«der arbeitsmarkt» 07/2006

Mit neuen Perspektiven in die Röhre gucken

Seit Anfang April gibt es in der Ostschweiz FUTURA.TV zu sehen, das ausschliesslich Arbeit und Bildung thematisiert. Chefredaktor Mario Aldrovandi erklärt, wen das Format anspricht, was es kann und welche Absichten die Macher verfolgen.

der arbeitsmarkt: Herr Aldrovandi, welche Beziehung haben Sie zu Arbeit, Aus- und Weiterbildung?
Mario Aldrovandi: Persönlich habe ich eine Entwicklung durchgemacht, wie das für eine wachsende Zahl von Beschäftigten gilt und im Buch «Der flexible Mensch» von Richard Sennett beschrieben wurde: der nicht lineare Weg, das Quereinsteigen oder eben eine Kombination zwischen Beruf, Weiterbildung und Learning on the job, verbunden mit Ortswechseln. Volksschule, vier Jahre Lehre als Fotolithograf, berufsbegleitend mit der AKAD die eidgenössische Matur, abgebrochenes Jus-Studium und dann Journalismus in all seinen Formen vom Redaktor bis zum Chefredaktor/Geschäftsleiter, von Radio, TV über Print und Internet, und das in den letzten 30 Jahren abwechselnd in Basel, Biel, Bern, Luzern und im Grossraum Zürich.

Welche Idee steht hinter dem Projekt FUTURA.TV?
Wir wollen eine redaktionelle Leistung zum Thema Bildung und Beruf erbringen und damit auch ein Umfeld für kommerzielle Werbung schaffen, womit wir die Redaktion finanzieren wollen. Mit FUTURA.TV reagieren wir also auf zwei Mängel: auf das Fehlen von publizistischen Inhalten und auf das Fehlen von geeigneten Werbeplattformen. Bisher existierte kein publizistisches Angebot zu den Bereichen Bildung und Beruf im Fernsehen oder Radio. Im Printbereich erscheinen lediglich alle drei Monate die Gratisbeilage FUTURA mit dem «Tages-Anzeiger» und ab und zu Sonderbeilagen in anderen Zeitungen. Auch in Sachen Werbung ist die Situation nicht optimal. Es gibt zwar Werbung im Bereich Ausbildung, aber die findet oft an themenfremden Orten statt. Zum Beispiel gibt es im «ZüriTipp» jede Woche zehn Seiten Werbung für Weiterbildung und Kurse, aber eigentlich erwarte ich dort Kino-, Ausgeh- und Kulturtipps. Und Fernsehwerbung im Bereich Bildung und Beruf gibt es praktisch keine.

Besteht danach ein Bedarf?
Gemäss den ersten Reaktionen sind wir auf dem richtigen Weg. Wer sich im Ausbildungs- und Jobbereich engagiert, ist froh um eine Plattform, wo er auch zu Wort kommt. Das gilt für die Macher auf der inhaltlichen Ebene und auch für die Werbenden. Es erscheinen natürlich Fachmagazine, zum Beispiel vom BBT, aber die erreichen das breite Publikum nicht. Unsere Sendung wird geschätzt, weil sie die ganze Palette eben nicht elitär, sondern in gut verdaulicher Art und Weise abdeckt.

Erreicht FUTURA.TV auch Leute, die sich nicht aktiv über diese Bereiche informieren würden?
Das auch. Wobei es interessant ist, dass sich mehr als ein Drittel der Schweizerinnen und Schweizer jährlich weiterbilden. Es ist erstaunlich, dass es nicht mehr Publikationen zu einem Thema gibt, das so viele Menschen beschäftigt. Mit Fussball zum Beispiel beschäftigt sich nicht unbedingt jeder Dritte und trotzdem hat jede Zeitung Fussballbeilagen. Dasselbe gilt für Wirtschaft oder Computer. Aber ich muss ja nicht beurteilen, was die anderen vernachlässigen. Wir machen es so, dass es die Leute interessiert.

FUTURA.TV produziert pro Woche eine fünfzehnminütige Sendung, die sieben Mal ausgestrahlt wird. Lässt sich damit die angesprochene breite Palette abdecken?
15 Minuten sind eigentlich zu knapp. Man könnte jeden Tag eine interessante Sendung zu Bildung und Beruf machen. Skepsis, dass es nicht genügend interessante Themen geben könnte, ist fehl am Platz. Letzthin hatten wir einen 16-jährigen Fussballlehrling des FC Zürich, den Datenschutzbeauftragten Hanspeter Thür zum Thema Persönlichkeitsschutz in Bewerbungsgesprächen und einen Landarzt, dessen Praxis von der Schliessung bedroht ist. Es gibt eine grosse Fülle von Themen und wir müssen uns jede Woche auf drei oder vier beschränken.

