«der arbeitsmarkt» 10/2005

Mix aus Frau und Mann – der ideale Unternehmertyp

Von Frauen gegründete Unternehmen haben eine höhere Chance zu überleben. Männer hingegen schöpfen das Wachstumspotenzial besser aus. Beide könnten voneinander lernen.

In der Schweiz überlebt nur jedes zweite Jungunternehmen die ersten fünf Jahre. Dies belegt eine aktuelle Studie des Instituts für Management und Wirtschaftsinformatik der Fachhochschule Solothurn (FHSO). Befragt wurden 743 Männer und Frauen zu ihren Firmengründungen im Zeitraum 1999 bis 2000. Das Resultat: Neben der Berufserfahrung, dem Beziehungsnetz, der persönlichen finanziellen Haftung, der Produktinnovation und der Kreditwürdigkeit hat das Geschlecht einen signifikanten Einfluss auf die Überlebenschance eines Jungunternehmens. Im Klartext heisst das: Die von Frauen gegründeten Firmen haben eine höhere Überlebenschance als diejenigen ihrer Kollegen. Ausschlaggebend bei der Gründung sei die bei den Frauen stärker ausgeprägte «intrinsische Motivation», die Unabhängigkeit und Selbstverwirklichung vor den Umsatzgewinn und das Expansionsstreben stellt.
Frauen sollen bei der Firmengründung auch ein anderes Verhaltensmuster an den Tag legen: Sie halten die Unternehmensgrösse bewusst klein, stellen weniger Mitarbeitende ein, meiden unnötige Risiken, übernehmen persönlich die finanzielle Haftung und halten somit die Kapitaleinlage zu Beginn der Gründung möglichst gering. Das Muster ist erfolgreich. Obwohl der Frauenanteil der im Handelsregister erfassten Firmengründungen in der Studie geringe 16 Prozent beträgt, erreichen sie unter allen selbständig Erwerbenden einen Anteil von 33 Prozent (Stand 2004).
Doch die Überlebenswahrscheinlichkeit allein macht noch kein nachhaltig wachsendes Unternehmen aus. Die 1999/2000 von Frauen gegründeten 119 Unternehmen beschäftigten zu Beginn durchschnittlich 1,43 Angestellte. Nur 11,1 Prozent der Frauenfirmen lagen über der durchschnittlichen Unternehmensgrösse aller Firmengründungen. In den ersten fünf Jahren sank dieser Wert auf 10 Prozent. Dies lässt auf ein nicht vollständig ausgeschöpftes Wachstumspotenzial schliessen.
Tatsache bleibt, dass Firmen mit nachhaltigem Wachstum der gesamten Volkswirtschaft nützen. Sollten Frauen nach einer erfolgreich bestandenen Anfangsphase nicht eine Expansion in Erwägung ziehen? «Würden sich Frauen wie Männer verhalten, gäbe es 68 Prozent mehr neue Unternehmen und 45 Prozent mehr Stellen», bilanziert Rolf Meyer, der Autor der Studie «Das Überleben junger Unternehmen». Eine waghalsige Bilanz. Obwohl sich die Durchfallquote der Neugründungen ebenfalls erhöhen würde, wäre der Volkswirtschaft ein bedeutender Nettogewinn beschert, wie Meyer versichert.

Hausarbeit als Hemmschwelle

Die wissenschaftliche Analyse geschlechtsspezifischer Unterschiede von Unternehmensgründern bietet
Chancen für die erfolgreiche Unternehmensführung mit nachhaltigem Wachstum. Die daraus entstehenden Synergien sollten bewusst und gezielt genutzt werden, ohne sich dabei auf eine Stereotypisierung oder Polarisierung der Geschlechter einzulassen. Die Vorarbeit wurde bereits in der Studie «Frauen-Power unter der
Lupe – Geschlechtsspezifische Unterschiede der Jungunternehmerinnen und -unternehmer» geleistet. Die Studie zeigt, in welchen Bereichen sich Frauen und Männer bei der Firmengründung unterschiedlich verhalten. Gemäss der Studie investieren Männer in grössere Unternehmen mit einer Infrastruktur, die es ihnen ermöglicht, zu wachsen. Der Prestigegedanke, der an die Umsatzgewinne einer Unternehmensexpansion gekoppelt ist, motiviere Männer bei der Firmengründung stärker. Männer sollen sich schnell entscheiden können, risikofreudiger sein und sich zu Beginn der Gründung einer relativ hohen Kapitaleinlage bedienen.
Die Auswertung der weiblichen Exponenten hingegen zeigt auf, dass sie der finanziellen Planung und den
Entscheidungsprozessen generell höheres Gewicht beimessen. Frauen sollen weniger risikofreudig sein, die Unternehmensgrösse bewusst klein halten und das Marktgeschehen sowie das Verhalten der Konkurrenz
genauer beobachten. Persönliche Ziele wie Selbstverwirklichung und Unabhängigkeit zu realisieren, sei bei der Gründung der wichtigste Motivationsfaktor.
Diese unterschiedlichen Verhaltensweisen von Männern und Frauen werfen die Frage auf, in welchen Bereichen beide voneinander lernen können. «Während Männer ihre Finanzen öfters mal aus dem Auge verlieren, passen die Frauen ihre flexiblen Kosten bei Auftragsflaute rechtzeitig an», erklärt Meyer. «Männer sollten sich mehr Zeit für die finanzielle Planung nehmen, unnötige Risiken vermeiden und sich nicht blindlings ins Verderben stürzen», resümiert Meyer den Nachholbedarf bei Firmengründern männlichen Geschlechts.
Aber auch bei Frauen stellt Meyer einen Nachholbedarf fest. «Es wäre wünschenswert, wenn vermehrt Unternehmensgründerinnen mehr Risiken eingingen und den Mut zur Unternehmensgrösse hätten», rät
Meyer. Der Experte fügt hinzu, dass Frauen dabei ihr vorrangiges Ziel eines möglichst unabhängigen Kleinunternehmens zu Gunsten eines grösseren Betriebes mit mehr Angestellten und Wachstumspotenzial überdenken müssten. Doch einen Haken gibt es dennoch: die Hausarbeit. «80 bis 85 Prozent der Hausarbeit lasten immer noch auf den Schultern der Frauen», sagt Meyer und sieht darin die Hauptursache des immer noch relativ geringen Frauenanteils bei den Selbständigen und der unterdurchschnittlichen Firmengrösse. Abhilfe könnten, so Meyer, mehr staatlich subventionierte Krippenplätze, die Anstellung von Kinderbetreuern
wie Au-pairs und eine gerechtere Verteilung der Hausarbeit bringen.

