarkt» 04/2005

Parkanlagen – die trendige Art, Freizeit zu geniessen

Wo innerstädtische Industrieareale umgenutzt werden, gewinnt der öffentliche Raum an Bedeutung. Wie die Parks der Gegenwart aussehen, manifestiert sich in der neuen City in Zürich-Oerlikon.

Die Realisierung des Zentrums Zürich-Nord gilt schweizweit als eines der grössten Umnutzungsvorhaben für
innerstädtische Industrieareale. Rund 5000 Personen werden auf dem Areal hinter dem Bahnhof Oerlikon wohnen, 12000 Arbeitsplätze sollen dort geschaffen werden. Will diese neue City mit Leben erfüllt werden, braucht es jedoch nicht nur Bauten, sondern auch Freiräume, die zu Begegnungsorten werden können. Nicht weniger als vier neue Parkanlagen mit einer Gesamtfläche von ungefähr fünf Hektaren werden deshalb zwischen den imposanten Wohn- und Geschäftshäusern realisiert. An der Spitze dieses grossen Bauvorhabens steht als Bauherrin Grün Stadt Zürich.
Was zeichnet einen modernen Park aus? «Gegenwärtig werden in Neuanlagen wieder vermehrt Grünflächen geschaffen», weiss André Schmid, Professor für Landschaftsarchitektur an der Hochschule für Technik Rapperswil (HSR): «Das heisst, es werden weniger Kies- oder Steinbeläge verwendet. Diskussionen, ob ein Platz oder Park erstellt werden soll, werden heute nicht mehr geführt, denn in erster Linie sollen die Anlagen
Leben ermöglichen.» Und wohin geht der Trend? «Im Parkanlagenbau», so Schmid, «gibt es derzeit keine
eindeutigen Trends.»

Bäume und Kletterpflanzen, Stahlgerüste und Aussichtsturm

Alles ist möglich? In Oerlikon, wo in grösseren Dimensionen gedacht werden konnte, wurde jedenfalls gründliche Konzeptarbeit geleistet. «Von Anfang an ordneten wir den vier Parkanlagen bewusst ganz unterschiedliche Themenkreise zu», so Ulrich Ammann, Landschaftsarchitekt und Projektleiter bei Grün Stadt Zürich.
«Jeder Park hat sein eigenes, persönliches Gepräge und ist so für eine bestimmte Nutzung besonders geeignet.»
Der Oerliker Park mit einer Fläche von 1,75 Hektaren wurde als erster der Parks im Sommer 2001 der
Öffentlichkeit übergeben. Er ist ein Quartierpark und ein idealer Ort, um im Familien- und Freundeskreis
einen vergnüglichen Tag zu verbringen. Von weitem sichtbar ist der blaue begehbare Aussichtsturm, der an die Hochkamine des früheren Industriegebietes erinnert. Das Herzstück des Parks bilden zusammen mit einer grossen Lichtung rund 900 Jungbäume, hauptsächlich Eschen, durchsetzt mit Birken, Kirschen-, Amber- und Blauglockenbäumen.
Eine Fläche von 0,9 Hektaren weist der nördliche Teil des MFO-Parks auf. Er wurde 2002 fertig gestellt und
erhielt bereits mehrere internationale Auszeichnungen, darunter 2003 den prestigeträchtigen deutschen «public-design»-Preis. Wie eine überdimensionale Gartenlaube, mit Wandelgängen, Loggien und einer alles überragenden Sonnenterrasse liegt der Park auf dem ehemaligen Fabrikareal der Maschinenfabrik Oerlikon. Die Pflanzenhalle besteht aus einem Gerüst aus 330 Tonnen Stahl sowie 30 Kilometern Rankseilen, an denen sich insgesamt 1100 Kletterpflanzen emporranken. Das Innere lädt zu Spiel, Open-Air-Kino, Theater und Konzerten ein. Die ganze Stahlkonstruktion ist bis oben hin begehbar und enthält ein Sonnendeck als Liegefläche.
2003 wurde der Louis-Häfliger-Park mit 0,5 Hektaren eröffnet. Er liegt als Nachbarschaftspark an der Binzmühlestrasse zwischen der neuen ABZ-Siedlung Regina-Kägi-Hof und den Produktionsgebäuden der Oerlikon Contraves AG. Diese Parkanlage, deren verschiedene
Felder wie ein Flickteppich verwoben wurden, soll für
alle, die hier wohnen und arbeiten, ein Ort der Erholung und Begegnung sein.