Welche Zuschauer will FUTURA.TV ansprechen?
Da machen wir es uns einfach und sagen: alle. Natürlich ist zum Beispiel gerade jetzt im Frühling, wenn es darum geht, Lehrstellen zu besetzen, die Jugendarbeitslosigkeit besonders aktuell, und darüber berichten wir. Aber wir kümmern uns auch um Fragen wie: Ist es schlimm, in der Schule sitzen zu bleiben? Wie attraktiv ist der Landdienst? Was unterscheidet eine Klosterschule von einer öffentlichen Schule? Oder: Warum ist Chinesisch im Trend? Wir wollen eine Sendung für alle machen: für den Lehrling, die Mutter eines schulpflichtigen Kindes und auch für die Sechzigjährige, die noch einmal studieren oder Freiwilligenarbeit leisten will.

Gibt es Kooperationen mit Anbietern oder Institutionen?
Das Know-how erarbeiten wir uns selbst. Wir sind daran, ein Netz zu knüpfen, das uns damit versorgt. Einiges erfahren wir nicht oder zu spät, weil man noch nicht realisiert hat, dass es uns gibt. Wir senden erst seit
drei Monaten und bisher auch nur in der Ostschweiz. Unsere Sendung läuft auf TeleZüri und TeleTop um 17 Uhr, also zu einer ungünstigen Zeit. Wegen dieser Einschränkungen braucht es Zeit, bis man uns wahrnimmt – auch in Fachkreisen. Ein Beispiel: Letzte Woche berichteten wir über die Arbeit des Lehrstellenförderers der Stadt Zürich. Als er den Beitrag dann seiner Chefin Monika Stocker zeigte, war sie positiv überrascht, dass es so eine Sendung gibt. Es braucht einfach eine gewisse Zeit, bis man bemerkt wird.

Wie sind die Publikumsreaktionen?
Wir bekommen bisher wenige Reaktionen. Die Zuschauer nehmen uns eher passiv zur Kenntnis und sie schicken nur selten E-Mails und Briefe.

Gibt es bei FUTURA.TV auch interaktive Elemente?
Noch nicht. Wir wollen aber das Kursangebot der verschiedenen Schulen über unsere Homepage zugänglich machen. Wir können uns vorstellen, dass wir in Zukunft auch mit Stellenvermittlern zusammenarbeiten. Ausserdem bringen wir in jeder Sendung den Lehrerwitz. Schulklassen sind aufgerufen, sich dafür anzumelden, und es melden sich immer mehr. Daneben kann man uns per E-Mail erreichen und auf der Website Informationen zur Sendung herunterladen.

Ist ein Ausbau geplant?
Mit dem Start auf TeleZüri und TeleTop sind wir sehr zufrieden, aber wir möchten gerne noch mehr Publikum erreichen. Diesbezüglich führen wir Gespräche mit weiteren TV-Veranstaltern. Offen gesagt bin ich der Meinung, dass eine derartige Sendung eigentlich auf SF1 laufen sollte. Das wäre typischer Service public, aber davon entfernt sich SF1 ja immer mehr. Im Onlinebereich werden wir unser Angebot verbreitern und einen wöchentlichen Newsletter als Vorschau auf die nächste Sendung sowie eine Know-how-Datenbank erstellen. Wir diskutieren auch Möglichkeiten einer Kooperation mit dem Printbereich. Auch dazu gibt es erste Gespräche, aber unterschriftsreif ist noch nichts.

Per Satellit ist in der Schweiz auch das deutsche JobTV24 zu empfangen. Nehmen Sie das als Konkurrenz wahr?
Ich habe es noch nie gesehen. Soweit ich informiert bin, ist JobTV24 ein ergänzender TV-Sender zu einem Stellenportal. Es geht um Stellenvermittlung und -beschriebe. Das hat seine Berechtigung, aber wir machen
etwas anderes, oder etwas mehr. Bei uns geht es um die Fragen, wie man sich im Alltag und Berufsleben qualifizieren kann, wie man seine Freude am Lernen leben kann.

Wie finanziert sich FUTURA.TV?
Im Moment nimmt Primetime das Risiko auf sich, da die Sendung noch nicht kostendeckend ist. Das Ziel ist die Finanzierung durch Werbung und Sponsoring, wobei wir bei der Werbung schon jetzt fast ausgebucht sind.

Besteht da nicht Gefahr, dass irgendwann der Vorwurf kommt, eine Hand wasche die andere?
Nehmen wir an, wir wären von einem grossen Schulanbieter gesponsert. Da wäre natürlich der Verdacht gegeben, dass wir diese Schule in der Sendung besonders berücksichtigen. Daher tendieren wir zu Sponsoren, die zwar mit Aus- und Weiterbildung zu tun haben, aber kein direktes Interesse haben, in der Sendung vorzukommen. So wie Apfelsaft eine Sportsendung sponsert, könnte das bei uns zum Beispiel eine Computerfirma oder eine Bank sein. Problematisch wäre, wenn man einen vorgestellten Kurs direkt bei unserem Sponsor buchen könnte. Die journalistische Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit ist uns wichtig.

Wie viele Zuschauer hat FUTURA.TV?
Wir sind zufrieden mit den Zahlen. Es sind rund 100000 Zuschauer pro Woche. Bis Ende Jahr wollen wir 150000 erreichen. Das Problem bezüglich der Zuschauerzahlen ist aber neben der Bekanntheit auch die Sendezeit. Um 18 Uhr würden schon doppelt so viele zuschauen wie um 17 Uhr.

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