Innovativ sind beide Geschlechter

Der ideale Unternehmertyp bringt aber nicht nur männliche und weibliche Verhaltensmuster mit, sondern auch ein innovatives Produkt. Meyer weist darauf hin, dass drei Viertel aller Jungunternehmer in der Schweiz mit einem bestehenden Produkt oder einer bereits vorhandenen Dienstleistung den Markt betreten. Dabei gehe es nicht nur darum, mit Neuigkeiten aus dem High-Tech-Bereich aufzutrumpfen, sondern die Konkurrenz auch in traditionellen Bereichen mit neuen Ideen herauszufordern. Innovationen sind allerdings keine Frage des Geschlechts, sondern vielmehr das Produkt eines innovativen Geistes. «Es gibt bei der Innovationstätigkeit keinen signifikanten Unterschied zwischen den Geschlechtern», bekräftigt der Gründungsforscher. Meyer weist aber auf ein anderes Problem hin, das sich unabhängig vom Geschlecht als grosses Hindernis für junge Firmen mit ausgeprägten Wachstumsstrategien und dementsprechend hohem Kapitalbedarf herausstellt: Die Banken geben sich bei der Kreditvergabe immer noch sehr zurückhaltend.

Synergien dank Unterschieden

Die selbständige Unternehmerin Barbara Hirt betrachtet einen gekonnten Mix von männlichen und weiblichen Verhaltensweisen als das Erfolgsrezept. Seit 1998 ist sie mit ihrer Firma «Intuition Management» in Mönch-altorf als Coach und Prozessbegleiterin in der Organisationsentwicklung tätig. Ihre Firma hat nicht nur die ersten fünf Jahre überlebt, sondern wächst auch stetig. Heute ist Hirt eine erfolgreiche Geschäftsfrau. Als
Unternehmerin fühlt sie sich einem ganzheitlichen Konzept verpflichtet, das den Menschen in den Mittelpunkt stellt. Der Name ihres Unternehmens stellt den Anspruch nach Ausgleich dar. Während «Intuition» (fühlen, ahnen und wahrnehmen) als der kreative Teil des unternehmerischen Wirkens zu verstehen ist, zielt «Management» (strukturieren, handeln, umsetzen) auf den logisch-analytischen Aspekt des Wirtschaftens ab. Nur die Kombination beider Eigenschaften führe langfristig zum Erfolg. Es gehe aber nicht darum, die
Geschlechter dem einen oder anderen Prinzip zuzuordnen. «Die Nutzung von Synergien weist einen dringenden Handlungsbedarf auf», betont Hirt. Einen wirklich grossen Unterschied zwischen Männern und Frauen stelle sie im Selbstverständnis, im sicheren Auftreten und im Selbstvertrauen fest. «Was bei den einen oft zu wenig
entwickelt ist, leben die andern im Überfluss. Beides kann bereits mittelfristig zum Scheitern führen»,
bestätigt die erfahrene Geschäftsfrau. «Während sich Frauen tendenziell mehr hinterfragen, schiessen die Männer oft übers Ziel hinaus», beschreibt Hirt das unterschiedliche Verhalten der Geschlechter: «Der ideale
Unternehmertyp balanciert zwischen einer gesunden Selbsteinschätzung und einer angemessenen Selbstreflexion».
Lerneffekte könnten sich bei Männern in einer besseren Risikokalkulation und in einer gesunden Selbstkritik einstellen. Das Lernpotenzial bei den Frauen bestehe vor allem darin, den «Hemmschuh Bescheidenheit» abzulegen und mehr Mut zur Grösse zu haben. Frauen sollten sich gegenseitig mehr unterstützen und «typisch weibliche Eigenschaften» wie Konkurrenzangst, Neid und Eifersucht als Hemmfaktoren erkennen.
«Den unterschiedlichen Verhaltensmustern sollte nicht nur in der Gründungsforschung, sondern auch in Unternehmen, in der Politik und im privaten Umfeld mehr Beachtung zugestanden werden», wünscht sich Hirt. «Im Diversity Management, in der Wertschätzung der Unterschiedlichkeit (nicht nur der männlich-weiblichen), liegt die Ressource für eine konstruktive und friedfertige Lösung», resümiert die Unternehmerin. Es gehe somit nicht darum, aus Frauen Männer oder aus Männern Frauen zu machen, sondern die Unterschiede zuzulassen und Gemeinsamkeiten wahrzunehmen. Nur auf diese Weise können Synergien genutzt werden. Die Unternehmenswelt sei immer noch zu stark von männlichen Regeln bestimmt, und ein Ausgleich würde beiden Geschlechtern zugute kommen. Barbara Hirt über ihren Karrieresprung: «Ich habe erst gewonnen, als ich mich auf meine weiblichen Werte zurückbesonnen habe.»

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