Der «ideale Stadtpark»
ist ein illusorisches Gebilde
Am 3. Juni 2005 wird die vierte Neuanlage Oerlikons, der Wahlen-Park, feierlich eingeweiht. Der Projektname
RGB steht für die Farben Rot, Grün und Blau, die den Park optisch klar strukturieren werden, nämlich ein
rotlaubiger Buchenwald, ein blauer Sitzbalken und dazwischen eine sattgrüne Wiese. Die Parkanlagen sollen ein grüner Treffpunkt für die Oerliker und Seebacher
Bevölkerung werden, aber auch für die Schülerinnen und Schüler des nahe gelegenen Schulhauses Im Birch. Anfang Dezember 2004 wurden noch die Blutbuchen
gepflanzt und ein gut 7500 Quadratmeter grosses Feld mit einem grünen Fertigrasen belegt. Die waldartige Blutbuchenhalle soll bewusst Assoziationen zu einem klassischen englischen Park wecken. Im Spielfeld wurden als markante, funktionelle Raumelemente ein
massiver skulpturaler Lichtmast, ein Ballfangnetz, ein Wasserbecken mit breitem Rand und ein Schattendach mit konzentrischer Stütze eingesetzt. Bei Nacht aber wird sich der Wahlen-Park märchenhaft verwandeln, denn der 160 Meter lange, mit 7000 blauen Glasbausteinen erstellte Sitzbalken entlang der Lindenbäume wird romantisch blau leuchten, das Wasser im runden Becken mit elf Metern Durchmesser wie ein Meer im Mondlicht glitzern und die Wiese durch ein Flutlicht
zu einer grossen Bühne werden.
Nicht überall steht dermassen viel Platz für mehrere Parkanlagen zur Verfügung wie im Zentrum Zürich-Nord. Andernorts muss sich die Bauherrschaft beschränken und aus den vorhandenen Möglichkeiten das Beste herausholen. Einige nehmen dafür die Dienste der
Hochschule für Soziale Arbeit in Luzern (HSA) in Anspruch, die einen Lehrgang in soziokultureller Animation anbietet und wo unter anderem über die Entwicklung des sozialen und kulturellen Raumes nachgedacht wird. Patentrezepte sind hier jedoch nicht erhältlich.
Ulrike Lohe-Haselbeck, wissenschaftliche Assistentin und Raumplanerin NDS ETHZ, sagt: «Ich bin der Meinung, dass es den idealen Stadtpark als ‹Produkt› nicht gibt.
Es gibt jedoch sinnvolle Entwicklungsprozesse mit Ziel eines vielseitig nutzbaren und von der Bevölkerung
geschätzten Stadtparks. Ein städtischer Park ist immer als Teil eines Netzwerkes von öffentlichen Räumen zu verstehen, das unterschiedliche Bedürfnisse abdeckt.
Jeder einzelne Park eines Netzwerkes kann anderen
Ansprüchen gerecht werden und sollte mehrere Nutzergruppen gleichzeitig ansprechen.»
Weitaus komplexer als die Planung ist nach Ansicht von Lohe-Haselbeck das Eruieren der Bedürfnisse der zukünftigen Nutzer und Nutzerinnen. Und in Oerlikon war die Gruppe der Parkbenutzer nicht einfach zu erfassen, da ein grosser Teil des Gebietes noch im Bau ist.
Doch nicht nur Neues entsteht in Neu-Oerlikon,
Altes und Schützenswertes wird auch bewahrt. Der bereits 1942 gebaute Gustav-Ammann-Park wurde in die Planung einbezogen und gilt als Geheimtipp für alle,
die im neu entstehenden Stadtquartier Ruhe und eine lauschige Oase suchen. Als «Wohlfahrtsgarten» wurde dieser Park angrenzend an die Fabrikgebäude der damaligen Bührle AG gebaut. Er bildete damals mit seinen Natursteinmauern, Pergolen und südländischer Bepflanzung einen wohltuenden Kontrast zum harten
Fabrikalltag. Seit 1994 ist die Parkanlage geschützt und öffentlich zugänglich. In diesem Winter wurde sie
gartendenkmalpflegerisch saniert und präsentiert sich nun wieder im ursprünglichen Zustand. xyzꆱ

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