«der arbeitsmarkt» 10/2006

«Lernen soll als nutzbringend erlebt werden»

Um ausländischen Stellensuchenden die Integration in den Arbeitsmarkt zu erleichtern, setzt das
SECO auf arbeitsmarktorientierte Deutschförderung. «der arbeitsmarkt» sprach mit Ernst Maurer vom Büro Sprache und Integration, der das Rahmenkonzept für diese Massnahme verfasst hat.

der  arbeitsmarkt Herr Maurer, was ist arbeitsmarktorientierte Deutschförderung?
Ernst Maurer: Bei der arbeitsmarktorientierten Deutschförderung handelt es sich um Bildungsangebote im Rahmen arbeitsmarktlicher Massnahmen für fremdsprachige Stellensuchende. Diese Angebote steigern die Arbeitsmarktfähigkeit der fremdsprachigen Stellensuchenden. Sie bieten ihnen effektive Möglichkeiten, kommunikative Kompetenzen auf Deutsch mit direktem Bezug zum Arbeitsmarkt aufzubauen. Die Angebote holen die Teilnehmenden dort ab, wo sie sprachlich und bezüglich schulischer Lernkompetenzen zu Beginn der Förderung stehen.Die arbeitsmarktorientierte Deutschförderung ist klar zweckgerichtet. Sie trägt vorrangig zum Aufbau von Kommunikationsfähigkeiten bei, die notwendig sind, um den Anforderungen bei der Stellensuche zu genügen und im anstehenden Berufsalltag und in der fachlichen Qualifizierung zu bestehen.

Sie haben für das SECO das Rahmenkonzept für die arbeitsmarktorientierte Deutschförderung verfasst. Auf welchen Überlegungen basiert dieses?
Kommunikative Kompetenzen in der lokalen Landessprache als gemeinsamer
Alltags- und Arbeitssprache sind heute ein zentrales Element beruflicher Handlungskompetenz. Sie sind eine wichtige, ja unerlässliche Ressource, über die Stellensuchende verfügen müssen. Kommunikationsfähigkeiten auf Deutsch ermöglichen den Zugang zu Weiterbildungs- und Qualifizierungsangeboten und steigern die Arbeitsmarktfähigkeit fremdsprachiger Stellensuchender nachhaltig. Sie helfen, die hürdenreiche Suche nach einer neuen Stelle sprachlich erfolgreich zu bewältigen. Zudem tragen sie systematisch dazu bei, die vielfältigen kommunikativen Anforderungen, die die neuen Arbeitssituationen nach Stellenantritt stellen, angemessen zu meistern und eine einmal gefundene neue Stelle zu behalten.

Welche Zielgruppen sollen von arbeitsmarktorientierter Deutschförderung profitieren?
Das Angebot ist niederschwellig angelegt. Zur Zielgruppe gehören fremdsprachige erwerbslose Personen, die beim RAV angemeldet sind und über keine oder wenig Deutschkenntnisse verfügen. Für viele ist das schulische Lernen ungewohnt oder überhaupt fremd. Bei einigen liegt die Schulzeit schon lange zurück, andere konnten keine oder nur wenige Schuljahre absolvieren und haben später als Erwachsene – oft als un- oder angelernte Mitarbeitende – auf Positionen gearbeitet, für die keine Weiterbildungen vorgesehen waren. Ein wichtiges Ziel der arbeitsmarktbezogenen Deutschförderung liegt deshalb darin, Stellensuchenden im Rahmen der Sprachförderung die Möglichkeit zu bieten, ihre schulischen Lernfähigkeiten aufzufrischen beziehungsweise sie sich von Grund auf und nachhaltig anzueignen. Die arbeitsmarktbezogene Deutschförderung leistet damit einen wichtigen Beitrag zur Erhöhung der Lernkompetenz, einer Fähigkeit, die aufgrund des schnellen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Wandels eine Schlüsselkompetenz heutiger Arbeitskräfte darstellt.

Der Unterricht wird von schulgewohnten und schulungewohnten Lernenden besucht. Wie kann dieser Heterogenität der Zielgruppe Rechnung getragen werden?
Nicht nur die schulischen Lernfähigkeiten, auch die Kommunikationskompetenzen auf Deutsch sind bei den Teilnehmenden unterschiedlich weit entwickelt. Verschiedene Angebotsniveaus und Einstufungsverfahren ermöglichen eine erste Zuteilung der Teilnehmenden in passende Lerngruppen. Die Gruppenzusammensetzung bleibt aber heterogen. Im Unterricht differenziert die Kursleitung deshalb teilnehmerinnen- und teilnehmerbezogen, lässt zum Beispiel in Kleingruppen arbeiten und ermöglicht individuelle Zugänge zu den Unterrichtsinhalten. Dank der partnerschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Anbieterinstitutionen und RAV-Beratenden wird der Verlauf der Fortschritte begleitet. Falls angebracht, können Teilnehmende so in ein fortführendes Niveau oder eine andere Massnahme übertreten.

Es ist anzunehmen, dass nicht alle Teilnehmenden gleich motiviert sind. Wie kann die Motivation gefördert werden?
Lernen soll – mit einem klaren Ziel vor Augen – Spass machen. Basierend auf klaren, verständlichen Zielsetzungen werden deshalb erkennbare Fortschritte angestrebt und den Lernenden immer wieder Erfolgserlebnisse ermöglicht. Der Ansatz ist nicht defizit-, sondern ressourcenorientiert. So sollen die bisherigen Berufs- und Alltagserfahrungen der Lernenden, aus dem Heimatland oder der Schweiz, wertschätzend in den Unterricht mit einbezogen werden. Durch handlungsorientierte Unterrichtsformen wird ihnen eine aktive Auseinandersetzung mit der Sprache ermöglicht beziehungsweise eine solche
von ihnen verlangt. Angestrebt wird ein selbsttätiges und zunehmend selbständiges Lernen, das Zugänge zum Arbeitsmarkt schafft und persönlich als nutzbringend erlebt wird.

In welchem Rahmen findet arbeitsmarktorientierte Deutschförderung statt?
Der Unterricht erfolgt in Kollektivkursen und in Programmen zur vorübergehenden Beschäftigung. In den  Kollektivkursen bereitet er berufsfeldübergreifend auf die sprachliche Bewältigung kommunikativer Aufgaben an künftigen Arbeitsplätzen vor, hauptsächlich in der Hotellerie und Gastronomie, in der Hauswirtschaft und Reinigung, im Baugewerbe und in der Betagten- und Krankenpflege. In den PvB bietet die Deutschförderung eine optimale Verbindung von Sprachunterricht und Arbeitspraxis. Die integrierte Deutschförderung vernetzt  den Deutschunterricht eng mit den sprachlichen Anforderungen, die das jeweilige berufliche Tätigkeitsfeld des PvB stellt. Sie findet zudem gezielt und systematisch in die Arbeitsabläufe eingebettet statt und ermöglicht so den fremdsprachigen Stellensuchenden, je nach Tätigkeitsfeld, das im PvB angeboten wird, ihre Kommunikationsfähigkeiten auf Deutsch branchen- und arbeitsplatzbezogen aufzubauen.   

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